Hunderttausenden wird Strom und Gas abgedreht: Viele Verbraucher können sich Energie nicht leisten

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Eine Rekordzahl an deutschen Verbrauchern will hohe Energiepreise nicht mehr hinnehmen – und wechselt den Tarif. Doch es gibt auch mehr, die gar nicht zahlen können.

Berlin – In Deutschland bleibt das Thema Energiepreise eines, das die Menschen umtreibt. Strom, Gas, Benzin – alles bleibt teuer, obwohl die Energiekrise vorbei ist und die Preise sich stabilisiert haben müssten. Dass das offenkundig nicht immer der Fall ist, zeigen neue Zahlen der Bundesnetzagentur: 2024 hat eine Rekordzahl an Menschen den Tarif gewechselt auf der Suche nach günstigeren Konditionen. Doch auch die Zahl der Versorgungsunterbrechungen aufgrund von Zahlungsverzug ist deutlich gestiegen.

Deutsche Verbraucher zahlen zu viel für Strom und Gas – Rekordzahl an Tarifwechseln

Noch nie sind so viele Verbraucherinnen und Verbraucher bei ihrem Strom- oder Gasvertrag neue Wege gegangen wie im vergangenen Jahr. Wie die Bundesnetzagentur auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, wechselten 7,1 Millionen Stromkunden ihren Vertrag und damit 18 Prozent mehr als 2023. Im Gasbereich lag das Plus bei 22 Prozent auf 2,2 Millionen Kunden. Beides sind nach Angaben der Bundesnetzagentur Höchststände. 

„Die hohe Zahl an Lieferantenwechseln im Jahr 2024 zeigt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nach besseren Konditionen suchen“, sagte Behördenchef Klaus Müller. „Das ist ein gutes Zeichen für Wettbewerb und Energiewende.“ Wer die Grundversorgung beim örtlichen Stadtwerk verlasse, könne pro Jahr mehrere hundert Euro sparen. „Allein 2024 konnten deutsche Haushalte durch Vertrags- und Lieferantenwechsel rund 2,2 Milliarden Euro an Energiekosten einsparen.“ 

Mit der Grundversorgung ist die Standardbelieferung mit Strom und Gas gemeint, die ein Haushalt automatisch bekommt, wenn er nicht selbst einen separaten Liefervertrag abschließt. Die Grundversorgung ist in der Regel teurer als andere Verträge. Beim Strom waren im vergangenen Jahr 23 Prozent der Haushalte in der Grundversorgung und damit zwei Prozentpunkte weniger als 2023. Im Gasbereich sank dieser Wert von 19 auf 16 Prozent. 

Spar-Preise bei Strom und Gas möglich: Viele Grundversorger ächzen noch unter Energiekrise

Lundquist Neubauer vom Vergleichsportal Verivox erklärte die Entwicklung mit großen Preisdifferenzen zwischen teuren Bestands- und Grundversorgungstarifen und günstigen Neukundenangeboten. „Noch nie seit unserer 2004 begonnenen Datenerhebung war das Ersparnispotenzial eines Energieanbieterwechsels im Jahresschnitt so groß wie im Jahr 2024.“

Das liege an Spätfolgen der Energiekrise 2022, wodurch viele Grundversorger hohe Einkaufspreise noch im vergangenen Jahr an ihre Kunden hatten weiterreichen müssen, so Neubauer. Eine Kilowattstunde Strom habe 2024 in der Grundversorgung im Schnitt 44,2 Cent gekostet, während es in Neukundentarifen im Schnitt nur 24,6 Cent gewesen seien.

Hunderttausende von Strom- oder Gassperre betroffen: Energieanbieter greifen zu drastischen Mitteln

Das Zahlenwerk der Bundesnetzagentur ging auch auf andere Bereiche der Energienutzung ein. So stieg die Zahl der Stromsperrungen 2024 um rund 20 Prozent auf 245.000 Fälle an; im Gasbereich ging es ebenfalls um ein Fünftel nach oben, und zwar auf 33.700 Fälle. 

Die Bundesnetzagentur führte diese Entwicklung auf gestiegene Energiepreise zurück und vermutete zudem, dass es Nachholeffekte gegeben hat: Manch Anbieter, der zuvor auf Sperrungen verzichtet hatte, setzte nun doch auf dieses drastische Mittel. Die Anzahl der Sperrungen sind zwar hoch, allerdings waren es im vergangenen Jahrzehnt deutlich mehr – 2014 hatte es in Deutschland 352.000 Stromsperrungen gegeben und 46.000 Gassperrungen.

Stromkosten
Stromkosten zahlt jeder Haushalt - aber nicht jeder achtet darauf, einen möglichst guten Tarif zu haben. © picture alliance / ZB

Verena Bentele vom Sozialverband VdK äußerte sich sorgenvoll über den jüngsten Anstieg. „Immer mehr Haushalte können sich kaum noch ein warmes Zuhause oder grundlegende Versorgung leisten“, sagte die Verbandspräsidentin. Diese Entwicklung zeige, wie Armut wachse und immer mehr Menschen sozial abgehängt werden. 

„Deshalb braucht es politische Maßnahmen, die wirkungsvoll vor Energiearmut schützen und dafür sorgen, dass niemand in Deutschland ohne gesicherte Strom- und Gasversorgung leben muss.“ Für viele Menschen wäre die Senkung der Stromsteuer und eine angemessene Berücksichtigung der Wohnnebenkosten in den Sozialleistungen ein wirksamer Schutz, sagte Bentele. (wal/dpa)

Auch interessant

Kommentare