US-Wahl kompakt: Das Trump-Paradoxon

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Donald Trump, der vielleicht polarisierendste Politiker des Westens, reagiert radikal auf das auf ihn verübte Attentat – radikal moderat. © imago / MediaPunch / Ippen Media Sales (Collage)

George Clooney gegen Joe Biden, konservativer Geheimplan und über allem die Frage: Wie konnte es zum Attentat auf Donald Trump kommen? Wir ordnen die Geschehnisse im US-Wahlkampf für Sie ein.

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Samstag, 13. Juli 2024, 18:11 Uhr, in der Kleinstadt Butler im US-Bundesstaat Pennsylvania. In Deutschland ist es kurz nach Mitternacht, als drei Schüsse auf Donald Trump den Wahlkampf in den USA verändern. Es ist einer dieser Momente, die sich ins kollektive Gedächtnis einbrennen.

Trump wird nun, obwohl er nicht amtierender US-Präsident ist, in einem Atemzug mit John F. Kennedy, Ronald Reagan oder Martin Luther King Jr. genannt werden. Es ist viel zu früh, zu entscheiden, welchen Einfluss das Attentat auf den Ausgang der Wahl hat. Aber es wird diesen sicher nicht berechenbarer machen. Wir haben die wichtigsten Reaktionen für Sie zusammengestellt.

Wen es verwundert, wie moderat sich Trump bei seiner Rede zur Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner gab, sollte die Gefühlslage in den USA verstehen. Es ist das Trump-Paradoxon: Der vielleicht polarisierendste Politiker des Westens reagiert erneut radikal – und schlägt bei seiner offiziellen Nominierung als Präsidentschaftskandidat überraschend sanfte Töne an. Vorbereitet hatte das seine Frau Melania, die mit ihrer Reaktion auf das Attentat für das Zitat der Woche sorgte. 

Ein moderater Wahlkampf ist dennoch nicht zu erwarten. Trump ernennt J.D. Vance zum Vizekandidaten – und holt damit einen Scharfmacher an seine Seite. Wer die Politik des Republikaners verstehen will, sollte die konservativen Think Tanks hinter ihm kennen. Kolumnist James W. Davis beleuchtet für uns das “Project 2025”.

Viel Spaß beim Lesen!

Thomas Kaspar, Unterschrift
Thomas Kaspar, ehemaliger Chefredakteur der Frankfurter Rundschau und Experte für Auslandsjournalismus © Marcus Schlaf/Ippen-Digital-Media dia/dpa

USA Wochenchronik 

Die vergangene Woche zerfiel in zwei Teile. Bis Samstag drehte sich alles um erneute Aussetzer von Präsident Joe Biden. Seitdem gibt es nur noch ein Thema: das Attentat auf Donald Trump. 

George Clooney, bekennender Demokrat, hat in der New York Times einen vernichtenden Artikel über Joe Biden veröffentlicht. Der Präsident sei „nicht länger der Joe Biden von 2020.” Mit dem Blick auf Frankreich sei es an der Zeit, die Demokratie vor Rechtsaußen zu retten. Hier geht es zum entsprechenden Bericht unseres Partners, der Washington Post.

Nur drei Stunden nach Erscheinen des Clooney-Artikels veröffentlichte das Wahlkampfteam von Donald Trump ein kurzes Video, in dem es Aussagen von Clooneys Film „Up in the Air“ auf Joe Biden ummünzte. Diese Technik nennt man „Rapid Response“ und Trumps Team beherrscht sie meisterlich.

Die USA standen im Zentrum der Aufmerksamkeit beim NATO-Gipfel, bei dem das Bündnis der Ukraine weitere Hilfen zusicherte. Dort kündigte Joe Biden an, in Deutschland Raketen mit größerer Reichweite zu stationieren. Staatliche Medien in Russland berichteten daraufhin unter Berufung auf Vizeaußenminister Sergej Rjabkow, man werde „mit militärischen Maßnahmen“ reagieren.

Wenige Stunden vor Beginn des Parteitags konnte Donald Trump einen gewaltigen juristischen Sieg einfahren. In der Affäre um die Mitnahme geheimer Regierungsdokumente stellte die zuständige Richterin Aileen Cannon das Strafverfahren gegen Trump ein.

Donald Trump gegen die Hillbilly-Elegie

US former President and 2024 Republican presidential candidate Donald Trump shakes hands with US Senator from Ohio and 2024 Republican vice-president candidate J. D. Vance (R) during the first day of the 2024 Republican National Convention at the Fiserv Forum in Milwaukee, Wisconsin, July 15, 2024. Donald Trump won formal nomination as the Republican presidential candidate and picked a right-wing loyalist for running mate, kicking off a triumphalist party convention in the wake of last weekend‘s failed assassination attempt.
Donald Trump, nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf ihn mit einer Bandage am Ohr, schüttelt beim Parteitag der Republikaner seinem designierten Vize-Präsidentschaftskandidat J.D. Vance die Hand. © Brendan SMIALOWSKI / AFP

Wenig überraschend haben die Republikaner Donald Trump offiziell als ihren Kandidaten für die Präsidentenwahl nominiert. Der 78-Jährige kam beim Parteitag in Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin wie erwartet auf die notwendige Mehrheit der Delegiertenstimmen.

