Verluste an Kursk-Front: Putin verheizt Nordkorea-Soldaten bei Kursk „Wie im Zweiten Weltkrieg“

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Verluste an Kursk-Front: Putin verheizt Nordkorea-Soldaten – „Wie im Zweiten Weltkrieg“

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Ohne Wasser ins Gefecht: Gefallene nordkoreanische Soldaten geben den ukrainischen Ermittlern Aufschlüsse über den Hintergrund ihres Einsatzes – und lassen Vermutungen zu, was die Ukrainer von ihren Gegnern noch zu befürchten haben (Archivfoto). © STR / KCNA VIA KNS / AFP

Durchtrainiert, aber ahnungslos: Ukraine-Ermittler durchsuchen gefallene Nordkoreaner auf Hinweise, was als Nächstes kommen könnte – die zweite Welle?

Kursk – „Sie waren alle glattrasiert und perfekt gepflegt, wie Models“, sagt „Puls“ gegenüber Sky News. Der Interview-Partner des britischen Nachrichtensenders ist Kommandeur des 1. Kampftaucherbataillons der Spezialeinsatzkräfte der Ukraine und im Ukraine-Krieg offenbar verwickelt in die Kämpfe um Kursk – da hat sich die Invasionsarmee von Wladimir Putin mit mehr als 10.000 nordkoreanischen Soldaten verstärkt; und trotzdem keine nennenswerten Erfolge erzielt. Dennoch wollen Sky und andere Medien Erstaunliches zutage gefördert haben – aus Interviews mit ukrainischen Soldaten.

In keinem Konflikt seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 sind Europäer und Asiaten in so großen Zahlen und so direkt aufeinander getroffen; die seit den 1950er-Jahren latent bestehende Bedrohung ist manifest geworden: Die ukrainischen Soldaten haben als erste westliche den asiatischen direkt ins Auge blicken können – Stoff gleichermaßen für Entmystifizierung und Glorifizierung, wie Sky verdeutlicht. Oder schlichtweg für schiere „Räuberpistolen“. Die Einheit von „Puls“ soll genetische Fingerabdrücke von gefallenen Nordkoreanern sammeln, um Beweise deren Einsatzes zu archivieren.

Putins Söldner: „Jeder einzelne – keine Bärte, ungepflegte Haare, keine Glatze“

„Jeder einzelne – keine Bärte, ungepflegte Haare, keine Glatze … auch ihr Alter war schwer zu bestimmen. Sie sahen alle aus wie 25 bis 35, vielleicht sogar bis 40“, zitiert Sky den Kommandanten „Puls“. Bereits in den vergangenen Wochen hatten Gerüchte kreuz und quer kursiert. Aus den auf Infiltration spezialisierten, bis in die Zehenspitzen trainierten Spezialisten wurden zwischenzeitlich hungernde Zwangsrekrutierte, die die erstbeste Gelegenheit zur Flucht in den Westen nutzen würden, indem sie sich schnellstmöglich gefangen nehmen ließen.

„Sie verlassen sich auf die Annahme, dass sie durchstürmen, Stellungen beziehen und dann von unseren Vorräten fressen und überleben können.“

Sky gießt jetzt neues Öl ins Feuer. „Puls“ und seine Kameraden, die weitgehend namenlos bleiben, hätten demnach den Eindruck gewonnen, die Nordkoreaner griffen an „wie im Zweiten Weltkrieg“, wie Sky schreibt; was wohl meint, sie seien blindwütig auf die Geschützrohre und die Drohnen der Ukraine zugelaufen. Offenbar erinnerte das an permanente Stoßtrupp-Angriffe aus feuernden und bewegenden Gruppen, wobei die Nordkoreaner die Stärke und Bewaffnung ihrer Gegner unterschätzt haben könnten. Die 20, 40 und bis zu 60 Mann starken Gruppen sollen dabei leichte Ziele abgegeben haben, berichtet Sky aufgrund von vermeintlichen Augenzeugenberichten.

Der Hinweis auf den Zweiten Weltkrieg mag anspielen auf die deutsche „Blitzkrieg“-Technik: der Versuch, die Verteidigung auf schmaler Front zu knacken, mit gemeinsamen Kräften aus Panzern, motorisierter Infanterie und massierter Artillerie. Nur, dass die Deutschen diese Taktik vor allem eingangs des Krieges einsetzten, als noch von Mensch und Material genug vorhanden war. Die Nordkoreaner waren zuletzt auf ihre eigenen Kräfte angewiesen.

Kims grausamer Befehl? Nordkoreaner sollen sich geweigert haben, lebend gefangen genommen zu werden

Allerdings sollen die Soldaten Nordkoreas extrem gedrillt worden sein, wie Sky glauben machen will. Die Verbissenheit, mit der die Nordkoreaner in die Offensive gegangen sind, betitelt der Sender mit „Gehirnwäsche“ – den zähen Angriff bei Feindbeschuss, obwohl links und rechts von jedem Soldaten Kameraden fallen; was allerdings zur russischen Doktrin passt, und weil die russische Panzer-Hoheit wohl vorbei zu sein scheint.

Wie der estnische Blogger „WarTranslated“ übersetzt hatte, hat ein russischer Militärblogger jüngst „die geringe Wirksamkeit russischer Panzerangriffe im Banzai-Stil“ („Banzai“ ist der japanische Schlachtruf für Sturmangriffe) kritisiert: Dass jede zerstörte russische Militärkolonne beziehungsweise jedes Video davon den Ukrainern moralisches Oberwasser beschere. Wie „WarTranslated“ publiziert, räume der russische Blogger ein, „dass die ,zweitstärkste Armee der Welt‘ abgesehen von Infanterieangriffen, die sich wie ein Fleischwolf Haus für Haus durchkämpfen, im Wesentlichen über keine andere wirksame Taktik verfügt“, wie das Magazin Forbes berichtet hatte.

