„Existenzminimum ist ein Grundrecht“: Ton in Bürgergeld-Debatte verschärft sich
In der Diskussion um die Bürgergeld-Debatte verhärten sich die Fronten. SPD und Grüne wehren sich gegen Forderungen nach dem „Abbau des Sozialstaates“.
Berlin – Die Spitzen der Ampel-Koalition – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) – haben sich wieder einmal die Nacht um die Ohren geschlagen. Doch auch am Tag danach gibt es keine Ampel-Einigung zum Haushalt. Damit bleibt weiter unklar, wie die 60-Milliarden-Lücke im Bundeshaushalt geschlossen werden soll. Zumindest in den Medien weiter im Fokus sind mögliche Einsparungen über das Bürgergeld. Die FDP und CDU wollen die Erhöhung stoppen. Grünen und SPD halten weiter dagegen. Der Ton wird rauer.

FDP und CDU fordern Nullrunde beim Bürgergeld: Es geht um 4,8 Milliarden
Nach dem für die Ampel-Koalition verheerenden Klima-Fonds-Urteil und der folgenden Haushaltssperre, in deren Folge Verbände die Regierung bereits zum schnellen Handeln aufriefen, verschärft sich der Ton in der Debatte um eine Lösung für die 60-Milliarden-Lücke im Bundeshaushalt weiter. Wo ein so großer Posten eingespart werden soll und kann, bleibt die Frage, auf die bisher niemand eine befriedigende Antwort geben konnte. 17 Milliarden Euro muss die Koalition aus SPD, Grünen und FDP allein im Haushalt 2024 einsparen, die deshalb nicht nur über die Schuldenbremse streitet.
Im Kampf um Positionen rückt vor allem die Debatte um vermeintliche „Sozialgeschenke“ in den Medien in den Vordergrund. Gemeint ist die Bürgergeld-Erhöhung, deren Kosten sich auf verhältnismäßig schmale 4,8 Milliarden belaufen werden. Die FDP forderte bereits die Nullrunde beim Bürgergeld.
Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen erklärte gegenüber der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA: „Das Existenzminimum ist ein Grundrecht und muss zu jeder Zeit gesichert sein – auch bei deutlich steigenden Preisen. Da lässt sich nichts aussetzen, da wird nicht gewürfelt, da wird seriös berechnet – nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.“ Sprich: Das Milliarden-Loch im Haushalt darf also gar nicht auf Kosten der Sicherung des Existenzminimums gestopft werden. Audretsch führt aus: „Der Sozialstaat muss verlässlich sein, gerade in schwierigen Zeiten: Einen Abbau des Sozialstaates wird es nicht geben.“
„Moralisch unverantwortlich“: Arbeitsminister sichert Anpassung des Bürgergeldes 2024 zu
Auch die SPD weist die FDP-Forderung nach Bürgergeld-Prüfung entschieden zurück. Die kommenden Erhöhungen seien in gemeinsamer Abstimmung mit der FDP beschlossen worden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) äußerte am Montag, es sei „moralisch unverantwortlich und mit der Verfassung nicht vereinbar“, den Betroffenen eine Anpassung der Regelsätze zu verweigern. „Deutschland ist und bleibt ein sozialer Rechtsstaat. Anstand, Solidarität und Nächstenliebe sind eine Stärke unserer Gesellschaft“, so Heil. Er sicherte die Anpassung der Sätze zu.
Auch Bundeskanzler Scholz schloss in seiner Regierungserklärung am vergangenen Dienstag (28. November) Kürzungen beim Bürgergeld kategorisch aus. Er betonte, dass sich niemand, der Rente, Bürgergeld oder Wohngeld beziehe, Sorgen machen müsse.
„Sozialstaat lebt von Akzeptanz derer, die ihn finanzieren“: FDP will für „vernünftige Lösungen werben“
Pascal Kober, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion wiegelte auf Nachfragen der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA ab: „Wir erleben, dass die Regelungen zum Bürgergeld zu gesellschaftlichen Diskussionen und Verunsicherungen führen, die wir sensibel wahrnehmen und denen wir verantwortungsbewusst begegnen müssen, denn der Sozialstaat lebt von der Akzeptanz derer, die ihn finanzieren“.
Er plädiere dafür, „den Mechanismus nochmals zu überprüfen, um auf die Preissituation zeitnah reagieren zu können. Der jetzige Mechanismus bildet die Entwicklung der Preise erst mit einer größeren Zeitverzögerung ab, was nicht der Weisheit letzter Schluss ist“. Sowohl bei sprunghaften Preisanstiegen als auch bei Preissenkungen greife die jetzige Lösung zu langsam: „Wir werden daher in der Koalition für vernünftige Lösungen werben“, so Kober. „Der jetzige Anpassungsmechanismus beinhaltet die Möglichkeit, dass es zu einer Nullrunde kommen könnte, wenn auch durch die Berücksichtigung der Lohnentwicklung als Teil des Anpassungsmechanismus dies unwahrscheinlich ist“.