Die Hospizerweiterung in Polling braucht das Wohnbauprojekt zur Finanzierung. Doch Anlieger wehren sich gegen die massive Bebauung an der Ziegelbreite.
Polling - Zunächst lief für den Hospizverein alles nach Plan: Nach dem Grußwort der Ehrenvorsitzenden Renate Dodell („Ich hoffe heute auf positive Klarheit“) hielt Jakob Schätz, der Vorsitzende des Hospizvereins, vor rund 200 Besuchern in der Tiefenbachhalle eine leidenschaftliche Einführungsrede. Er warb um Dialog- und Kompromissbereitschaft: „Wir müssen um Lösungen ringen und dürfen uns nicht auseinandertreiben lassen.“
Schätz referierte über den Sachstand „Hospizerweiterung“ – und dabei verkündete er eigentlich nur gute Nachrichten. Im April 2026 soll der Spatenstich für das 20 Millionen Euro teure Großprojekt inklusive Einrichtung eines Kinderhospizes erfolgen. Die Kalkulation der reinen Baukosten in Höhe von etwa 17,5 Millionen Euro scheint laut Schätz „sehr realistisch“ zu sein: „Wir kommen da hin.“ 2028 soll der Erweiterungsbau am Kloster fertiggestellt sein – wenn alles nach Plan verläuft.
Wesentlicher Bestandteil im Gesamtkonzept ist die städtebauliche Nutzung des bis dato klostereigenen Grundstücks an der Ziegelbreite im Bereich von Pollings nördlicher Ortseinfahrt. Die Erlöse aus der Vermarktung als Wohnbaufläche sollen etwa zehn Prozent der Kosten für die Hospizerweiterung decken. Dieser Anteil ist unter anderem Voraussetzung dafür, dass andere Geldgeber wie der Sternstunden e.V. in den Finanzierungspool einsteigen. Ohne die Ziegelbreite, das betonte Dodell in ihrem Grußwort ausdrücklich, „steht das Hospizprojekt auf der Kippe“.
Mitarbeiter brauchen auch Wohnraum
Laut Schätz spielt aber nicht nur die Gegenfinanzierung eine Rolle. Das Hospiz wird nach der Erweiterung das Pflegepersonal kräftig aufstocken müssen – von 40 auf etwa 100 Mitarbeiter. „Und dafür brauchen wir Wohnraum“, so Schätz.
Eines der vier Mehrfamilienhäuser, die an der Ziegelbreite geplant sind, soll allein für diesen Zweck zur Verfügung gestellt werden. Die restlichen drei sollen zu bezahlbaren Konditionen bevorzugt an Pollinger Bürger vergeben werden. Zusammen mit den elf Reihenhäusern, die in den freien Markt gehen sollen, ist Wohnraum für rund 140 Personen vorgesehen: „Und wenn es nur 40 Pollinger sein sollten, die sich dort niederlassen, haben wir schon einen tollen sozialen Beitrag für das Dorf geleistet“, so Schätz.
Für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum braucht es aber auch den passenden Investor. Schätz sprach von einem „netten, feinen Herrn“, der „nicht lange überlegt“ habe. Selbst als klar war, dass statt fünf nur vier Mehrfamilienhäuser an der Ziegelbreite gebaut werden sollen, sei selbiger nicht abgesprungen. Und der Investor wurde bei der Bürger-Info auch gleich vorgestellt. Es ist Hans Schneider, der beruflich als Geschäftsführer der in Seehausen ansässigen Beratungsfirma „ifb“ tätig ist: „Ich bin kein Immobilieninvestor, aber ich habe gerne zugesagt“, betonte Schneider. Er habe mit seinem Unternehmen gutes Geld verdienen können. Daraus erwachse aber auch eine soziale Verantwortung. „Keiner weiß, wo sein letzter Weg hingeht oder sein letztes Bett sein wird – es könnte auch im Hospiz sein“, so Schneider.
Nach der Vorstellung des Investors wurden in der Bürger-Info die Pläne für die Ziegelbreite noch einmal detailliert erläutert – und dabei kippte die Stimmung. Mehrere Anlieger artikulierten zum Teil deutlich ihren Unmut über die Konzeption. Der Tenor: Man sei nicht gegen das Hospiz, aber gegen die Massivität der an der Ziegelbreite vorgesehenen Bebauung. Man müsse die Projekte „Hospiz“ und „Ziegelbreite“ differenziert voneinander betrachten. Die Verantwortlichen vom Hospizverein schließen das aus: Das eine Vorhaben sei ohne das andere nicht zu realisieren, betonen sie.
