BVB-Boss Watzke muss seine Leuchtturm-Theorie einstampfen

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Hans-Joachim Watzke hat den BVB zur zweiten Macht im deutschen Fußball geformt. Diesen Status ist der Klub aber längst wieder los.

Dortmund – Die Länderspielpause hat allen, die es mit Borussia Dortmund halten, eine kurze Pause vom tristen Alltag beschert.

Tabellenplatz elf in der Bundesliga, mehr Niederlagen als Siege in 26 Saisonspielen und ein beachtlicher Rückstand auf die Europapokalränge stehen in der Zwischenbilanz des BVB. Zwar schönt das Erreichen des Viertelfinales der Champions League das Bild etwas auf, im April geht es gegen den FC Barcelona. Der Gesamteindruck bleibt jedoch verheerend.

Das geht so weit, dass schon Stimmen laut werden, die Hans-Joachim Watzke zum Rücktritt vom Rücktritt aufrufen. Der Klubchef befindet sich auf Abschiedstournee, Ende des Jahres gibt er planmäßig auch die letzten Geschäftsbereiche ab. Allgemein wird erwartet, dass der 65-Jährige eine Kandidatur als BVB-Präsident anstrebt, während er die Ämter bei DFL und DFB weiter ausüben will.

Watzke wollte den BVB-Niedergang nicht wahrhaben

Ob Watzke ernsthaft mit dem Gedanken spielt, seinen Abschied aus dem operativen Geschäft in Dortmund zu verschieben, sei dahingestellt. Denkbar wäre dies wohl nur, wenn es beim BVB zum ganz großen Umbruch kommt, den irgendjemand ja auch moderieren muss. Und wer hätte da die größere Hausmacht als Watzke?

Wobei: Auch der Nimbus von Watzke bröckelt mit der Horror-Saison, die Dortmund hinlegt. Immerhin hat der Sauerländer alle strategischen Zügel in der Hand gehalten, als die Grundlagen für die laufende Spielzeit gelegt wurden – während viele Fans monieren, dass sich der BVB ohnehin seit Jahren in einem schleichenden Niedergang befindet.

Hans-Joachim Watzke erlebt mit Borussia Dortmund eine Horror-Saison.
Hans-Joachim Watzke erlebt mit Borussia Dortmund eine Horror-Saison. © IMAGO/Joachim Bywaletz

Davon hatte Watzke selbst noch vor wenigen Monaten nichts wissen wollen. „Nur die Bayern sind besser als wir, aber die haben auch 200 PS mehr“, sagte der BVB-Boss da beim TV-Sender Sky und bezeichnete etwa die Debatte um mangelnde Siegermentalität in Dortmund als „Bullshit“: „Dieses pausenlose Genörgel, das geht mir auch zunehmend auf den Sender.“

„Rolle der zweiten Kraft im deutschen Fußball an Bayer Leverkusen verloren“

Watzke hatte mit diesen Worten einmal mehr eine seiner Lieblingsthesen propagiert: Das Bild von Borussia Dortmund als zweitem Leuchtturm des deutschen Fußballs, der nur vom FC Bayern und auch nur um wenige Meter Länge überragt wird.

Das Problem: Der zweite Leuchtturm ist längst in sich zusammengefallen. Absolut Fußball, das Fußballportal von Home of Sports, analysierte dies bereits Ende September. Bei Watzke hat es bis zu dieser Erkenntnis wesentlich länger gedauert.

„Es nervt mich, dass wir die Rolle der zweiten Kraft im deutschen Fußball an Bayer Leverkusen verloren haben, die wir über 15 Jahre für uns beanspruchen konnten“, räumte Watzke nun in einem Interview mit der britischen Tageszeitung The Guardian ein, dass seine Leuchtturm-Theorie den tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr standhält.

Leverkusen ist nicht der einzige BVB-Konkurrent

Die Erkenntnis ist bei Watzke spät gereift. Die große Frage lautet, ob der BVB die richtigen Schlüsse daraus zieht. Denn längst ist nicht nur Leverkusen vorbeigezogen, sondern gibt es auch noch andere Konkurrenten, die erwachsen sind. RB Leipzig bewegt sich mit Dortmund in mancher Hinsicht schon lange auf Augenhöhe, hat dabei aber auch Vorteile, die sich aus der Struktur des Klubs ergeben.

Problematischer für den BVB ist wohl, dass mit Eintracht Frankfurt und dem VfB Stuttgart zwei Traditionsvereine erstarkt sind, die in den Köpfen von Millionen Fußballfans grundsätzlich ähnliche Bilder auslösen wie Dortmund.

Wenn etwa DAZN-Experte Sebastian Kneißl im Interview mit dieser Redaktion die Eintracht als „das beste Sprungbrett in Europa“ bezeichnet, sollte das in Dortmund zu denken geben. Schließlich war diese Rolle lange dem BVB vorbehalten.

Watzke hinterlässt den BVB wirtschaftlich kerngesund

Noch klafft wirtschaftlich eine Lücke zwischen Dortmund und seinen Herausforderern, die sich auch durch ein Jahr ohne die großen Einnahmen aus der Champions League nicht sofort schließen würde.

Es ist wohl das größte Verdienst von Watzke, der den Klub vor 20 Jahren kurz vor dem Abgrund übernahm und zu einem Kraftpaket umgewandelt hat. „Finanziell haben wir in den letzten 20 Jahren fast alles richtig gemacht. Mit Ausnahme der drei Corona-Jahre haben wir immer schwarze Zahlen geschrieben“, so der scheidende Klubchef im Interview.

Ein schwaches Jahr kann Dortmund überstehen. „Dann macht der BVB ein oder zwei Transfers und alles ist wieder im Lot“, sagte Watzke schon im Februar.

BVB plant immer mit der Champions League

Klar ist aber auch: Die Planungen des BVB sind immer auf die Champions League ausgerichtet, und wenn entsprechende Löcher durch den Verkauf von Spielern gestopft werden müssen, geht dies an die ohnehin bröckelnde sportliche Substanz.

Ob Borussia Dortmund den zusammengekrachten Leuchtturm schnell wieder errichten kann, ist jedenfalls fraglich – unabhängig der Frage, ob Watzke sich wirklich ab Ende 2025 aus dem Tagesgeschäft raushält.

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