Dirk Steffens pendelt zwischen der Wildnis und dem Isartal: TerraX-Macher spricht über sein Privatleben

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Lebt gerne in Icking: Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens, hier im entspannten Gespräch mit Autorin Clara Wildenrath © Sabine Hermsdorf-hiss

Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen lebt Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens mit seiner Familie. Zwischen Walnusskuchen und Kindertraining findet er das, was ihm jahrelang fehlte: ein Stück ganz normales Leben.

Icking– Sachertorte, Bayrisch-Creme oder lieber etwas Nussiges? Dirk Steffens sitzt auf der Terrasse des Restaurants Klostermaier und überlegt lange, welchen Kuchen er essen möchte. „Verdammt. Ich brauche Walnuss-Birne“, sagt er schließlich und lacht. „Das passt eigentlich überhaupt nicht zum Bier“, stellt er fest und weist auf das alkoholfreie Helle, das er vor sich stehen hat.

In Icking kann er endlich ein normales Leben führen

Seit vier Jahren wohnt er mit seiner zweiten Frau und deren beiden Söhnen in Icking. Gerade habe er mit seinem Kleinbus eine ganze Horde Kinder zum Fußballtraining gebracht, erzählt der 57-jährige Naturfilmer und TV-Moderator. „Ich führe hier zum ersten Mal so etwas wie ein normales Leben.“ In den Sportverein gehen, Freunde treffen, Geburtstagsfeiern, Hochzeiten und Beerdigungen besuchen – das sei kaum möglich, wenn man, wie er in den letzten 20 Jahren, drei Viertel der Zeit in der ganzen Welt auf Expeditionen unterwegs war. Jetzt seien es noch vier oder fünf Monate im Jahr, fast immer gemeinsam mit seiner Frau, „das fühlt sich sehr schön an“. Icking sei sein Zuhause, betont er, aber Heimatgefühle bekomme er, wenn er nach Hamburg fahre. In der Hansestadt habe er noch eine Wohnung, Familie, Freunde und eine Dauerkarte für den FC St. Pauli.

Unterwegs für die ZDF-Serie Terra X: Dirk Steffens mit Professor Harald Lesch.
14 Jahre lang unterwegs für die ZDF-Serie Terra X: Dirk Steffens mit Professor Harald Lesch. © Martin Christ

Steffens versteht es, Menschen in seinen Bann zu ziehen

Steffens spricht mit großem Enthusiasmus, er versteht es, Menschen in seinen Bann zu ziehen. Aus jeder seiner Äußerungen klingt Begeisterung – für die Natur, für seine Umgebung, seine „extrem sportliche und energetische“ Frau und seine „zwei Stiefkinder – so heißt das im Amtsdeutsch, oder?“ – und für alles, was er macht. Naturfilmer wollte er werden, seit er mit sechs Jahren eine Tierdoku mit Bernhard Grzimek gesehen hatte, erzählt er. Und nach wie vor ist es sein Traumberuf: „Es ist völlig undenkbar, dass es irgendeine Tätigkeit gibt, die auch nur annähernd so viel Spaß macht.“

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Als Kind habe er zum Leidwesen seiner Eltern jedes Tier von draußen mit ins Bett genommen. Heute bedeute es für ihn vollkommenes Glück, einem wilden Tier in der Natur zu begegnen, da, wo es hingehört: „Ich löse mich in der Welt auf wie eine Brausetablette in Wasser und spüre im Grunde nichts mehr.“ Ursprüngliche Natur finde er aber auch im Isartal: „Wenn ich mit dem Fahrrad nach München in die Redaktion fahre, sieht es um mich herum aus wie in der kanadischen Wildnis.“

Auf der anderen Seite sieht er sich aufgrund seiner Arbeit als „Augenzeuge der globalen Zerstörung“. Das Artensterben und der Klimawandel haben das Potenzial, uns auszulöschen, glaubt er. Dennoch sei er sehr optimistisch: „Gerade, weil ich mich mein Leben lang mit Wissenschaft beschäftigt habe, bin ich davon überzeugt, dass wir mehr Lösungen als Probleme haben. Wir sind nur leider sehr schlecht in der Anwendung dieser Lösungen.“ Dass er mit seinen Filmen, seinen Podcast und seinen Büchern dazu beitragen kann, das gesellschaftliche Umdenken anzustoßen und „die Welt ein klein wenig besser zu machen“, ist seine Interpretation von Erfolg.

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Ein Hamburger in
Bayern

Dirk Steffens (57) ist freiberuflicher Wissenschaftsjournalist, Fernsehmoderator, Podcaster („Kettenreaktion“) und Buchautor. Bekannt wurde er insbesondere durch die ZDF-Reihe „Terra X“, die er von 2008 bis 2022 moderierte. Aktuell arbeitet er als Moderator für RTL Deutschland und die ARD. Sein neues Buch „Hoffnungslos optimistisch“ erscheint Mitte November.

Für seine Arbeit vor und hinter der Kamera und sein Engagement für den Umweltschutz erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem das Bundesverdienstkreuz am Bande, den Deutschen Fernsehpreis, die Goldene Kamera und die Ehrendoktorwürde der Universität Bayreuth.

Steffens wuchs in der Nähe von Hamburg auf und lebt seit vier Jahren mit seiner zweiten Frau und deren beiden Söhnen in Icking.

Furchteinflößend findet er die Vorstellung, seine Leidenschaft für seinen Beruf irgendwann nicht mehr mit Vollgas ausleben zu können. Er tut deshalb viel, um geistig und körperlich lange fit zu bleiben. Für ein Filmprojekt über Langlebigkeit, neudeutsch Longevity, versuchten seine Frau und er ein halbes Jahr lang, ihre biologische Uhr zurückzudrehen – „mit wahnsinnig viel Sport, sehr vielen Medikamenten, null Alkohol, 16 Stunden Fasten jeden Tag, Eisbädern, Stressreduktion und so weiter. Alles, was die Medizin zu bieten hat.“ Tatsächlich habe er nach medizinischen Kriterien dadurch vier Jahre Lebenszeit gewonnen. „Das möchte ich gern halten“, sagt er. „Deshalb mache ich in softer Form weiter.“ Sieben Mal pro Woche Sport gehören dazu: Gewichte stemmen im Fitnessstudio, im Sommer Mountainbiken, Surfen und Rudern, im Winter Skitouren. Mit einem lausbubenhaften Grinsen schiebt er sich eine Gabel voll Kuchen in den Mund. „Das wirft mich natürlich zurück. Aber ab und zu brauche ich das.“