Mit "Maskirowka"-Taktik kann Putin Trump am Telefon in eine Falle locken

Kreml-Despot Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump wollen am Montag erneut miteinander telefonieren. Es wird das dritte Gespräch der beiden Staatschefs seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus sein. Offiziell soll es dabei um Wege zum Frieden im Ukraine-Krieg gehen.

Trump-Putin-Telefonat: Drohungen im Vorfeld

Die Vorzeichen dafür sind jedoch alles andere als versöhnlich: In einem bereits im März geführten und offenbar gezielt vor dem anstehenden Telefonat veröffentlichten Interview warnte Putin die USA davor, ihm Bedingungen zu diktieren. In dem Ausschnitt, den der Kreml-Reporter Zarubin teilte, sagte Putin: „Wissen Sie, die Amerikaner – das amerikanische Volk und die amerikanische Führung, einschließlich des Präsidenten – haben ihre eigenen nationalen Interessen. Wir respektieren das. Wir gehen davon aus, dass wir auch so behandelt werden.”

Trump wiederum drohte zuletzt ebenfalls in Richtung Russland. „Ich werde es tun, wenn wir keinen Deal machen“, sagte Trump mit Blick auf sekundäre Sanktionen in einem Interview mit dem amerikanischen TV-Sender Fox News in Doha. Als abschreckendes Beispiel nannte er den Iran: Wer Teheran Öl abkaufe, könne keine Geschäfte mehr mit den USA machen. „Man sieht, wie die Schiffe die iranischen Häfen verlassen“, so Trump.

Vor diesem Hintergrund wirken die Voraussetzungen für ein konstruktives Gespräch begrenzt – und doch ist das diplomatische Protokoll exakt geplant. Klemens Fischer, Professor für Internationale Beziehungen und Geopolitik an der Universität zu Köln, erklärt, wie ein solches Hochrisikogespräch zwischen zwei Atommächten tatsächlich abläuft.

Für Trump ist ein Telefonat besser als ein Video-Call

Telefonate auf diesem hohen diplomatischen Niveau sind demnach keineswegs spontane Verabredungen. Sie werden meist bis zu zwei Wochen im Voraus angesetzt. Im konkreten Fall sei das dritte Gespräch zwischen Trump und Putin laut Fischer rund zehn Tage vorher terminiert und durchgeplant worden. Fischer war viele Jahre Angehöriger der österreichischen EU-Botschaft in Brüssel, zuletzt im Rang eines Gesandten und Abteilungsleiters. Er hat an entscheidenden Verhandlungen der europäischen Integration teilgenommen und 30 Jahre Erfahrung in diesem Geschäft, kennt sich also auf diplomatischem Parkett aus.

„Wichtig ist bei diesen Gesprächen, dass alle technischen Voraussetzungen erfüllt sind, alle Dolmetscher verfügbar sind und die Hintergrundinformationen so aufbereitet sind, dass beide Telefonpartner bestens vorbereitet sind“, erklärt Fischer im Gespräch mit FOCUS online. Ziel sei es, „dass das Gespräch effizient verläuft, indem das Frage-Antwort-Spiel nach einer vorab geplanten Regie abläuft“.

Ob per Video oder klassischer Leitung – die Gespräche laufen über speziell gesicherte Verbindungen, nicht übers Internet. „Diese Leitungen sind geschützt, um Abhörsicherheit zu gewährleisten“, sagt Fischer. Im Raum dürfe zudem kein anderes Gerät eingeschaltet sein, das Signale senden oder empfangen kann. Die verwendeten Räume – etwa im Weißen Haus in Washington oder im Kreml – seien zudem elektromagnetisch abgeschirmt. 

Ob ein Videoanruf stattfindet, entscheiden die Staatschefs selbst. Zwar ermögliche ein Videoanruf das Beobachten des Gegenübers, doch das sei auch ein Risiko, so Fischer. Zumindest für Trump: „Ein Telefonat ist sicherer. Bei Trump sieht man im Fernsehen oft, dass seine Mimik schnell seine Emotionen widerspiegelt. Putins Mimik hingegen bleibt meist unbewegt.“ Putin wäre hier wohl im Vorteil.

