Reaktor aus der Mottenkiste - Jetzt wagt Biden ein Milliarden-Experiment, das in Deutschland nicht mehr geht

Nukleare US-Premiere

Dafür stellt die Regierung von US-Präsident Joe Biden große Summen bereit. Am Mittwoch gab das Energieministerium bekannt, das Projekt mit einer Bürgschaft über 1,5 Milliarden US-Dollar zu unterstützen. Bis mindestens 2051 soll das flottgemachte Kraftwerk dann betrieben werden.

„Die Kernenergie ist unsere größte Quelle von CO2-freier Energie und schafft 100.000 Jobs im ganzen Land“, sagte Energieministerin Jennifer Granholm in einer Mitteilung. Auch Gretchen Whitmer freut sich: Das Palisades-Kraftwerk werde das erste erfolgreich wiedereröffnete Kernkraftwerk der US-amerikanischen Geschichte sein, sagte die demokratische Gouverneurin von Michigan. Die Anlage könne Strom für 800.000 Haushalte erzeugen.

Verlängerung im Teufels-Canyon

Insgesamt 93 Reaktoren sind derzeit in den USA aktiv, damit stehen die Vereinigten Staaten weltweit mit Abstand auf Platz 1. Neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien sieht die Biden-Regierung die Kernkraft als wichtiges Puzzleteil zur Klimaneutralität. Und das nicht nur in Michigan: Im Bundesstaat Kalifornien hätte das Kraftwerk Diablo Canyon eigentlich spätestens im nächsten Jahr schließen sollen, mit Hilfe einer staatlichen Bürgschaft wurde die Laufzeit jedoch bis 2035 verlängert.

Gerade die Bevölkerungszentren an den Küsten sind auf Kohlestrom-Importe aus anderen Bundesstaaten angewiesen. Atomkraft könnten den schmutzigen Kohlestrom ersetzen. Das Palisades-Projekt alleine soll die Erzeugung von 4,47 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr vermeiden - das entspricht den Emissionen von knapp einer Million Verbrenner-Autos.

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Neue Konkurrenz

Doch ob der Biden-Plan aufgeht, ist noch unklar. Denn dass Anlagen wie Palisades geschlossen wurden, hat seinen Grund: Einerseits sind viele Kraftwerke bereits in die Jahre gekommen. Der Reaktorbetrieb in den USA ist auf 40 Jahres ausgelegt - eine Verlängerung um 20 Jahre ist möglich, bedingt aber meist umfangreiche Reparatur- und Modernisierungsarbeiten. Für viele Kraftwerksbetreiber lohnt sich das nicht.

Und dann ist da noch die Konkurrenzsituation: Vor allem erneuerbare, aber auch fossile Energien sind in den USA mittlerweile sehr viel günstiger in ihrer Erzeugung als die Kernkraft. Das Palisades-Kraftwerk musste schließen, weil es fast 100 Prozent seines Stroms an einen örtlichen Versorger namens Entergy abgab - der aber den Liefervertrag nicht mehr verlängern wollte, aus Kostengründen. Es gebe mittlerweile „ökonomischere Alternativen, um die Versorgung der Region mit verlässlicher Energie sicherzustellen“, hieß es in einer Mitteilung von Entergy aus dem Dezember 2016.

Zu welchen Preisen das wiederbelebte Kraftwerk einmal seinen Strom anbieten kann, ist noch unklar. Und auch die Biden-Regierung will sich nicht alleine darauf verlassen: Das Energieministerium fördert ebenfalls mit Milliardensummen die Erforschung und den Bau sogenannter Mini-Reaktoren, der „small nuclear reactors“ (SMR). Auch auf dem Palisades-Gelände in Michigan sollen einmal zwei dieser Reaktoren stehen, verkündete Eigentümer Holtec. Mitte der 2030er-Jahre sollen die Mini-Akws den Betrieb aufnehmen - direkt neben dem Reaktor aus der Mottenkiste.