CDU-Wahlprogramm „verletzt alle Grundrechenarten“: Ökonomen zerreißen Merz‘ „Wunschdenken zur Weihnachtszeit“
Das neue CDU-Programm sieht 100 Milliarden Steuerentlastungen vor, die allein durch Wachstumsimpulse refinanziert werden sollen. „Völlig unrealistisch“, erklärt Ökonom Südekum.
Berlin/Düsseldorf – „Politikwechsel für Deutschland“ heißt das Wahlprogramm der CDU zur Bundestagswahl, das am Dienstag (17. Dezember) verabschiedet werden soll. Es sieht an vielen Stellen Steuersenkungen vor. Refinanzieren sollen sich die fehlenden Einnahmen von geschätzten 100 Milliarden Euro jährlich über „Wachstumsimpulse“ des Programms, sprich: Einen sprunghaften Anstieg des Bruttosozialproduktes. „Die Kalkulation verletzt alle Grundrechenarten“, zerlegen nun Ökonomen das Paket, es sei „Wunschdenken zur Weihnachtszeit“.

„Rechnung geht nicht auf“: Ökonomen zerlegen CDU-Programm mit 100-Milliarden-Steuerentlastung
„Das Wahlprogramm der Union verspricht 99 Milliarden Euro Steuerentlastungen im Jahr“, rechnet der Stefan Bach, Steuerexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor. Das seien 2,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Unter anderem sieht das CDU-Programm vor, die Unternehmensbesteuerung zu senken, den Soli vollständig abzuschaffen, den Spitzensteuersatz auf 80.000 Euro zu erhöhen, und die Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf sieben Prozent zu senken. Ebenso soll die Agrardieselrückvergütung für Landwirte wieder vollständig eingeführt werden.
Da bewegt man sich bei einer Steigerung des BIP von 10 Prozent, die hatten wir noch nicht einmal in den Wirtschaftswunderzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg. Völlig unrealistisch!
Wie das Milliardenloch im Haushalt finanziert werden soll, darüber gibt es im Programm keine eindeutigen Angaben. Von Steuererhöhungen wird nicht gesprochen, auch „an der grundgesetzlichen Schuldenbremse“ wolle man festhalten, heißt es im Entwurf. Durch eine erstarkende Wirtschaft und niedrigere Steuern sollen „Wachstumsimpulse“ entstehen, das dann die fehlenden Steuereinnahmen des Bundes ausgleicht. „Die Rechnung geht nicht auf“, erklärt Wirtschaftsexperte Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.
„Verletzt sämtliche Grundrechenarten“: Wirtschaftsexperte über CDU-Programm
„Man kann sich ganz leicht ausrechnen, wie hoch dieser ‚Wirtschaftsimpuls‘ sein müsste, damit eine Gegenfinanzierung gewährleistet ist“, so Südekum, „da bewegt man sich bei einer Steigerung des BIP von 10 Prozent, die hatten wir noch nicht einmal in den Wirtschaftswunderzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg. Völlig unrealistisch!“
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Ökonom zerlegt CDU-Programm vor der Wahl: „Ist nicht machbar, das sieht auch jeder“
Die Finanzierbarkeit des Programms sei nicht gegeben, „das ist nicht umsetzbar, das sieht auch jeder“, sagt der Wirtschaftsexperte. „Es ist eben ein Wahlprogramm, das sich erstmal gut anhört, aber sämtliche Grundrechenarten verletzt“. DIW-Ökonom Bach kritisiert darüber hinaus, dass von den Entlastungen „überwiegend Besserverdiener und Reiche“ profitieren würden: „Mehr als die Hälfte (52 Mrd. €/Jahr) geht (zunächst) an die reichsten 10 Prozent“ schreibt er in einem Post. Es gebe wenig Entlastungen für die arbeitende Mitte, und nur 12 Milliarden Euro jährlich gehen an die „untere Hälfte der Bevölkerung“.
Merz will zweistelligen Milliardenbetrag beim Bürgergeld kürzen: „Verfassungsrechtlich nicht möglich“
Tatsächlich kündigte Merz bereits an, das Bürgergeld in der jetzigen Form durch eine ‚Grundsicherung‘ zu ersetzen – und hier Einsparungen im zweistelligen Milliardenbereich“ zu erzielen. „Das ist völlig utopisch“, kommentiert Südekum, „das gesamte Budget beträgt 37 Milliarden, selbst wenn man wollte, kann man nicht einfach beliebig Kürzungen vornehmen. Das wäre verfassungsrechtlich allein schon nicht möglich.“
Noch hat die CDU-Fraktion nicht auf die deutliche Kritik des Ökonomen reagiert, „ich gehe aber davon aus, dass mir morgen Abend einiges entgegengehalten wird.“ Südekum ist am Dienstag (17. Dezember) gemeinsam mit dem Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Thorsten Frei ab 22.45 Uhr bei Markus Lanz zu Gast.