Der „Bürger-Dialog“ geriet während der dreistündigen Veranstaltung zu einer teils harten Auseinandersetzung. Dabei geht es nicht um die Hospizerweiterung an sich: „99 Prozent sind für das Projekt“, meinte eine Besucherin in der Diskussionsrunde. Bei der Ziegelbreite sieht das anders aus. Das St. Ulrichswerk Augsburg, das vom Vorhabensträger, dem Kloster Polling, mit der Planumsetzung betraut ist, hat zwar bereits mehrere Zugeständnisse gemacht (u.a. Verzicht auf ein fünftes Mehrfamilienhaus zugunsten eines Regenrückhaltebeckens, getrennte Tiefgaragenzufahrten), aber die Protestwelle reißt nicht ab. Inzwischen wurde sogar eine Unterschriftenaktion initiiert.
„Wir versuchen, unsere Häuser zu retten“
Die Liste der Kritikpunkte betrifft das Projekt „Ziegelbreite“ zum Teil nur indirekt: Da geht es unter anderem um die Sorge vor zunehmendem Verkehr an der Weilheimer Straße und am Kirchplatz, um Schulwegsicherheit und um die infrastrukturelle Entwicklung Pollings. Zentral sind zudem hydrologische Fragen. Das Wohnquartier rund um die Ziegelbreite liegt in einem hochwassergefährdeten Gebiet mit hohen Grundwasserpegeln.
„Keiner von uns ist gegen das Hospiz. Aber wir versuchen, unsere Häuser zu retten. Wir wollen, dass an der Ziegelbreite vernünftig gebaut wird“, erklärte eine Anliegerin, die ihren Namen wegen Anfeindungen nicht in der Zeitung lesen möchte. Kritisiert wird die Bebauungsdichte. Die Baukörper seien zu massiv, sie würden nicht ins Ortsbild passen und „Zustände wie in Germering“ zur Folge haben. Das Ulrichswerk sei letztlich auf Gewinnmaximierung aus.
„Unsere Finanzierung sieht keine Rendite vor. Uns geht es um die Sache, um die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum“, entgegnete Rudolf Mitterhuber, der ehemalige Ulrichswerk-Geschäftsführer, dem Vorwurf der Profitmacherei – ebenso wie Jakob Schätz: Die Zeiten seien vorbei, in denen mit Wohnungsbau richtig Geld verdient werden könne. Die Siedlungsentwicklung lasse Polling gemessen an der von der Kommunalpolitik festgesetzten Wunschwachstumsrate auch mit der Ziegelbreite noch einen Puffer für andere Wohnbauprojekte. Zudem bekomme die Kommune vom Vorhabensträger eine Infrastrukturabgabe: „Was die Gemeinde damit macht, liegt nicht in unserem Einflussbereich“, so Schätz.
Umplanungen wegen Hochwasserschutz
Bezüglich des Hochwasserschutzes, so betonte Mitterhuber, seien viele Anpassungen in den Planungen vorgenommen worden. Das Oberflächenwasser werde nicht in den Kanal fließen, sondern komplett auf der Neubaufläche über Rigolen versickern oder im geplanten Regenrückhaltebecken gespeichert. Für die umliegende Bebauung würden sich in Bezug auf den Grundwasserpegel und Hochwasserschutz keine Verschlechterungen ergeben. Insgesamt werden nur 27 Prozent der Gesamtfläche des Ziegelbreiten-Grundstücks versiegelt.
In der Diskussion gab es auch positive Stimmen zu den Wohnbauplänen: „Wir sollten dankbar sein. Die Planung ist optimal“, erklärte Ex-Gemeinderat Martin Albrecht: „Polling gewinnt damit wahnsinnig an Wert. Wer das nicht erkennt, dem ist nicht mehr zu helfen.“ Auch Alfred Erhard, ebenfalls Ex-Gemeinderat, meldete sich zu Wort: „Da sind heute viele ,Zuagroaste` anwesend. Das soll nicht abwertend klingen. Aber die haben auch einmal gebaut und Baugruben aufgemacht. Nur da war es wurscht, ob das Grundwasser vom Nachbarn rüberkommt.“
Eine Besucherin meinte, die Angst vor „Zuagroasten“ sei unbegründet, da bei der Wohnungsvergabe vor allem Pollinger zum Zuge kommen sollen: „Wo sollen unsere junge Pollinger denn sonst hin?“ Jakob Schätz wiederum erinnerte die Gemeinde an ihre Planungshoheit im Bauleitverfahren: „Wir richten uns nach dem, was die Kommune vorgibt.“
Bürgermeister Martin Pape verfolgte die Bürger-Info überwiegend als Zuhörender. Das sei mit dem Hospizverein im Vorfeld so abgesprochen gewesen, erklärte Pape auf Nachfrage der Heimatzeitung. Der Hospizverein dementiert diese Darstellung. Dass Pape keine Stellung bezogen hat, ist dem Vernehmen nach im Verein nicht gut angekommen.