Der Rheinmetall-Effekt: Welche Aktien jetzt profitieren könnten

Als die Bundesregierung am 16. März 2022 die Einrichtung eines 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögens zur Aufrüstung der Bundeswehr beschloss, da stand die Aktie des größten deutschen Rüstungskonzerns bei 155,05 Euro. 

Heute, etwas mehr als drei Jahre später, sind es 1736 Euro. Die staatlichen Mega-Ausgaben haben die Aktie also um rund 1020 Prozent nach oben schießen lassen. Und nicht nur die Aktie: Der Umsatz von Rheinmetall dürfte sich von 5,7 Milliarden Euro 2021 auf 12,6 Milliarden Euro in diesem Jahr mehr als verdoppeln. Beim Gewinn nach Steuern werden 1,2 Milliarden Euro erwartet. Gegenüber den 291 Millionen Euro von vor vier Jahren ist das mehr als eine Vervierfachung.

Sondervermögen zeigt Wirkung

Rheinmetall ist damit nicht allein. Die Aktie des Spezialisten für elektronische Rüstungskomponenten, Hensoldt, stieg seit März 2022 um rund 300 Prozent. Der Umsatz hat sich auch hier mittlerweile fast verdoppelt, beim Reingewinn steht Hensoldt nicht weit von einer Verdreifachung entfernt, die spätestens 2026 erreicht werden soll.

Das alles geschah mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro. Jetzt aber plant die Bundesregierung ein noch viel Größeres. Noch vor der Sommerpause am 11. Juli soll das Sondervermögen Infrastruktur verabschiedet werden. 500 Milliarden Euro sind dafür in den kommenden zehn Jahren eingeplant. Schon für den Bundeshaushalt 2025 plant Bundesfinanzminister Lars Klingbeil mit Ausgaben von 37,2 Milliarden Euro, im kommenden Jahr mit 57,9 Milliarden Euro. In nur anderthalb Jahren soll hier also fast so viel Geld fließen wie für die Bundeswehr in fünf Jahren.

Infrastruktur ist anders als Rüstung

Auch dieses Geld wird an Konzerne fließen. Schließlich muss jemand die Straßen bauen, Schienen und Glasfaser-Kabel verlegen, die Hochspannungsleitungen errichten und Tunnel graben, für die das Geld vorgesehen ist. 

Anders als im Rüstungssektor wird sich der Geldfluss hier aber weiter auffächern. Erstens ist das Feld der Infrastruktur weiter als bei der Rüstung. Eine Firma, die auf den Straßenbau spezialisiert ist, kann nicht genauso gut Hochspannungsleitungen oder Batteriespeicher bauen. Wer Schienen verlegt, ist selten im Geschäft mit Glasfaser-Kabeln. Und zweitens gibt es im Bereich der Infrastruktur in Deutschland auch viel mehr Konzerne als bei der Rüstung, wo Rheinmetall und Hensoldt eben die einzigen beiden nennenswerten, börsennotierten Konzerne des Landes sind.

Entsprechend müssen wir die verschiedenen Bereiche der Infrastruktur auch getrennt betrachten bei der Frage, welche Konzerne in den kommenden zehn Jahren davon profitieren werden. Einiges wird auch von der Schwerpunktsetzung der Bundesregierung abhängen, in welcher Reihenfolge sie bestimmte Projekte angehen möchte. Diese Konzerne haben aber gute Chancen, einen zumindest kleinen Rheinmetall-Effekt zu erleben.

Bau- und Infrastruktur

Bevor eine Straße, ein Schienenbett, ein Kanal oder ein Haus gebaut werden kann, braucht es Grundstoffe wie Zement, Beton und Kies. Führend in diesem Bereich in Deutschland ist der Dax-Konzern Heidelberg Materials. Wenig überraschend ist dessen Aktie schon auf dem Vormarsch. Seit vergangenem August hat sich ihr Wert mehr als verdoppelt. Nach Jahren der Stagnation soll der Umsatz bereits dieses Jahr um eine Milliarde Euro auf 22,1 Milliarden Euro steigen (+4,4 Prozent) und der Gewinn um 24 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro.

Erster Ansprechpartner, um besonders Straßen, Schienen, Brücken und Tunnel zu bauen, ist dann Hochtief. Der Essener Konzern hat viele solcher Bundesprojekte bereits in der Vergangenheit übernommen. Dazu gehört etwa der Bau des Elbtunnels in Hamburg oder der Münchner Allianz-Arena. Seit der Bundestagswahl ist die Aktie von Hochtief bereits um 50 Prozent gestiegen. Für dieses Jahr rechnet der Konzern bisher allerdings nur mit leicht steigenden Umsätzen und Gewinnen.

