Im Zollstreit vertraut Trump auf sein Bauchgefühl – mit fatalen Konsequenzen

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Donald Trump folgt vor allem seinem Bauchgefühl, auch im Zollstreit. Warum das gefährlich, aber nicht immer falsch ist, erklärt US-Experte Ansgar Graw.

Auf Berater und Experten hört Donald Trump nur ungern. Was für ihn zählt, ist sein Bauchgefühl. Der Publizist und USA-Experte Ansgar Graw findet: Seinen Instinkten zu folgen, ist an sich nicht falsch. Im Falle von Trumps Zollkrieg aber, so Graw in einem Gastkommentar für die Frankfurter Rundschau, hat das nun fatale Konsequenzen. Graw hat im Februar das Buch „Die Ära Trump: Chancen und Risiken für Amerika und die Welt“ (Langen Müller Verlag) vorgelegt.

Als Donald Trump am Mittwoch seine Entscheidung zu begründen versuchte, die exakt eine Woche zuvor verkündeten massiven Zollerhöhungen gegenüber den meisten Handelspartnern für 90 Tage auszusetzen, sagte der Präsident, er habe „mehr als alles andere instinktiv gehandelt“. Zuvor hatten die Märkte weltweit massive Ausschläge gezeigt und die Menschen hätten, so sagte es Trump, „ein bisschen aufgeregt reagiert, ein bisschen ängstlich“.

Viele Politiker rühmen sich ihrer Instinkte, und zweifellos bedürfen erfolgreiche Macher eines Bauchgefühls, um bei widersprüchlichen Empfehlungen von Experten richtig zu entscheiden. Auch George W. Bush sagte einmal: „Ich spiele nicht nach dem Lehrbuch. Ich spiele nach dem Bauchgefühl. Ich verlasse mich auf meine Instinkte.“ 

„Ich habe Instinkt“: Warum Trump seinem Bauchgefühl mehr traut als Fakten

Ähnlich beschrieb sich der italienische Unternehmer und vierfache Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Der frühere britische Premier Boris Johnson vertraute laut seinem Umfeld oft mehr seinem politischen Gespür als wissenschaftlichen Empfehlungen. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl verkündete in einer Bundestagsrede 1989 drei Wochen nach dem Fall der Mauer zur Überraschung des Auslands, aber auch seiner engen Umgebung, den 10-Punkte-Plan mit dem unerwarteten Ziel einer deutschen Wiedervereinigung.

Doch wohl kein Spitzenpolitiker beruft sich so oft auf sein Bauchgefühl wie Trump. „Ich habe Instinkt, und mein Instinkt sagt mir mehr, als mir irgendjemandes Hirn je sagen könnte“, versicherte der vormalige Immobilienentwickler bereits im November 2018 während seiner ersten Amtszeit der Washington Post. Zuvor, unmittelbar nach seinem Wahlsieg im November 2016 über Hillary Clinton, behauptete Trump, er habe die Demokratin, die bei den Einzelstimmen um knapp drei Millionen Stimmen vor ihm lag, auch bei dieser sogenannten „Popular Vote“ geschlagen, würde man ihr die „drei bis fünf Millionen Stimmen von illegalen Wählern“ abziehen. Vom Time-Magazin im März 2017 befragt, wo er diese gänzlich unbelegte Zahl hernehme, sagte Trump schlicht: „Nun, ich glaube, auch da werde ich recht behalten.“

Am 2. April verkündete Trump Strafzölle auf fast jedes Land der Welt.
Am 2. April verkündete Trump Strafzölle auf fast jedes Land der Welt. © IMAGO/Stringer

Trump ist erkennbar bereit, Eindrücken, Gefühlen und Überzeugungen auch dann zu folgen, wenn die Fakten eine andere Sprache sprechen. Er zieht sein Bauchgefühl nicht heran, um sich bei kritischen Abwägungen zwischen zwei nahezu gleichberechtigten Optionen zu entscheiden, sondern misst ihm von vorneherein mehr Autorität zu als konkreten Zahlen oder qualifizierten Empfehlungen von Fachleuten. Der Instinktmensch im Weißen Haus hat kaum Prinzipien, Überzeugungen oder intellektuelle Grundierung. Aber er hat ein feines Gespür für Stimmungen in der Bevölkerung und tektonische Machtverschiebungen in der Welt.

