Baerbock reist nach Israel: Botschafter kritisiert Netanjahu-Regierung
Außenministerin Baerbock reist am Donnerstag nach Israel. Vor ihrem Besuch übt der deutsche Botschafter Kritik an der Netanjahu-Regierung.
Tel Aviv – Am Donnerstagabend (5. September) wird Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf ihrer Nahostreise in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten erwartet. Die Außenministerin will sich in Gesprächen am Freitag für einen Waffenstillstand einsetzten. Ihr Botschafter in Tel Aviv, Steffen Seibert, ließ im Gespräch mit dem Portal table.media eine gewisse Frustration mit der politischen Lage in Israel und der Politik von Premierminister Benjamin Netanjahu durchklingen.
Militäroffensive im Westjordanland, Demonstrationen in Israel – Heikler Zeitpunkt für Baerbock-Besuch
Baerbock besucht ein angespanntes Land: In Israel demonstrierten, nachdem sechs israelische Geiseln in den Händen der Hamas ermordet wurden, Zehntausende für ein Waffenstillstandsabkommen und gegen die Gaza-Politik von Premierminister Benjamin Netanjahu. Seit Ende August greift Israels Militär in einer als Antiterroreinsatz bezeichneten Operation viele Ziele im Westjordanland an. Es sei der größte Militäreinsatz seit 20 Jahren im Westjordanland, berichtete die Tagesschau. Die taz schrieb von Fluchtbewegungen aus Flüchtlingslagern im Westjordanland, die als Hochburgen des islamistischen Terrorismus gelten.

Insgesamt kamen bei der Militäroffensive im Westjordanland nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Ramallah bislang 39 Palästinenser ums Leben. Der Krieg in Gaza geht mit unverminderter Härte weiter und die Hamas hält weiterhin Dutzende israelische Zivilisten als Geisel.
„Großes Rumoren“ in Israels Gesellschaft – Gewerkschaft reagierte mit Streiks auf ermordete Geiseln
Seibert nehme in der israelischen Gesellschaft ein „großes Rumoren“ war. „Viele Israelis spüren, dass in Gaza jetzt der Krieg zu einem Ende kommen muss“, beschrieb Seibert seine Eindrücke aus Israel. Proteste gegen Netanjahus Kriegspolitik gibt es seit Monaten, doch nach der Ermordung der sechs Geiseln, rief der Gewerkschaftsbund Histadrut zu einem Generalstreik auf, der kurz darauf gerichtlich beendet wurde. Mindestens zwei der Ermordeten waren, so berichteten es israelische Medien, für einen Austausch gegen palästinensische Gefangene vorgesehen.
Es wachse die Einsicht, so Seibert, dass mehr militärischer Druck „eine Gefährdung der Geiseln“ darstelle. Dieser Ansicht neige auch er zu. Viel klarer kann sich ein Diplomat in einer Krisenregion kaum ausdrücken. Gleichzeitig dürfe man das tiefsitzende Trauma, das die Massaker der Hamas vom 7. Oktober und das Leid der vor beinahe einem Jahr genommen Geiseln bei den Israelis verursachen, nicht unterschätzen.
Geiseldeal stockt: Netanjahu und Israels Geheimdienstchef uneins über Truppenabzug
Die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas über einen Waffenstillstand und den Austausch von Geiseln gegen palästinensische Gefangene stockten zuletzt an zwei Punkten. Wie nicht näher genannte US-Beamte dem US-Portal Axios am Donnerstag sagten, seien die Fragen, ob Israels Militär sich von der Grenze zwischen Gaza und Ägypten zurückziehe und welche palästinensischen Gefangenen freigelassen würden, weiterhin unbeantwortet. Laut einem Bericht der Times of Israel soll Geheimdienstchef David Barnea einem teilweisen Abzug Israels bereits zugestimmt haben. Netanjahu hingegen verlangte am Wochenende den Verbleib von Israels Truppen.
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Israel-Botschafter Seibert: Deutschland stellt keine „Blankoschecks“ aus
Botschafter Seibert kritisierte die politische Perspektivlosigkeit, in die Netanjahu Israel manövriert habe. Deutschland stehe an der Seite Israels, ohne dabei „Blankoschecks“ auszustellen. Deshalb werde, glaubt Seibert, Kritik aus Deutschland in Israel auch ernst genommen. Seibert bezog sich dabei auf die humanitäre Lage der Zivilbevölkerung in Gaza, die Gewalt extremistischer israelischer Siedler im Westjordanland und das „Nichtvorhandensein irgendeiner politischen Initiative zur Lösung des Konflikts mit den Palästinensern“.
Baerbock am Freitag zu Gesprächen mit Gallant und Katz in Israel
Die neuerliche israelische Militäroffensive war in dem Interview mit Seibert kein Thema. In einer Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes ließ sich Baerbock damit zitieren, dass es „weder für Gaza noch für die Lage im Westjordanland eine militärische Lösung“ gebe. Am Freitag seien Gespräche mit Baerbocks Amtskollegen Israel Katz und Verteidigungsminister Joaw Gallant geplant, teilte das Ministerium mit. Am Donnerstag reiste Baerbock zu Gesprächen nach Jordanien und Saudi-Arabien. Themen waren die Koordination der humanitären Hilfe im Gazastreifen, sowie die fortgesetzten Angriffe der islamistischen Huthi-Miliz auf die Internationale Schifffahrt. In Ramallah trifft sie den Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde Mohammad Mustafa. (kb mit dpa)