Bayern, Sachsen, Thüringen - Der zähe Wettlauf der Wärmewende: Warum drei Bundesländer hinterherhinken
Seit einem Jahr ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG) in Kraft - und damit auch die Fristen für die kommunale Wärmeplanung: Große Kommunen haben bis 2026 Zeit, ihre Wärmeplanung zu erstellen, kleinere Kommunen sogar bis 2028. In einigen Bundesländern sei man damit schon recht erfolgreich, teilte das Kompetenzzentrum Wärmewende am Dienstag mit; rund ein Drittel aller Kommunen habe bereits damit begonnen.
Als besonders vorbildlich gilt Baden-Württemberg, wo bereits 13 Prozent der Kommunen ihre Planungen abgeschlossen haben. Doch längst nicht alle sind so weit: In Thüringen, Sachsen und Bayern haben erst weniger als ein Fünftel aller Kommunen überhaupt mit der Wärmeplanung begonnen. Für den schleppenden Start der Wärmeplanung gibt es mehrere Gründe.
Kommunen und Wärmeplanung: Schlüssel für klimaneutrales Heizen?
Zur Erinnerung: Der Begriff “kommunale Wärmeplanung” bezeichnet ein zentrales Element der deutschen Klimapolitik: Sie verpflichtet Kommunen, Wärmepläne zu erstellen, die festlegen, welche Technologien und Energieträger für die jeweilige Region geeignet sind.
Denn: Im Jahr 2022 stammten fast 40 Prozent unserer Emissionen aus der Strom- und Wärmeerzeugung. Um unsere Klimaziele zu erreichen, muss daher auch der Wärmesektor dekarbonisiert werden. Damit diese Mammutaufgabe gelingt, müssen die Länder Pläne erstellen, um Investitions- und Planungssicherheit für Hauseigentümer, Unternehmen und Kommunen zu schaffen.
Das ist auch deshalb notwendig, weil das GEG für neu eingebaute Heizungen einen Anteil von 65 Prozent Erneuerbare Energien vorsieht. Für den Gebäudebestand gelten Übergangsfristen, die sich an den Fristen der kommunalen Wärmeplanung orientieren. Die Wärmeplanung soll vor allem den Hauseigentümern Klarheit verschaffen, ob sie an ein Nah- oder Fernwärmenetz angeschlossen werden oder sich selbst um eine Wärmequelle wie eine Wärmepumpe kümmern müssen.
Schlusslichter: Bayern, Sachsen und Thüringen
Die klaffende Lücke zwischen einigen Bundesländern lässt sich zum Teil darauf zurückführen, dass einige Länder einfach früher dran waren: Baden-Württemberg ist hier Vorreiter, weil die Landesregierung schon lange vor dem GEG und dem Wärmegesetz ein eigenes Landesgesetz mit entsprechender Verpflichtung erlassen hat, wie Oliver Rottmann erklärt. Er ist Vorstandsmitglied des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge (KOWID) an der Universität Leipzig und sagt gegenüber FOCUS online Earth: “Daher ist es nicht verwunderlich, dass in Baden-Württemberg schon viel passiert ist. In Bayern, Sachsen und Thüringen ist die Wärmeplanung laut Landesgesetz nicht verpflichtend.” Für den Diplom-Volkswirt ein klares Indiz dafür, dass die Initiativen der Bundesländer die Projekte vorantreiben.
Kommunen geraten bei Wärmeplanung ins Straucheln
Rottmann und seine KollegInnen vom KOWID haben eine eigene Studie betreut, in der Kommunen und Energieversorger zur kommunalen Wärmeplanung befragt wurden. Vor allem größere Kommunen - also solche mit mehr als 500.000 Einwohnern - sind zuversichtlich, die Fristen bis 2026 einzuhalten. Dazu gehört zum Beispiel München, wo der Stadtrat laut BR24 neben dem Wärmeplan auch bereits die Lage der künftigen Fernwärmenetze festgelegt hat.