Putins Vorteil: Er spricht Englisch, Trump aber kein Russisch

Eine Sprachbarriere ist bei solchen Gesprächen stets vorhanden. Während Putin konsequent Russisch spricht, bleibt Trump beim Englischen. Aber auch hier ist der Kreml-Chef im Vorteil. Während Trump auf die Übersetzung warten müsse, weil er kein Russisch spricht, könne sich Putin, der Englisch spricht, bereits eine Antwort zurechtlegen, darüber nachdenken und taktischer agieren, solange er auf die Übersetzung wartet, erklärt Fischer.

Die Dolmetscher, die zum Einsatz kommen, seien zudem hochspezialisiert. „Im Trump-Team gibt es spezielle Dolmetscher, die ausschließlich für die Kommunikation mit dem russischen Präsidenten zuständig sind“, sagt Fischer. Diese studieren Putins Reden und Auftritte, um dessen Ausdrucksweise, seine Vokabelsetzung und Klangfarbe exakt zu erfassen. „Solche Dolmetscher können Putins Sätze antizipieren.“ Für den Notfall stehe auch immer mindestens ein zweiter Dolmetscher bereit. 

Interessant ist auch die taktische Funktion der Übersetzung: „Dolmetscher bieten eine taktische Hilfe, um Zeit zu gewinnen und sich die Antworten besser zurechtzulegen“, so Fischer.

Beide Präsidenten führen das Gespräch zwar aus gesicherten, abgeschirmten Räumen – doch sie sind dabei keinesfalls allein. Umgeben sind sie von einem ausgewählten Kreis an Mitarbeitern: außenpolitische Berater, Sicherheitspersonal, Protokollführer sind neben den Dolmetschern zusätzlich im Raum.

„Die Gesprächsteilnehmer werden von Mitarbeitern unterstützt, die Notfallinformationen einspielen oder schriftliche Hinweise geben können“, sagt Fischer. 

„Beide Seiten wollen als Gewinner aus dem Telefonat hervorgehen“

Trotz der öffentlichen Inszenierung seien solche Gespräche meist kaum improvisiert. Vielmehr folgen sie einem minutiös ausgearbeiteten Ablauf. „Das Ganze ist sehr taktisch. Beide Seiten wollen als Gewinner aus dem Telefonat hervorgehen“, sagt Fischer. Dabei helfen vorbereitete Entscheidungsbäume, die vorgeben, wie auf erwartete Antworten oder Forderungen des Gegenübers zu reagieren ist. 

Auch Täuschung gehört zur Strategie: Fischer verweist auf die russische Tradition der "Maskirowka" – ein jahrhundertealtes Konzept gezielter Irreführung und Versuche, den Gegner in Sackgassen zu locken. Je länger das Gespräch andauert, desto mehr Raum habe der Kreml-Chef dafür. 

Putin hat außerdem den Vorteil, dass er seit vielen Jahren politische Verantwortung trägt und unzählige schwierige diplomatische Gespräche geführt hat. Er ist auch durch seine Zeit beim KGB ein gestählter Verhandler, wohingegen sich Trump vor allem auf seine Zeit als Geschäftsmann stützen kann - und muss.

Gleichzeitig kann es natürlich auch zu überraschenden Entwicklungen kommen. „Normalerweise versucht man, sich an ein Drehbuch zu halten, doch es bleibt offen, wie gut beide Staatschefs sich daran halten können.“ Gerade Trump sei für spontane Manöver bekannt – und genau darauf seien Putins Berater vorbereitet.

Fischer fasst zusammen: „Alles, was wir jetzt erleben, ist im Grunde die Fortführung der Gefechte auf anderen Ebenen.“ Das Gespräch zwischen Trump und Putin ist also weniger eine freundliche Abstimmung – als vielmehr ein strategisches Duell auf höchster Ebene. „Diese Gespräche können durchaus als verbales Schlachtfeld mit psychologischen Elementen betrachtet werden.“