Trotz KI: Diese Jobs gibt es auch in Zukunft

Die Welt steht am Beginn eines tiefgreifenden Wandels. Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) verändert nicht nur unsere Technologien – sie krempelt ganze Branchen um. Bildung, Gesundheit, Verwaltung, Handwerk, Gastgewerbe, Verkehr: Kaum ein Sektor bleibt unberührt. Doch was bedeutet das für unsere Arbeitsplätze, unsere Wirtschaft - und für uns alle?

KI ist in der Praxis längst Realität

KI ist keine Zukunftsvision mehr, sondern Teil unseres Alltags. Große Sprachmodelle wie ChatGPT verfassen komplexe Texte, führen Gespräche, analysieren Daten und unterstützen kreative Prozesse. Generative KI entwirft Bilder, simuliert Szenarien und hilft bei Produktdesign und Content-Erstellung. Gleichzeitig übernehmen Roboter zunehmend Aufgaben, die noch vor wenigen Jahren als zu kompliziert galten. Dank Edge-Computing reagieren KI-Systeme heute in Echtzeit - dezentral, schnell und skalierbar.

Wirtschaftlich ist der KI-Boom deutlich spürbar: Unternehmen investieren Milliarden, Start-ups sprießen, Tech-Giganten liefern sich ein Wettrennen. Doch mit der Euphorie wachsen die Herausforderungen – denn standardisierte Tätigkeiten werden zunehmend automatisiert. Erste Jobs verschwinden bereits.

Über Matthias Weik

Unser Gastautor Matthias Weik befasst sich seit über zwei Jahrzehnten mit den Themen Finanzen, Wirtschaft und KI. Er zählt seit Jahren, mit sechs Bestsellern in Folge, zu den verlässlichsten Bestseller-Autoren im Bereich Wirtschaft und Finanzen. Im Jahr  2023 erschien sein jüngstes Buch „Die Abrechnung“

Matthias Weik bezeichnet sich selbst nicht als Pessimist, Optimist, sondern als Realist. Website: www.matthias-weik.com

Die Verlierer der ersten Welle

Die Automatisierung ist keine Zukunftsvision mehr – sie findet mitten unter uns statt. In immer mehr Branchen übernehmen Maschinen und Algorithmen Aufgaben, die bisher von Menschen erledigt wurden. 

Bildung: Vom Lehrer zum Lernalgorithmus

Im Bildungsbereich zeigt sich der Wandel besonders deutlich bei Tätigkeiten auf einfachem Niveau. Klassische Nachhilfe, etwa für Schülerinnen und Schüler der Unterstufe, wird zunehmend durch KI-basierte Lernplattformen ersetzt. Eine davon ist die „Khan Academy“. Diese Systeme analysieren Lernstände, geben individuelles Feedback und sind rund um die Uhr verfügbar – kostengünstiger und skalierbarer als menschliche Tutorinnen und Tutoren. 

Auch der Bedarf an Übersetzungs- und Recherchediensten in Bibliotheken nimmt bereits ab. Maschinelle Übersetzer wie Deepl liefern inzwischen in Sekunden brauchbare Ergebnisse, KI-gestützte Suchsysteme finden Informationen schneller auf als menschliches Personal.

Gesundheit: Diagnose aus der Cloud

Im Gesundheitswesen hat die KI bereits erste Routineaufgaben übernommen. Medizinische Transkriptionen, früher die Aufgabe von Schreibkräften, werden von Sprach-KIs wie DeepScribe oder Nuance Dragon Medical One präzise und schnell erledigt. 

Versicherungen lassen einfache Schadensfälle zunehmend automatisiert prüfen – Anträge werden in Sekundenschnelle analysiert und bearbeitet. Auch in Kliniken ersetzt die optische Texterkennung (OCR) die manuelle Dateneingabe. Klassische Erfassungsjobs entfallen – der Mensch kontrolliert nur noch, während Maschinen die Vorarbeit leisten. 