Kurz nach dem Attentat haben führende Demokraten, darunter auch Ex-Präsident Barack Obama, ihre Genesungswünsche an Donald Trump übermittelt. US-Präsident Joe Biden forderte in einer Ansprache an die Nation mehr Mäßigung im Wahlkampf. „Wir lösen unsere Meinungsverschiedenheiten an der Wahlurne – nicht mit Kugeln“, sagte Biden.

Donald Trump hatte im Vorfeld die Spannung auf seine Reaktion aufgebaut. „Ich hatte eine extrem harte Rede komplett vorbereitet, wirklich gut, alles über die korrupte, schreckliche Regierung“, sagte der Republikaner in einem Interview mit der New York Post. „Aber ich habe sie weggeschmissen.“ Er wolle in seiner Rede für eine Überwindung der politischen Spaltung im Land werben.

Den gesamten Newsticker zum Parteitag zum Nachlesen finden Sie hier.

Mit einer Entscheidung überraschte Trump am Rande des Parteitags, als er James David „J.D.“ Vance als Vizekandidaten für die US-Präsidentschaftswahl im November ernannte. Vance landete mit seinen Memoiren „Hillbilly-Elegie“ einen Bestseller. Regisseur Ron Howard verfilmte das Buch mit Amy Adams und Glenn Close. Der Titel wurde sprichwörtlich zum Synonym für die Schicht der abgestiegenen weißen Mittelschicht, die 2016 den Wahlsieg Trumps mit ermöglicht hat.

„Ich kann Trump nicht ausstehen“, sagte J.D. Vance im August 2016 über Donald Trump. Vance wurde später Senator und ist jetzt Trumps Vizepräsidentschaftskandidat.
„Ich kann Trump nicht ausstehen“, sagte J.D. Vance im August 2016 über Donald Trump. Das hat sich inzwischen geändert. © Sarah L. Voisin/The Washington Post

Vance war einst ein harter Kritiker Trumps und nannte diesen „totalen Betrüger“, „moralisches Desaster“ und „Amerikas Hitler“. Inzwischen ist er längst ins Trump-Lager gewechselt und gilt als rechter Hardliner. Wenn Trump künftig moderate Akkorde anstimmen sollte, kann er die harten Töne Vance überlassen. Die Washington Post hat ihn und seinen Werdegang in einem lesenswerten Stück dokumentiert.

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Washington Post: Hat der Secret Service versagt?

Der frühere Präsident Donald Trump wird während einer Wahlkampfveranstaltung in Butler, Pa. am Samstag von der Bühne begleitet.
Donald Trump wird nach dem Attentat auf ihn von der Bühne gebracht. © Jabin Botsford/The Washington Post

Nach dem Attentat auf Donald Trump wächst der Druck auf den Secret Service. Ein Teilnehmer will die Sicherheitskräfte Minuten vor den Schüssen auf den Täter hingewiesen haben. Der Augenzeuge sagte in einem Interview mit der britischen BBC, dass er und seine Freunde den Attentäter entdeckt hatten, als dieser auf einem Dach in Stellung ging.

„Er hatte ein Gewehr. Wir konnten ganz klar sehen, dass er ein Gewehr hatte.“ Die Sicherheitsbehörden – vor allem die örtliche Polizei und der für den Schutz des Präsidenten zuständige Secret Service – hätten jedoch nicht auf seine Warnungen reagiert.

Der Secret Service wies Vorwürfe als „absolut falsch“ zurück, er habe im Vorfeld von Trumps Auftritt dem Ex-Präsidenten zusätzlichen Schutz verweigert. Man habe vielmehr angesichts des erhöhten Tempos von Reisen im Wahlkampf „zusätzliche Schutzmaßnahmen“ ergriffen, erklärte Behördensprecher Anthony Guglielmi.

Zwei offene Fragen stehen im Mittelpunkt der Ermittlungen: Welches Motiv hatte der mutmaßliche Täter und wie hat der 20-Jährige es überhaupt geschafft, sich der Wahlkampfveranstaltung mit einem Sturmgewehr zu nähern?

Die ausführliche Analyse der Washington Post gibt es hier.

