Wegen kriegerischer Haltung Europas: Lawrow sieht die Weltuntergangsuhr auf „Mitternacht zusteuern“

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Der russische Außenminister findet, die Haltung der EU werde immer aggressiver. In seinen Augen verhindere nur Moskau eine nukleare Katastrophe.

Moskau – Es ist ein symbolisches Instrument, das anzeigt, wie nah die Menschheit vor einer globalen Katastrophe steht: Die „Doomsday Clock“, auch Weltuntergangsuhr genannt. Laut dem russischen Außenminister Sergej Lawrow steuert der Zeiger der Uhr „weiter auf Mitternacht“, berichtet die Nachrichtenagentur Tass. Mitternacht symbolisiert das Ende der Zivilisation.

„Die globale Sicherheit ist heute vielleicht das kritischste Thema – insbesondere, da die berüchtigte Weltuntergangsuhr weiter auf Mitternacht zusteuert“, sagte Lawrow in einer Ansprache vor Mitarbeitern, Lehrkräften und Studierenden des turkmenischen Außenministeriums und des Instituts für Internationale Beziehungen. „Es ist unerlässlich, ein solches Szenario zu verhindern, und wir setzen uns aktiv dafür ein, eine Katastrophe abzuwenden.“

Nicht Russland ist der Aggressor: Lawrow sieht Wiederaufleben kriegerischer Haltungen in ganz Europa

Und obwohl sich sein Land seit über drei Jahren im Krieg gegen die Ukraine befindet und dem „Westen“ ununterbrochen mit Vergeltungsmaßnahmen droht, versuche Russland in Lawrows Augen, die Zeiger zurückzudrehen und eine nukleare Katastrophe abzuwenden. Putins Außenminister zufolge sind Diskussionen über den möglichen Ausbruch eines Dritten Weltkriegs zu einer „beunruhigenden Routine“ geworden.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass in Europa die Stimmen nach strikteren Vergeltungsmaßnahmen gegen Russland lauter werden. „Es ist fast schon alltäglich geworden, über die Möglichkeit eines Dritten Weltkriegs zu sprechen“, sagte er. „Das ist besonders alarmierend angesichts des Wiederauflebens aggressiver, kriegerischer Haltungen in ganz Europa. Als ob zwei Weltkriege – und unzählige kleinere Konflikte über die Jahrhunderte – den heutigen EU-Staats- und Regierungschefs nicht genug wären“, zitiert in Tass. Damit könnte Lawrow auf die kürzlich von der Nato beschlossenen Aufrüstungspläne anspielen. Schließlich sind 22 der 32 Nato-Staaten auch EU-Mitglieder.

Und unter dem Eindruck von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und auf Drängen von US-Präsident Donald Trump hat sich das Bündnis verpflichtet, die Verteidigungsausgaben in beispielloser Weise anzuheben. Die Alliierten legten sich in der Abschlusserklärung ihres Gipfels in Den Haag am Mittwoch (26. Januar) auf das neue Ziel fest, spätestens ab 2035 jährlich fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung und Sicherheit zu investieren – so viel wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Bisher lag das Ziel bei zwei Prozent. 

Kritik an EU, aber nicht an Trump: Lawrow lobt neue US-Außenpolitik mit nationalen Interessen

Teil des Bündnisses sind aber auch die USA. Für die Lawrow, insbesondere für Trump lobende Worte fand: „Es gibt jedoch auch einige positive Trends“, bemerkte er. „Einer davon ist die Betonung von Realismus und gesundem Menschenverstand, die die Trump-Regierung zum Ausdruck bringt. Sie orientiert ihre Außenpolitik an den nationalen Interessen – sowohl der Vereinigten Staaten als auch anderer souveräner Staaten.“

Das sei ein wesentlicher Unterschied zur vorherigen US-Regierung unter Joe Biden, die vollständig von einer „neoliberalen, hegemonialen Agenda vereinnahmt wurde“, schloss der Minister. Das Lob fällt inmitten des Iran-Israel-Kriegs, in dem die USA mit der Bombardierung von Teherans Atomanlagen eingetreten sind.