Strabag und Vossloh

Nicht ganz so gut, aber immerhin mit 39 Prozent Plus seit der Bundestagswahl steht die Aktie von Strabag da. Der Wiener Konzern ist oft auch in Deutschland aktiv und hat etwa beim Bau der Allianz-Arena, der ICE-Strecke Erfurt-Leipzig und beim Neubau des Bundesinnenministeriums geholfen.

Zu den größten Profiteuren auf der Schiene gehört Vossloh. Der Bahntechnik-Konzern aus Werdohl im Sauerland verbucht seit Ende Februar bereits ein Aktienplus von 60 Prozent. Vossloh ist einer der wichtigsten deutschen Konzerne für den Bau und die Instandhaltung von Hochgeschwindigkeitsstrecken für Züge, baut aber auch Strecken für Straßen- oder U-Bahnen in Großstädten. Für dieses Jahr rechnet der Konzern damit, seinen Umsatz um 15 und den Gewinn um 30 Prozent zu steigern.

Energieversorgung und Netzausbau

Ein Konzern, der jetzt schon ein Aktienplus von 77 Prozent seit der Bundestagswahl vorweisen kann, ist die Friedrich Vorwerk Group. Sie stammt aus dem kleinen Ort Tostedt in Niedersachsen und hat sich auf den Bau von Leitungen spezialisiert – egal, ob für Erdgas, Wasserstoff, Strom, Fernwärme oder Wasser. Das wird für den Ausbau der Netze in Deutschland noch wichtig werden und so schießen Umsatz und Gewinn auch nach oben. Schon 2024 stiegen die Erlöse gegenüber dem Vorjahr um 34 Prozent, für dieses und die kommenden Jahre sind niedrige zweistellige Zuwachsraten geplant. Beim Gewinn soll es pro Jahr um 15 bis 20 Prozent nach oben gehen.

Neben der kleinen Friedrich Vorwerk Group profitieren hier aber auch die großen deutschen Player. Siemens Energy etwa hat seit der Bundestagswahl ein Kursplus von 66 Prozent. 2024 war der Ableger des großen Mischkonzerns erstmals in den schwarzen Zahlen, von 2024 bis 2026 soll der Reingewinn jetzt von 1,8 auf 3,4 Milliarden Euro fast verdoppelt werden.

Die großen Energieversorger RWE und E.ON könnten zu den Gewinners gehören, wenn sie sich stark auf erneuerbare Energien und den Bau der notwendigen Gaskraftwerke fokussieren. Ihr Aktien stiegen seit der Wahl um 18 beziehungsweise 24 Prozent. Für Umsatz und Gewinn werden hier aber keine großen Sprünge erwartet, weil beide dafür noch zu viel in fossilen Energien investiert sind.

Digitale Infrastruktur

Gleich vier Netzanbieter in Deutschland besitzen ein eigenes 5G-Mobilfunknetz in unterschiedlicher Größe: Die Deutsche Telekom, Vodafone Deutschland, Telefónica Deutschland und 1&1. Alle bieten auch Glasfaser-Tarife für daheim an und müssten daher eigentlich auch vom Infrastruktur-Paket profitieren. Dass sie dies bisher nicht tun, lediglich 1&1 verbucht mit 45 Prozent seit der Wahl ein deutliches Aktienplus – liegt daran, dass die Bundesregierung hier nicht 100 Prozent der Kosten übernimmt, sondern den Ausbau lediglich bezuschusst. Zudem ist dieser wie auch der Betrieb der Mobilfunk- und Glasfasernetze stark reguliert und zwischen den Konzernen herrscht ein starker Konkurrenzkampf.

Klimaschutz

Während es beim Bau, in der Energieversorgung und der digitalen Infrastruktur große Konzerne gibt, an die ein Großteil der Gelder fließen werden, sieht es im Bereich Klimaschutz ganz anders aus. Hier geht es nicht um wenige große Projekte, sondern um viele dezentrale Hürden. Jedes Haus in Deutschland muss energietechnisch auf Vordermann gebracht werden, Ladesäulen für Elektroautos gebaut werden, öffentliche Gebäude saniert werden. Das ist eine Aufgabe für eine Vielzahl kleiner und mittlerer Handwerksbetriebe und Mittelständler, die etwa Wärmepumpen herstellen, Ladesäulen betreiben und Häuser sanieren. 

Auch die Deutsche Bahn sollte langfristig vom Infrastruktur-Sondervermögen profitieren, ist aber nicht frei an der Börse gehandelt, so dass Sie davon als Anleger keinen Vorteil haben. Nichtsdestotrotz sind 100 Milliarden Euro, also ein Fünftel des gesamten Sondervermögens, in diesem Bereich vorgesehen. Davon können statt Großkonzernen auch sie persönlich profitieren, denn einige der Gelder werden in Förderprogramme fließen, mit denen auch Privatleute unterstützt werden – etwa bei energetischen Sanierungen.