Was Ihr Einkommen früher wert war - 1950? 1970? 1990? In diesem Jahr wären Sie mit Ihrem Einkommen reich gewesen

Ab einem Bruttoeinkommen von 113.838 Euro hätten Sie 2023 zu den reichsten Menschen in Deutschland gehört. Ein Jahr zuvor lag diese Grenze mit 115.308 Euro auf dem höchsten jemals erreichten Stand. Gemessen sind beide Werte in der Kaufkraft von 2024, die Inflationsraten seitdem sind also berücksichtigt. Schauen wir mit derselben Logik in die Vergangenheit, zeigt sich, dass früher schon viel geringere Einkommen ausgereicht hätten, um als reich zu gelten. Die 100.000-Euro-Grenze wurde etwa erst 2004 überschritten, zur Jahrtausendwende wären es 96.137 Euro gewesen. 1990, im Jahr der Wiedervereinigung, wären Sie schon mit einem Einkommen von 91.068 Euro im exklusiven Club gewesen. 1980 waren es 81.390 Euro, 1970 nur 60.192 Euro, 1960 reichten 34.515 Euro und 1950 kurz nach dem Krieg sogar nur 19.686 Euro.

Es gibt keine allgemeingültige Definition dafür, ab wann jemand mit seinem Einkommen als reich gilt. Viele Ökonomen und die OECD verwenden die Regel, dass dies der Fall ist, wenn jemand mindestens das Doppelte des Median-Einkommens in einem Land verdient. Das Median-Einkommen ist der Wert, der alle Einkommen in eine reichere und eine ärmere Hälfte teilt. Für dieses gibt es in Deutschland aber keine historischen Werte, für das Durchschnittseinkommen hingegen schon. Letzteres wird immer etwas höher liegen als der Median. Für unsere Geschichte bedeutet das, dass in der Regel schon etwas weniger als die angegebenen Einkommen für Reichtum gereicht hätten, die genannten Summen aber auf jeden Fall.

Mit diesem heutigen Bruttoeinkommen wären Sie in der Vergangenheit reich gewesen
Mit diesem heutigen Bruttoeinkommen wären Sie in der Vergangenheit reich gewesen Christoph Sackmann

Reallöhne wachsen immer langsamer

Die Entwicklung dieser Reichtumsgrenze in Deutschland verdeutlicht also deutlich, wie die Realeinkommen im Land gewachsen sind. Die reale Steigerung der Einkommen ergibt sich aus dem tatsächlichen Anstieg des Gehalts abzüglich der Inflationsrate. Bekommen Sie etwa dieses Jahr eine Gehaltserhöhung von 5 Prozent bei einer Inflationsrate von 2 Prozent, steigt Ihr Einkommen real nur um 3 Prozent. Wichtig: In der Statistik werden die durchschnittlichen Einkommen eines Vollzeit-Angestellten berücksichtigt. Andere Einnahmequellen etwa aus Zinsen, Aktiengewinnen oder Immobilienvermietungen spielen dabei keine Rolle.

Die Realeinkommen wachsen dabei in Deutschland immer langsamer. Die 1950er und 1960er Jahre, die beiden Dekaden des Wirtschaftswunders, sahen auch eine entsprechende Lohnsteigerung für Arbeiter. Im ersten Jahrzehnt nach dem Krieg wuchsen die Realeinkommen im Schnitt um 4,9 Prozent pro Jahr, im zweiten Jahrzehnt sogar um 5,5 Prozent. Ab da ging es rapide bergab. In den 1970er Jahren lag das durchschnittliche Wachstum schon nur noch bei 2,8 Prozent, in den 1980er Jahren waren es 1,2 Prozent. Die 1990er sind ein spezieller Fall, weil ab 1991 erstmals die ostdeutschen Gehälter mitgerechnet wurden. Weil diese im Schnitt deutlich unter dem Westniveau lagen, sank das deutsche Durchschnittseinkommen von 1990 auf 1991 erstmals. Bis zur Jahrtausendwende ergibt sich daraus nur eine minimale Wachstumsrate von 0,5 Prozent pro Jahr.

Die konnte in den beiden Jahrzehnten danach wieder leicht gesteigert werden. In den 2000er Jahren ging es um durchschnittlich 0,6 Prozent nach oben, in den 2010er Jahren um 0,9 Prozent. Das aktuelle Jahrzehnt sind derzeit nicht so prickelnd aus. Geprägt von Krisen wie der Corona-Pandemie und der aus dem Ukraine-Krieg resultierenden Energiekrise sanken die Realeinkommen im Schnitt sogar um 0,02 Prozent pro Jahr. Das wird sich bis 2030 hoffentlich noch ändern.

Mindestlohn wäre 1954 noch Reichtum gewesen

Das heutige Median-Einkommen liegt bei rund 43.000 Euro im Jahr, wobei es auf Grund einer mangelnden Datenlage aktuell nur geschätzt werden kann. Mit einem solchen Bruttoeinkommen wären Sie zuletzt 1963 unter den reichsten Deutschen gewesen. Selbst der heutige Mindestlohn, mit dem Sie im Jahr auf rund 25.500 Euro kommen, hätte noch 1954 Reichtum bedeutet. Für den Staat beginnen Spitzenverdiener heute bei einem Einkommen von etwa 82.000 Euro. Ab dort wird der Spitzensteuersatz fällig und ab dort gehören Sie in etwa zu den reichsten zehn Prozent der Deutschen. Dass es anders gewesen wäre, ist auch schon eine Weile her. 1986, also vor 38 Jahren, hätten Sie damit zuletzt die Reichtumsschwelle überschritten.

In den kommenden Jahren ist trotz andauernder Wirtschaftsflaute wieder von stärker steigenden Einkommen auszugehen. Das liegt an zwei Entwicklungen: Erstens haben viele Arbeitnehmer in den Corona-Krisenjahren auf Gehaltserhöhungen verzichtet und damit einen Großteil der Krise bezahlt. Besonders Gewerkschaften versuchen das seitdem aggressiv mit hohen Forderungen wieder auszugleichen. Dabei kommt ihnen der zweite Punkt zu Gute. Durch den demografischen Wandel fehlt es zunehmend an gut qualifizierten Arbeitskräften in Deutschland. Bei hoher Nachfrage nach diesen und dem gleichzeitig schwindenden Angebot lassen sich talentierte Arbeiter aus dem In- oder Ausland für Konzerne nur mit höheren Gehältern gewinnen – gut für die Erwerbstätigen im Land. Für 2024 notierte das Statistische Bundesamt in den ersten drei Quartalen entsprechend auch bereits Reallohnsteigerungen zwischen 2,9 und 3,8 Prozent. Die Zahlen für das Gesamtjahr sind noch nicht veröffentlicht.