Im Gegensatz dazu stehen besonders kleine Kommunen mit weniger als 5000 Einwohnern: Hier sind die Zweifel, die Planungen rechtzeitig abzuschließen, besonders groß. Betroffen sind vor allem Kommunen im ländlichen Raum: Je kleiner die Stadt oder das Dorf, desto höher die Kosten. Im Gegensatz zu Großstädten kann in Kleinstädten und Dörfern oft nicht auf mehr Personal, Geld oder vorhandene Infrastruktur zurückgegriffen werden.
Gerade der Personalmangel wird von 75 Prozent der Kommunen als größtes Hindernis gesehen, die Wärmeplanung fristgerecht abzuschließen. Zuständig sind oft die Tiefbauämter, da sie für die Genehmigung von Baumaßnahmen zur Verlegung von Leitungen zuständig sind. Allerdings: “Die sind oft recht dünn besetzt, vor allem natürlich in kleineren Kommunen”, erklärt Rottmann. Das heißt: Wenn mehrere Planungsverfahren über einen Sachbearbeiter laufen, ziehen sich alle Prozesse in die Länge.
Millionen Fördergelder für Milliardenkosten
Zudem müssen die Kommunen den notwendigen Ausbau der Infrastruktur finanzieren. Dabei geht es nicht nur um den Bau neuer Wärmenetze, zum Beispiel für Fernwärme, sondern auch um die Aufrüstung bestehender Gasnetze für Wasserstoff - also um sehr teure und aufwändige Verfahren.
Der Deutsche Städtetag rechnet allein für die Planungen mit Kosten von zwei Milliarden Euro für alle deutschen Kommunen. Die bauliche Umsetzung ist da noch gar nicht eingerechnet.
Der Kreis schließt sich, wie Rottmann beschreibt, mit dem bürokratischen Aufwand: Planen und Bauen sind bekanntlich ohnehin ein bürokratischer Alptraum, hinzu kommen die Fördermittel, die fast alle Kommunen beantragen müssen - was wiederum Personal erfordert.
Wärmeplanung ist nicht verpflichtend
Um das Chaos perfekt zu machen, ist das Wärmeplanungsgesetz (WPG) ein Bundesgesetz und steht damit über dem Landesrecht - doch die Länder haben ihre Wärmeplanung gegenüber den Kommunen nicht verbindlich gemacht. Kein Wunder, dass sich die Kommunen unter diesen widrigen Umständen mit der Planung schwer tun.
Ein Beispiel, wie die Umsetzung gut funktionieren kann, ist die oberbayerische Stadt Bad Tölz südlich von München. Dort wurde kürzlich eine neue Fernwärmeleitung verlegt - für die Bauarbeiten musste sogar die Isar ausgebaggert werden. Dass dieses Großprojekt überhaupt gelingen konnte, ist der frühzeitigen Planung zu verdanken, die bereits 2016 begann.
Eine Sprecherin der Stadt zeigt sich verständnisvoll gegenüber den Hürden, die die Kommunen zu bewältigen haben. “Gerade die Kurzfristigkeit ist dabei immer wieder ein Thema. In Bayern werden die gesetzlichen Bestimmungen zur Umsetzung erst im Laufe des Jahres veröffentlicht. Dieses Umsetzungsgesetz wird es den Kommunen zwar erleichtern, die rechtlichen Vorgaben zu erfüllen, die Wärmeplanung selbst wird damit jedoch nicht geregelt”, schreibt ein Sprecher der Stadt auf Nachfrage.
Sei es nun aufgrund bürokratischer Hürden, fehlendem Personal oder leeren Kassen in den Kommunen-Kassen: Der Wettlauf der Wärmewende stockt, und zwar in ganz Deutschland. Betroffen sind viele Bundesländer, aber besonders Bayern, Sachsen und Thüringen haben die Planungen zu lange ruhen lassen und hinken nun hinterher. Viel Zeit bleibt ihnen nicht mehr - bis spätestens 2028 müssen die Pläne stehen.