Womit Trump richtig lag – und warum er im Zollstreit nun Unrecht hat

Er lag 2016 richtig, dass die Frage der illegalen Zuwanderung das Potenzial hatte, ihn, den vollkommenen Außenseiter, durch das Versprechen, eine „Mauer zu bauen“, zu einem ernsthaften Bewerber für das Präsidentenamt zu machen. Und 2024 gewann er die Wahl nochmals mit seiner erneut instinktsicheren Thematisierung der Migration und dem Versprechen, kriminelle Zuwanderer rasch zu deportieren. Dafür bekam er beachtlichen Zuspruch auch von Minderheiten, die bislang als Bastionen der Demokraten gegolten hatten, von Latinos (bei hispanischen Männer lag er um zehn Punkte vor Kamala Harris, nachdem ihn Joe Biden 2020 hier noch um 23 Prozentpunkte deklassiert hatte) über Schwarze und Muslime (in Michigan) bis zu Asiaten.

In der gegenwärtigen Zollpolitik folgt Trump ausschließlich seinem Instinkt und schlägt anderslautende Erkenntnisse in den Wind. So haben fast alle renommierten Experten den Präsidenten davor gewarnt, nahezu die gesamte Welt mit oft drastischen Zusatzabgaben auf US-Exporte zu überziehen. Denn damit würden globale Handelsketten torpediert und Börsen zum Einsturz gebracht, wofür letztlich auch die Amerikaner einen hohen Preis zahlen müssten. Als die Nervosität längst die eigenen Wähler erreicht hatte, stellte sich ein hilflos wirkender Mike Johnson, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, vor die Mikrofone und sagte: „Ihr müsst auf die Instinkte des Präsidenten für die Wirtschaft vertrauen, okay?“

Trump ging mehrfach pleite – das spricht für ihn als Unternehmer

Trump selbst verweist in solchen Situationen gern auf seine Erfolge als „Dealmacher“ und Geschäftsmann. Doch seine geschäftliche Bilanz ist bei näherem Hinsehen nicht allzu beeindruckend: Hätte Donald Trump die 40 Millionen Dollar, die er laut Forbes von seinem Vater Fred bei seinem Antritt als Chef des Familienkonzerns 1974 mindestens übernahm, in den Aktienindex Standard & Poor’s 500 investiert, der die 500 größten börsennotierten US-Unternehmen bündelt, wäre sein Vermögen inzwischen auf mindestens 13 Milliarden Dollar gewachsen. Nicht einmal Trump selbst, der gern mit seinem Reichtum prahlt, hat je behauptet, ein solches Vermögen zu besitzen. Anfang April taxierte ihn Forbes auf 4,1 Milliarden Dollar.

Sechsmal ging Trump mit seinen diversen Firmen pleite. Das spricht nicht gegen einen Unternehmer, sondern für ihn, zeigt es doch, dass er immer wieder den Mut und die Energie hatte, neu anzufangen. Die freie Wirtschaft lebt von derartiger Kühnheit. Aber für die Volkswirtschaft gelten andere Regeln als für den eigenen Betrieb. Wenn man die Nation oder gar große Teile der Welt in Panik stürzt, sind die Verheerungen ungleich größer und ein massiver Vertrauensverlust verhindert den raschen, narbenlosen Neuanfang. 

Folgt Donald Trump, ein harter und selbstbewusster Verhandler, aber allenfalls mittelklassiger Geschäftsmann, weiterhin ausschließlich seinem Bauchgefühl, wird die Weltwirtschaft mit einem globalen Crash rechnen müssen, der dem „Schwarzen Donnerstag“ vom 24. Oktober 1929 oder der Weltfinanzkrise infolge der Implosion des US-Immobilienmarktes 2008 nicht unähnlich sein muss. 

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