Diesen „Banzai-Stil“ sollen auch die nordkoreanischen Infanteristen verfolgt haben – schlimmer noch: Sie hätten sich geweigert, lebend gefangen genommen zu werden, berichtet Sky – aufgrund von Gerüchten: „Es wird behauptet, Nordkoreaner hätten sich lieber mit Granaten in die Luft gesprengt, als eine Gefangennahme zu riskieren. ,Puls‘ behauptete sogar, man habe einen Nordkoreaner ,Für General Kim Jong-un‘ rufen hören, bevor er sich umbrachte“, berichtet Sky.

Ukraine-Krieg eskaliert: „Eine zweite Welle nordkoreanischer Infanterie ist unvermeidlich“

„Eine zweite Welle nordkoreanischer Infanterie ist unvermeidlich und wird eintreffen, bevor die verbleibenden 12.000 Soldaten ausgelöscht sind“, sagt Oleksandr Kovalenko. Den Politikwissenschaftler des Netzwerks Information Resistance Group zitiert jetzt das Magazin Defense Express. Unter der Prämisse, dass nordkoreanische Engagement einen Testlauf für Kim Jong-uns Ambitionen gegenüber Südkorea darstellt, könnte Nordkorea Wladimir Putins Invasionstruppen tatsächlich umfangreicher unterstützen. Sky zufolge rechnet „Puls“ auch damit, dass die Nordkoreaner sich umgruppieren und neu auf ihre Gegner einstellen würden.

Selbst in Kursk seien die Nordkoreaner lediglich Gerüchte, hatte Ende Dezember der britische Guardian berichtet: „Interviews mit einem halben Dutzend Einwohnern der Region Kursk, die allesamt keinerlei Spur von nordkoreanischen Soldaten meldeten, legen den Schluss nahe, dass Moskau die Bewegungsfreiheit dieser ausländischen Truppen stark einschränkt und sie in abgelegenen Kasernen weit entfernt von zivilen Gebieten unterbringt“, schreibt Guardian-Autor Pjotr ​​Sauer. Aus den von gefallenen Koreanern entnommenen persönlichen Papieren soll hervorgehen, dass sie ihre Existenz in Russland lediglich in ihren Tagebüchern festhielten.

Allerdings gehen die ukrainischen Ermittler davon aus, dass gerade diese Aufzeichnungen dazu führen werden, Nordkoreas Armee kriegstüchtiger zu machen; möglicherweise sogar schon für den Einsatz eines zweiten Kontingents an Soldaten. Anfang November hatte Justin McCurry noch geschrieben, die Nordkoreaner rückten „unerfahren, schlecht ausgebildet und unterernährt“ an die Front. Das habe sich lediglich teilweise bewahrheitet. Die ukrainischen Soldaten hätten ihre nordkoreanischen Gegner als disziplinierter erlebt als die Russen. Offenbar habe das am strengen Drill in Nordkorea gelegen – offenbar hatte ihnen das aber auch gegen die kriegserfahrenen Veteranen der Ukraine keine Vorteile verschafft.

Kriegstüchtig: Nordkoreaner „verlassen sich auf die Annahme, dass sie durchstürmen und überleben können“

Wie der Guardian noch im Dezember angedeutet hatte, verschweige Nordkorea das Schicksal seiner abkommandierten Soldaten – wenn im Land überhaupt bekannt ist, dass eigene Soldaten für Russland in Russland kämpfen. Staatliche Medien hätten im November behauptet, „dass sich innerhalb einer Woche 1,4 Millionen Menschen um den Eintritt in die Armee beworben hätten oder in sie zurückkehren wollten“, wie Justin MacCurry schreibt – und gleichzeitig nahelegt, dass Kims Regime durchaus gefährdet sein könnte aufgrund von Hiobsbotschaften, die der nordkoreanischen Zensur durchrutschten – wofür wiederum Südkorea sorgen könnte.

Die ukrainischen Ermittler jedenfalls gingen eher davon aus, dass niemand der nordkoreanischen Militärführung damit rechnen würde, die Söldner wieder lebend in Pjöngjang empfangen zu können. Vielleicht würde das auch innerhalb des Landes Fragen aufwerfen und nahelegen, dass sich Kim auf einen nächsten Krieg vorbereitet. Der Sky-Bericht lässt vermuten, dass die Soldaten tatsächlich ins Ungewisse geschickt worden waren. Sicher, sie seien gut trainiert und auf Offensive konditioniert gewesen. Aber eben auch erbärmlich ausgerüstet, wie einer von „Puls“ Männern mit dem Namen „Trainer“ gegenüber Sky berichtet.

„Trainer“ sei „überrascht gewesen“, dass die Nordkoreaner offenbar lediglich mit Munition und Schokolade in den Kampf gejagt worden waren; selbst Wasser hätte ihnen gefehlt, was „Trainer“ zur Überzeugung geführt hat, die Nordkoreaner seien von vornherein für Himmelfahrtskommandos ausersehen worden: „Sie verlassen sich auf die Annahme, dass sie durchstürmen, Stellungen beziehen und dann von unseren Vorräten fressen und überleben können.“

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