Neuer Klima-Masterplan für Heizungsgesetz, Strompreis und E-Autos: Das kann Merz mit seinen Milliarden tun

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Neuer Klima-Masterplan für Heizungsgesetz, Strompreis und E-Autos

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Die neue Koalition hat versprochen, 100 Milliarden Euro in den Klimaschutz zu stecken. Wo sollte das Geld jetzt hineinfließen? Es gibt viele Ideen – und eigentlich zu wenig Geld.

Berlin – Die historische Schuldenaufnahme ist im Parlament so gut wie besiegelt, als Nächstes wird die Frage nach der Verteilung bestimmend sein. Im Klima- und Transformationsfonds (KTF) kommen 100 Milliarden Euro hinein, der Topf wird sonst mit den Einnahmen des CO₂-Preises gefüllt. Trotzdem klafft bereits jetzt eine Lücke von neun Milliarden Euro im KTF, sodass die neue Koalition nach Ansicht vieler Experten und Expertinnen erstmal einen Kassensturz machen sollte. Wofür sollte sie das Geld künftig einsetzen?

Milliarden fließen in Förderprogramme: Senkung der Strompreise für die CDU im Fokus

Andreas Jung, der Chefunterhändler für die Arbeitsgruppe Energie und Klima in der Union, hat zu Wochenbeginn erläutert, dass das Geld aus dem KTF erstmal für die Senkung der Strompreise genutzt werden soll. Das wird um die 15 Milliarden Euro pro Jahr binden, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Ein sogenanntes Klimageld – also eine Pro-Kopf-Pauschale, die an jeden Bürger und jede Bürgerin ausgezahlt wird – werde es aber nicht geben, so die Ansage von Jung.

Weitere 14 Milliarden Euro sind aktuell in Förderprogramme für Gebäude gebunden. Insbesondere betrifft das die Förderung für den Heizungstausch, aber auch Förderprogramme für die Sanierung von Eigenheimen werden daraus unterstützt. Nach Ansicht von Wirtschaftsweise Veronika Grimm sollten diese Förderprogramme zurückgefahren werden. „Eine auf einer Vielfalt an Fördermaßnahmen basierende Klimapolitik ist ineffizient und dürfte die Kosten in die Höhe treiben“, so Grimm zu Tagesspiegel Background. Solar- und Heizungsförderungen sowie Kaufprämien für Elektroautos sollte es ihrer Meinung nach nicht geben.

Änderungen beim Heizungsgesetz gefordert: Weniger Förderung soll Wärmepumpen günstiger machen

Anders sieht das die Denkfabrik Epico, die den Koalitionären ein Papier mit Handlungsempfehlungen erarbeitet hat, das IPPEN.MEDIA vorliegt. Aus ihrer Sicht sollten SPD und CDU das Heizungsgesetz „entschlacken“ und die Förderung reformieren – aber nicht abschaffen. Die Förderung für den Heizungstausch sollte statt der aktuellen prozentualen Staffelung auf einen festen Betrag umgestellt werden. Damit könnten ihren Berechnungen zufolge 1,4 Milliarden Euro eingespart werden.

Das Finanzpaket der Union und SPD ermöglicht die weitere Schuldenaufnahme. Im Bundestag bekam es die benötigte Zweidrittel Mehrheit.
Das Finanzpaket der Union und SPD ermöglicht die weitere Schuldenaufnahme. Im Bundestag bekam es die benötigte Zweidrittel Mehrheit. © IMAGO/ESDES.Pictures, Bernd Elmenthaler

Diesen Ansatz befürworten auch Umweltorganisationen wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und auch der Wärmepumpenanbieter Octopus Energy wirbt für eine Veränderung der Förderung. In Deutschland kosten Wärmepumpen aktuell deutlich mehr als im europäischen Ausland (in Großbritannien kosten sie halb so viel wie hierzulande), was aus Sicht der DUH mit der hohen Förderung zusammenhängt. Eine Umstellung auf einen festen Betrag – sie schlagen 7000 Euro vor – würde Hersteller zu einer Absenkung der Preise bewegen, so das Argument der Umweltschützer.

„In Frankreich liegen die Gesamtkosten für den Einbau bei etwa 18.000 Euro und im Jahr 2023 wurden 611.000 Wärmepumpen verkauft. In Großbritannien werben Hersteller mit einem Einbau sogar schon ab 9.000 Euro, während der Preis in Deutschland zwischen 24.000 Euro und 34.000 Euro liegt“, schreibt Epico in ihrem Papier. Das Heizungsgesetz sollte so reformiert werden, dass auch Hybridlösungen eindeutig als Lösung für Haushalte anerkannt werden.

