"Unglaubliches Projekt" - Solarstrom aus dem Weltall? Forscher plaudert irren Chinesen-Plan aus

Peking. In einem Forschungszentrum der Chinesischen Akademie der Wissenschaften enthüllt der hochrangige Raumfahrtingenieur Long Lehao am Rande eines Vortrags einen Plan, der es in sich hat. China ist auf der Suche nach unendlicher Sonnenenergie - und will Solarkraftwerke im All bauen. Ein Plan, der in der Energiebranche das "Manhattan Projekt" genannt wird.

Hinter dem laut Lehao "unglaublichen Projekt" steckt ein ehrgeiziger Plan: Mit Schwerlastraketen will China Solarkraftwerke ins All schießen, die dort rund um die Uhr, unabhängig von Tag, Nacht und Wetter, Energie erzeugen und auf die Erde übertragen sollen. 

Das Projekt trägt den Namen "Ein weiteres Drei-Schluchten-Staudammprojekt über der Erde", angelehnt an die Drei-Schluchten-Talsperre im Jangtsekiang in China, das größte Wasserkraftwerk der Welt. 

Solarstrom aus dem Weltall? Forscher plaudert irren Chinesen-Plan aus

„Wir arbeiten jetzt an diesem Projekt. Es ist so bedeutsam wie die Verlegung des Drei-Schluchten-Damms in eine geostationäre Umlaufbahn 36.000 km über der Erde. Dies ist ein unglaubliches Projekt, auf das wir uns freuen können“, sagte Long Lehao der South China Morning Post.

Entlang dieser Umlaufbahn will China eine ein Kilometer breite Solaranlage errichten. Sie soll in einem Jahr so viel Energie liefern wie die gesamte Ölproduktion der Erde. Damit der Plan in die Tat umgesetzt wird, müssen noch technologische Fortschritte bei den weltraumtauglichen Solarkraftwerken, den Bodenstationen sowie an den Schwerlastraketen erzielt werden, die die notwendigen Materialien für das Solarkraftwerk ins All transportieren. Die Trägerrakete für das Projekt soll die Schwerlastrakete Langer Marsch-9 (CZ-9) sein, die Long Lehao mit seinem Team entwickelt hat. 

Nicht nur die Chinesen forschen an Solaranlagen im All. Weltweit liefern sich Wissenschaftler derzeit einen Wettlauf um die Nutzung der Sonnenenergie im All. Neben China verfolgen auch die Europäische Weltraumorganisation ESA, die USA und Großbritannien ehrgeizige Solarprojekte im All. Darunter auch das US-Start-up Virtus Solaris.

"Wir wollen unsere Solarzellen in den Weltraum schicken, weil dort die Sonne rund um die Uhr scheint", sagt Virtus-Chef John Bucknell gegenüber FOCUS online Earth. "Außerdem ist die Sonneneinstrahlung oberhalb der Erdatmosphäre um 40 Prozent intensiver. Unser Solarkraftwerk im All kann bis zu fünf- bis zwanzigmal mehr Sonnenenergie erzeugen als vergleichbare Anlagen auf der Erde.“ Langfristig seien Solarfarmen, die die Energie per Mikrowellen zur Bodenstation auf der Erde schicken, günstiger. Aber nur, wenn auch die Raumfahrt kommerziell und kostengünstig wird. 

Der große Wettlauf um Solarstrom aus dem All

Die EU verfolgt ein ähnliches Projekt wie das amerikanische Start-up Virtus Solaris. Mit dem Projekt „Solaris“ setzt die EU langfristig auf Solarenergie im Weltraum. Studien zeigen, dass dieses Vorhaben zwar teuer, aber machbar ist. Zudem könnte die All-Solarenergie fossile Energieträger und teilweise auch Atomenergie aus dem europäischen Energiemix verdrängen. Den Kosten von über 400 Milliarden Euro stünden Einnahmen von rund 600 Milliarden Euro gegenüber. Die Entscheidung, ob die EU voll in die Solarenergie einsteigt, wird allerdings erst Ende 2025 fallen.

Der Wettlauf um die unendliche Sonnenenergie aus dem All hat längst begonnen. Und angesichts der Ambitionen, der Wirtschaftskraft und der Dominanz Chinas im Energiebereich und bei Zukunftstechnologien ist es womöglich nur noch eine Frage der Zeit.