“Projekt 2025”: Der konservative Geheimplan

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump steht bei einer Wahlkampfveranstaltung auf der Bühne. Daneben ist der Politikwissenschaftler James Warren Davies zu sehen.
Donald Trump ist für seine Verhältnisse überraschend ruhig im US-Wahlkampf. Das könnte für die Demokraten zum Problem werden, analysiert der Politikwissenschaftler James Warren Davies. © Montage: Steve Helber/dpa/fkn

Unser Kolumnist James W. Davis beleuchtet die Politik der Konservativen in den USA und fragt: Wer sind die Think Tanks hinter Donald Trump?

Ausgelöst durch den katastrophalen Auftritt des amtierenden Präsidenten bei der ersten Präsidentschaftsdebatte, seien die Zweifel an der Fähigkeit des 81-Jährigen, nicht nur Donald Trump zu schlagen, sondern auch das Land weitere vier Jahre kompetent zu führen, nicht geringer geworden.

Doch die Demokraten sollten sich auch mit den inhaltlichen Plänen Donald Trumps beschäftigen, so Davis. Einige der beängstigendsten davon fänden sich im „Projekt 2025“, einem Aktionsplan, der von der Heritage Foundation, einer konservativen Denkfabrik in Washington, entworfen worden sei. 

Einige der durch das Projekt 2025 geförderten Maßnahmen:

  • Das Beenden des Ausbaus des Stromnetzes für Wind- und Solarenergie
  • Die Abschaffung des Bildungsministeriums
  • Die offizielle Anerkennung des Sabbats
  • Die Einstellung aller Bundesgesundheitsprogramme für LGBTQ+ Personen.
  • Gleichzeitig soll die Regierung erklären, dass heterosexuelle Paare die bessere Familienstruktur stellen. Der Begriff „sexuelle Orientierung“ soll aus der Bundesgesetzgebung verbannt werden
  • Die Säuberung des öffentlichen Dienstes von unparteiischen Beamten und die Einsetzung von Trump-Loyalisten, die bei der Verwirklichung der anderen Pläne helfen sollen

Keiner dieser Pläne werde die Unterstützung einer Mehrheit der Amerikaner erhalten, schreibt Davis. Sie erlebten gerade in diesem Sommer eine beispiellose Serie von Hitzewellen und Dürren, machten sich Sorgen über das sinkende Bildungsniveau in weiten Teilen des Landes, schätzten die Trennung von Kirche und Staat, sähen die LGBTQ+-Rechte als eine Frage der Fairness und der individuellen Freiheit und erwarteten, dass sie in ihrem Umgang mit dem Staat auf professionelle Staatsdiener und nicht auf eine Truppe von skrupellosen Partei-Bonzen treffen.

Die komplette Kolumne des amerikanischen Politikwissenschaftlers James W. Davis (geschrieben kurz vor dem Attentat auf Donald Trump) lesen Sie hier. Davis ist ausgewiesener Experte für US-Politik und Internationale Beziehungen.

Das Zitat der Woche

Melania Trump, Zitat
Melania Trump (hier auf einem Archivbild aus dem Jahr 2022) rief die USA nach dem Attentat auf ihren Mann zur Versöhnung auf. © picture alliance/dpa/AP | Andrew Harnik

Die ehemalige First Lady Melania Trump veröffentlichte am Sonntagmorgen eine Erklärung auf X (ehemals Twitter), in der sie den Agenten des Secret Service für den Schutz ihres Mannes dankt.

Weitere Empfehlungen unserer Redaktion

USA kurios: Barron und die Boulevard-Blätter

Wahlkampf in den USA - Trump
Barron Trump während einer Wahlkampfveranstaltung seines Vaters in Florida. © Rebecca Blackwell

Eine Woche vor dem Attentat war die Wahlkampfwelt noch in Ordnung. Donald Trumps jüngster Sohn Barron reckte bei einer Veranstaltung des Vaters auf dem Familien-Golfplatz eine Faust in den Himmel. Der 18-jährige Spross von Melania (56) und Donald (78) sorgte mit seinem ersten Auftritt in diesem Jahr für ein Bild, das viele Boulevardblätter mit fantasievollen Schlagzeilen mit einem Wahrheitsgehalt am Rande der Realität veröffentlichten.

Aber auch eine seriöse Nachrichtenagentur ließ sich dazu hinreißen, Donald Trump von der Veranstaltung zu zitieren, sein Sohn ginge nun auf Dates. Die Agentur musste die ausgeschmückte Liebesnachricht korrigieren. 

Fast sehnt man sich danach, dass solche Boulevard-Meldungen, in ihrer Absurdität, aber auch Harmlosigkeit, diesen Wahlkampf bestimmen…

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Die Washington Post ist eine der größten und renommiertesten Tageszeitungen der USA. Das Medium mit Sitz in der Hauptstadt Washington, D.C. ist vor allem für seinen politischen und investigativen Journalismus berühmt. So brachten beispielsweise die WaPo-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein mit ihrer Arbeit in den frühen 1970er Jahren die Watergate-Affäre ins Rollen.

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