Mehr Förderungen für die Sanierung von Gebäuden gefordert

Brigitte Knopf, Mitglied im Expertenrat für Klimafragen, empfiehlt gegenüber dem Tagesspiegel eine Ausweitung der Förderung für Sanierungen, im Gegenzug sollten dann Fördermittel für Chipfabriken – wie die mittlerweile auf Eis gelegte Fabrik von Intel bei Magdeburg – gestrichen werden. „Auch sollten Infrastrukturausgaben, wie beispielsweise die Erneuerung der Schieneninfrastruktur, nicht in den KTF verschoben werden“, warnt sie. Das Geld werde nach ihrer Einschätzung für den Gebäudesektor gebraucht und sollte insbesondere Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen unterstützen.

Strompreise absenken kostet gut 11 Milliarden im Jahr – CDU sollte dynamische Stromtarife vorantreiben

Weiterer Posten für den KTF: Die Absenkung der Strompreise, wie es Andreas Jung auch schon angekündigt hat. Die Denkfabrik Epico teilt die Einschätzung von CDU-Mann Jung, dass die Strompreise gesenkt werden müssen und kommt auf vergleichbare (sehr hohe) Kosten, die dafür mobilisiert werden müssten: Rund elf Milliarden Euro im Jahr würde es demnach kosten, die Stromsteuer und die Netzentgelte für alle abzusenken. Aus Epico-Sicht ist das zu teuer, um jährlich den Strompreis so langfristig zu fördern. Sie empfiehlt daher einen zeitlich begrenzten Zuschuss, der von Strukturreformen begleitet wird, damit die Strompreise perspektivisch auch ohne Förderung niedrig bleiben. Dazu sollte die neue Bundesregierung unter anderem eine Flexibilitäts-Agenda vorantreiben.

„Nach einer aktuellen Studie könnten Haushalte 400 Euro pro Jahr sparen, wenn sie sich für einen dynamischen Tarif (anstelle eines ‚herkömmlichen‘ Stromtarifs) für den Betrieb einer Standard-Wärmepumpe entscheiden. 316 Euro Ersparnis wären möglich, wenn Haushalte den Tarif für das Laden eines Elektrofahrzeugs anwenden würden“, so die Autoren. Aktuell gebe es zu viel Unkenntnis unter Verbraucher und Verbraucherinnen über diese Vorteile von dynamischen Tarifen, sodass Epico eine Aufklärungskampagne empfiehlt.

Förderung für Elektroautos: Denkfabrik für Absenkung der Mehrwertsteuer für E-Autos

Aus dem KTF sollte auch die Ankurbelung der E-Mobilität finanziert werden. Entgegen den Empfehlungen von Wirtschaftsweise Grimm hat sich die neue Koalition im Sondierungspapier schon zu einer Förderung für E-Autos bekannt. Epico wirbt dafür, die Mehrwertsteuer auf Elektroautos abzusenken, um die Nachfrage anzukurbeln. Die Denkfabrik empfiehlt, neben der Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent, einen Blick nach Norwegen zu werfen, wo mittlerweile über 90 Prozent der neu zugelassenen Autos elektrisch fahren. Dort hat es auch zahlreiche non-monetäre Fördermaßnahmen gegeben, die E-Autos attraktiver gemacht haben.

„Neben Kaufanreizen genießen norwegische E-Fahrer Vergünstigungen wie ermäßigte oder kostenlose Fähren und Mautgebühren und exklusiven Zugang zu Busspuren und Parkplätze nur für E-Autos. Diese spielen alle eine wichtige Rolle bei der bemerkenswerten Verbreitung von E-Autos in Norwegen“.

Bei der Analyse all dieser Maßnahmen – und es gibt noch viel mehr – wird schnell klar, dass auch die 100 Milliarden im KTF zügig verbraucht werden könnten. Experten und Expertinnen mahnen daher zur Disziplin und zu einer Kosten-Nutzen-Analyse jeder Maßnahme, bevor sie verkündet wird. Gut gemacht bietet das Sondervermögen enorme Potenziale für die Dekarbonisierung. Schlecht gemacht könnten sehr schnell viele Milliarden im Sande versickern.

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