Es gibt jedoch auch einige positive Trends. „Einer davon ist die Betonung von Realismus und gesundem Menschenverstand, die die Trump-Regierung zum Ausdruck bringt.

Vor wenigen Tagen nannte Lawrow die Angriffe Israels und der USA auf Atomanlagen im Iran noch einen Verstoß gegen die UN-Charta und andere Normen des Völkerrechts. Es gebe keine Belege, dass der Iran Israel angegriffen habe oder habe angreifen wollen. Russland habe dem Iran, den USA und Israel Vorschläge für eine Lösung des Konflikts vorgelegt, sagte er. Es habe zwar positive Reaktionen gegeben, „aber eine praktische Umsetzung ist nicht erfolgt“.

Nach Ausbruch des Iran-Israel-Konflikts: Ukraine-Krieg gerät auf Nato-Gipfel in den Hintergrund

Dass auch der Ukraine-Krieg die globale Sicherheit und die Weltwirtschaft bedrohe, darüber verlor Lawrow kein Wort. Fakt ist aber, dass durch den Ausbruch des Iran-Israel-Konflikts, der Krieg zwischen Moskau und Kiew ein wenig in den Hintergrund gerückt ist. Auch auf dem Nato-Gipfel kam der Krieg nur am Rande zur Sprache.

Zwar trafen sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Trump am Mittwoch am Rande des Nato-Gipfels in Den Haag, konkrete neue Maßnahmen oder Versprechen erhielt Selenskyj aber nicht. Das ukrainische Präsidialamt teilte mit, das Treffen mit Trump habe etwa 50 Minuten gedauert. Ein Präsidialamtsmitarbeiter sagte der Nachrichtenagentur AFP, Selenskyj sei „mit dem Gespräch zufrieden“ und dem US-Präsidenten „dankbar“. Nach Angaben aus Kiew sollte es bei der Unterredung auch um zusätzliche Sanktionen gegen Russland gehen.

Außenminister Sergej Lawrow
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sieht „die Weltuntergangsuhr weiter Richtung Mitternacht ticken“ (Archivbild) © Mauro Pimentel/AFP Pool/dpa

Dazu rief auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) Trump bei einem Treffen am Rande des Nato-Gipfels auf. „Es wird keine militärische Lösung dieses Konfliktes geben. Wir müssen den wirtschaftlichen Druck auf Moskau erhöhen“, sagte er zum Abschluss des Nato-Gipfels in Den Haag vor Journalisten. Der Kanzler sagte, ein entsprechendes Sanktionspaket werde im US-Senat möglicherweise in den nächsten Tagen zur Abstimmung stehen. Er habe Trump ermutigt, dieses Paket in Kraft zu setzen, „damit auch Amerika hier noch einmal einen höheren Druck ausübt auf Moskau, damit Moskau an den Verhandlungstisch zurückkehrt“.

89 Sekunden vor Mitternacht: Lawrows Prognose zur Weltuntergangsuhr ähnelt der von Atomphysikern

Ob und wann das passiert, ist aber bislang unklar. Derweil läuft der Ukraine-Krieg unvermindert weiter. Nach der russischen Offensive im Gebiet Sumy im Nordosten des Landes ist es dem ukrainischen Militär nach eigenen Angaben gelungen, die Offensive dort zwar zu stoppen, weitere Verhandlungen zum Ende des Krieges sind aber vorerst nicht geplant.

Mit dem Iran-Israel-Konflikt und dem andauernden Ukraine-Krieg könnte die Weltuntergangsuhr tatsächlich in den nächsten Monaten näher an Mitternacht heranrücken. Deswegen hat Lawrows mit seiner Aussage zumindest nicht ganz unrecht. Laut der offiziellen Webseite der „Doomsday Clock“ vom Science and Security Board ist es 89 Sekunden vor Mitternacht.

Zum Hintergrund: Das Projekt wurde 1945 von Albert Einstein, J. Robert Oppenheimer und Wissenschaftlern der University of Chicago gegründet, die im Rahmen des Manhattan-Projekts an der Entwicklung der ersten Atomwaffen beteiligt waren. Zwei Jahre später entwickelten sie die Weltuntergangsuhr. Diese wird jährlich vom Wissenschafts- und Sicherheitsrat eingestellt. (bg)

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