„Verschwenden Steuergelder“: Scharfe Kritik an geplanter Merz-Förderung – Vorteile nur für Besserverdiener
Die Merz-Regierung plant neue Subventionen für Elektrofahrzeuge. Doch die Maßnahmen könnten die soziale Ungleichheit vertiefen. Experten fordern Umdenken.
Berlin – Elektroautos sind die Zukunft des klimafreundlichen Verkehrs – das bestätigt eine aktuelle Analyse des International Council on Clean Transportation (ICCT). Die Forscher verglichen verschiedene Antriebsarten über zwei Jahrzehnte hinweg und kamen zu einem eindeutigen Ergebnis: E-Fahrzeuge verursachen deutlich weniger Umweltschäden. Finanziell attraktiv sind sie allerdings hauptsächlich für eine privilegierte Schicht – und genau das wird zum gesellschaftlichen Problem.
Der entscheidende Faktor: Wer über ein eigenes Haus mit Garage und Wallbox verfügt, kann richtig sparen. Kombiniert mit einer Photovoltaikanlage und Batteriespeicher sinken die Energiekosten an sonnigen Tagen praktisch auf null. Aber auch ohne Solartechnik rechnet sich der Umstieg oft. Bei aktuellen Strompreisen 2025 zwischen 27 und 44 Cent pro Kilowattstunde – so die aktuellen Daten von Strom Report – fahren viele Elektromodelle günstiger als benzin- oder dieselbetriebene Alternativen. Das kompensiert häufig die höheren Kaufpreise von mehreren tausend Euro.
E-Mobilität in Deutschland: Fortschritte trotz hoher Hürden
Die Verkehrswende kommt in Deutschland nur langsam in Gang, zeigt aber positive Tendenzen. Nach dem Einbruch der E-Auto-Verkäufe 2024 stiegen die Neuzulassungen zu Jahresbeginn 2025 wieder merklich an. Eine Bearingpoint-Analyse sieht deutsche Autobauer trotz anfänglicher Schwierigkeiten gut positioniert für den globalen Elektro-Boom – besonders in China, den USA und Frankreich genießen sie hohes Vertrauen. Die Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) will nun mit zusätzlichen Anreizen nachhelfen: eine Sonderförderung für E-Autos. Doch die angekündigten Fördermaßnahmen ernten heftige Kritik. Während E-Autos langfristig erheblich umweltschonender sind als Verbrenner, droht die neue Subventionsstrategie bestehende Ungerechtigkeiten zu verstärken.
Elektrofahrzeuge gelten als Kernbaustein im Kampf gegen die Erderwärmung. Die ICCT-Studie beziffert die Treibhausgaseinsparung auf etwa 73 Prozent gegenüber Benzinern – unter Einbeziehung aller Lebenszyklusphasen von der Herstellung über Wartung und Stromproduktion bis zum Recycling. Trotzdem bleiben E-Autos in der Anschaffung kostspielig. ADAC-Berechnungen zeigen: Trotz fallender Preise übersteigen sie durchschnittlich noch immer die Kosten für Benzin- oder Dieselfahrzeuge. Hoher Wertverlust und teure öffentliche Ladesäulen verzögern die Amortisation zusätzlich, sodass sich der Umstieg nur unter bestimmten Bedingungen lohnt.
Scharfe Kritik am Regierungskonzept: Steuerprivilegien für Gutverdiener
Der „Investitionsbooster“ der Merz-Administration setzt auf großzügige Steuervorteile und erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten für Firmenwagen. Dienstwagen bis 80.000 Euro Listenpreis sollen besonders begünstigt werden. Fachleute bemängeln diese Ausrichtung als sozial schief: „Die geplanten Subventionen verschwenden Steuergelder. Sie unterstützen hauptsächlich Menschen, die gar keine Hilfe brauchen und sowieso ein E-Auto angeschafft hätten“, kritisierte Mobilitätsexpertin Sandra Wappelhorst vom ICCT im Gespräch mit Spiegel Online.
Eine Evaluation des Wirtschaftsministeriums hatte bereits im November 2024 belegt, dass frühere Förderprogramme überwiegend Wohlhabenden zugutekamen. Rund ein Drittel der Empfänger verfügte über ein Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 5.000 Euro monatlich. Die neuen Maßnahmen könnten diese Schieflage noch verschärfen.
Kostenrechnung zeigt Realität: E-Autos nur bedingt konkurrenzfähig
Die ADAC-Analyse verdeutlicht: Elektrofahrzeuge sind derzeit nur bei sehr niedrigen Energiekosten wirtschaftlich. Bei einem Strompreis von 30 Cent je Kilowattstunde können lediglich wenige Modelle mit vergleichbaren Verbrennern mithalten. Fazit: Erst bei deutlich günstigerem Strom oder eigener Solaranlage rechnet sich die E-Mobilität finanziell. Die Subventionierung teurer Modelle verfehlt daher das Ziel, breite Bevölkerungskreise für den Umstieg zu gewinnen.
Ein Blick ins Ausland zeigt bessere Lösungsansätze: Frankreich startete Anfang 2024 ein staatlich finanziertes Leasing-Programm speziell für Geringverdiener. Die monatlichen Raten betragen etwa 100 Euro für Kleinwagen und 150 Euro für größere Fahrzeuge. Berechtigt waren ausschließlich Haushalte mit weniger als 14.000 Euro Jahreseinkommen, die beruflich auf ein Auto angewiesen sind. Das Programm war binnen weniger Wochen wegen enormer Nachfrage ausgeschöpft.
Blick über den Tellerrand: Französisches Modell für soziale Gerechtigkeit
Ein vergleichbares Konzept wäre auch in Deutschland denkbar, allerdings nicht mit den aktuellen Plänen der Merz-Regierung. „So günstige Leasingkonditionen wie in Frankreich wären mit den derzeitigen deutschen Herstellermodellen vermutlich nicht realisierbar“, gibt Sandra Wappelhorst gegenüber Spiegel Online zu bedenken. Die ICCT-Untersuchung unterstreicht das Potenzial von Elektrofahrzeugen für die Klimaziele. Doch die geplante Förderpolitik der Bundesregierung könnte diese Chance verspielen. Solange E-Autos hauptsächlich für Besserverdiener erschwinglich bleiben, wird sich die Elektromobilität nicht flächendeckend etablieren. Dabei wäre es entscheidend, die breite Bevölkerung zu erreichen, um den Verkehr insgesamt klimafreundlicher zu gestalten.
Für eine sozial ausgewogene E-Mobilität fordert der ADAC preiswertere Modelle und transparente Tarife an öffentlichen Ladestationen. Sinnvoller wäre zudem eine Abkehr von der reinen Neuwagen-Subventionierung hin zu attraktiven Gebrauchtwagenofferten und Umrüstungsförderung. Nur so könnten Elektroautos langfristig für die Mehrheit bezahlbar werden. Die Lobbyisten der Automobilindustrie sehen das anders: Der Verband der Automobilindustrie (VDA) – in Vertretung durch dessen Präsidentin Hildegard Müller – unterstützt hingegen die Merz-Pläne, da sie den Absatz hochpreisiger Neuwagen ankurbeln. Diese Strategie könnte jedoch langfristig schaden, wenn sie die gesellschaftliche Akzeptanz der Elektromobilität untergräbt. (ls)