Microsoft setzt zur CO₂-Reduktion auf eine umstrittene Idee

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Microsofts Stromverbrauch steigt rasant durch den KI-Boom. Um seine Klimaziele nicht zu gefährden, setzt der Konzern auf Atomkraft, da Wind- und Solarenergie nicht zuverlässig genug sind.

Harrisburg – Der Störfall im Jahr 1979 im Atomkraftwerk Three Mile Island gilt als gravierendster Vorfall in der US-Geschichte. Nun wird die ein Teil der stillgelegten Anlage des Kernkraftwerks reaktiviert. Grund dafür ist der steigende Energiebedarf, der Microsoft durch seine KI-Technologien entsteht. Während Deutschland die AKWs abschaltet, werden sie anderswo wieder hochgefahren.

Microsoft reaktiviert alten Unglücks-Kernreaktor, wegen KI-Boom

Das stillgelegte US-Atomkraftwerk Three Mile Island, dessen Reaktor wieder hochgefahren werden soll, um Strom für Microsofts Rechenzentren zu liefern, wird von Constellation Energy betrieben. Microsoft hat sich dabei auf einen 20-Jahre-Vertrag eingelassen, in dem das Unternehmen sich verpflichtet, die erzeugte Energie abzunehmen. Dies wäre das erste Mal, dass ein stillgelegtes Atomkraftwerk in den USA wieder in Betrieb genommen wird.

„Die Versorgung von Industrien, die für die globale wirtschaftliche und technologische Wettbewerbsfähigkeit unserer Nation entscheidend sind, wie etwa Rechenzentren, erfordert eine Fülle von Energie, die CO₂-frei und zu jeder Stunde des Tages zuverlässig ist – und Kernkraftwerke sind die einzigen Energiequellen, die dieses Versprechen durchgängig einhalten können“, erklärt Joe Dominguez, Präsident und CEO von Constellation in einer Presseaussendung. Auch Bobby Hollis, VP of Energy bei Microsoft, betont die Zuverlässigkeit von Atomstrom, „um kohlenstofffreie Energiequellen zu entwickeln, die dazu beitragen, den Kapazitäts- und Zuverlässigkeitsbedarf der Netze zu decken“.

Wieso Microsoft nicht auf Wind- und Solarenergie setzt

Microsoft ist ein Investor des ChatGPT-Entwicklers OpenAI und hat in den letzten Jahren einen zweistelligen Milliardenbetrag in das KI-Unternehmen investiert. Das Unternehmen integriert die Lösungen von OpenAI in seine Produkte. Der hohe Energiebedarf steht jedoch im Widerspruch zu den Klimazielen des Softwarekonzerns. Experten der Bank Goldman Sachs schätzen laut Deutscher Presseagentur, dass eine Anfrage bei ChatGPT sechs bis zehn Mal mehr Energie verbrauchen könne als eine klassische Google-Suche. Der Energieverbrauch des Unternehmens ist in den letzten Jahren rasant angewachsen. Laut Connect verbrauchen die beiden Technologiekonzerne Google und Microsoft mehr Strom als manches Land: Zusammen kommen sie auf rund 24 TWh pro Jahr.

Wieso Microsoft nicht auf Wind- oder Solarenergie setzt, erklärte Microsoft-Manager Bobby Hollis bereits in einem Gespräch mit Bloomberg, in dem er darauf hinwies, dass die Energieproduktion von Windrädern und Solaranlagen schwanken könne, während sie bei Atomkraftwerken gleich bleibe. „Wir laufen rund um die Uhr, sie laufen rund um die Uhr“, erklärte Hollis.

Unglücksfall in stillgelegtem Atomkraftwerk fand in einem anderen Block statt

Das Atomkraftwerk in Pennsylvania hatte im Jahr 1979 Schlagzeilen geschrieben, als es zum schwersten Atomunfall in den USA gekommen war. Auch wenn es keine unmittelbaren Todesfälle gegeben hatte, mussten rund 140.000 Menschen evakuiert werden und mehrere hundert Kilometer weg wurden erhöhte Strahlenwerte gemessen.

Der Neustart betrifft jedoch nicht den Block 2 des Kraftwerks, in dem es laut Tagesschau zu einer teilweisen Kernschmelze gekommen war. Es geht vielmehr um den Block 1, der erst 2019 stillgelegt worden war. Dieser soll nun Strom für die energieintensiven KI-Anwendungen von Microsoft generieren – Energie für über 800.000 Haushalte könnte dort produziert werden. Der Betreiber Constellation Energy übernahm das Kraftwerk 1999, das aufgrund jahrelanger Verluste im Jahr 2019, trotz einer Betriebserlaubnis bis 2034, stillgelegt wurde. In den kommenden Jahren wird es wieder hochgefahren.

Atomkraftwerk Three Mile Island
Der Reaktor im Kraftwerk Three Mile Island war 2019 stillgelegt worden. (Archivbild) © Joe Hermitt/The Patriot-News/dpa

Ist das AKW-Aus in Deutschland doch nicht in Stein gemeißelt?

Während andere Länder ihre Kernkraftwerke wieder hochfahren, werden sie in Deutschland stillgelegt. Der Atomausstieg ist hierzulande eigentlich bereits abgeschlossen. Nachdem die Entscheidung dazu schon vor vielen Jahren getroffen wurde, hatte die aktuelle Bundesregierung den Prozess in einigen Kraftwerken aus Sorge um die Energiesicherheit letztmalig verschoben. Endgültig Schluss war schließlich am 15. April 2023 – es hagelte auch viel Kritik. Doch nun könnte die Union die Entscheidung wieder infrage stellen, es soll zum Ausstieg vom Ausstieg kommen.

Geht es nach Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) soll die Abschaltung doch noch einmal revidiert werden: „Die Ampel muss sicherstellen, dass die Kernkraftwerke nicht zerstört werden“, meinte er zum Handelsblatt. Auslöser der Debatte war die neuerliche Inbetriebnahme des Atomkraftwerks in den USA.

Auch anderen europäische Länder setzen verstärkt auf Atomstrom. So betreiben zwölf von 27 EU-Ländern Kernkraftwerke. Die Niederlande und Belgien, die wie Deutschland einen Ausstieg andachten, haben die Pläne aufgeschoben, Polen will neu einsteigen. Auch in Frankreich sind neue Anlagen geplant – ganze 65 Prozent von Frankreichs Strom stammen aus der Kernkraft. Neben Europa setzen auch andere Länder wie China verstärkt auf AKWs.

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