KI-Systeme analysieren auch medizinische Bilddaten: Werkzeuge wie Lunit oder Aidoc erkennen Tumore, Gefäßverengungen oder Knochenbrüche oft schneller als das menschliche Auge. In der Dermatologie identifizieren Algorithmen Hautveränderungen, in der Augenheilkunde Netzhautschäden bei Diabetes. Assistenzsysteme unterstützen bei Diagnosen, bewerten Symptome und prüfen Wechselwirkungen von Medikamenten. Chatbot-basierte Symptom-Checker wie Ada Health oder Babylon Health liefern erste Einschätzungen – ganz ohne Arztkontakt. In der Pflege übernehmen KI-Plattformen die Dienstplanung und das Ressourcenmanagement, prognostizieren Risiken wie Stürze und optimieren Abläufe. In der Rehabilitation und Altenpflege helfen Roboterassistenten bei der Mobilisierung, dem Medikamentenmanagement und der Kommunikation.

Die Rolle des Menschen verlagert sich: weg von Dokumentation und Routine, hin zu überwachenden, interpretierenden und empathisch betreuenden Aufgaben.

Verwaltung: Das Amt ohne Menschen

Auch Behörden werden vermehrt auf Automatisierung setzen. Die Bearbeitung von Formularen, Anträgen oder internen Verwaltungsprozessen läuft vielerorts bereits über Robotic Process Automation (RPA). Ämter nutzen Chatbots für einfache Auskünfte – etwa zu Steuererklärungen, Führerscheinen oder Sozialleistungen. Selbst Baugenehmigungen, Meldebescheinigungen und Elterngeldanträge können digital und ohne menschliches Zutun bearbeitet werden. Bei der Terminvergabe, der Dokumentenprüfung und der Bearbeitung von Bußgeldern werden zunehmend automatisierte Systeme zum Einsatz kommen, der klassische Bürgerservice wird durch digitale Schnittstellen ersetzt.

Handarbeit und Landwirtschaft: Maschinen auf dem Vormarsch

In Produktionsbetrieben übernehmen heute schon Roboterarme monotone Tätigkeiten wie Schweißen, Schrauben oder Verpacken – mit hoher Präzision und rund um die Uhr. In Lagerhallen bewegen sich autonome Fahrzeuge und intelligente Sortiersysteme, die einfache Lagerarbeiter überflüssig machen. In der Landwirtschaft ersetzen Drohnen die menschliche Feldüberwachung: Sie erkennen Schädlingsbefall, kontrollieren die Bodenfeuchte und koordinieren Erntetermine. Selbstfahrende Traktoren können die Feldarbeit übernehmen. Auf dem Bau drucken 3D-Drucker schon bald erste Gebäudeteile. Der Bedarf an menschlicher Arbeitskraft sinkt – oder verlagert sich in techniknahe Wartungsbereiche.

Gastgewerbe: Der Mensch am Empfang stirbt aus

Sogar Hotels und Gastronomiebetriebe werden an vielen Stellen automatisieren. Check-in und Check-out erfolgen über Selbstbedienungskioske oder per App, ohne Kontakt zum Personal. Chatbots beantworten Fragen, nehmen Reservierungen entgegen und ersetzen Callcenter-Mitarbeitende. Auch in der Küche vollzieht sich ein Wandel: Intelligente Spül- und Zubereitungsmaschinen übernehmen Aufgaben, die bisher von Küchenhilfen erledigt wurden. Klassische Berufsbilder verschwinden still und leise im Hintergrund.

Transport: Automatisierung auf Achse

Im Verkehrssektor wird der Wandel besonders deutlich. Mautstellen rechnen heute schon weitgehend automatisch ab- das Personal dafür ist vielerorts bereits verschwunden. Taxifahrer konkurrieren bereits mit KI-gestützten Ride-Sharing-Plattformen wie Uber, die Fahrzeuge und Fahrgäste nahezu in Echtzeit zusammenbringen. In San Francisco sind die autonomen Robotaxis der Waymo-Flotte schon Alltag. Lieferdienste werden auf autonome Fahrzeuge und Lieferroboter setzen. 

Ein autonomes selbstfahrendes Taxi von Waymo fährt am Venice Beach entlang.
Ein autonomes selbstfahrendes Taxi von Waymo fährt am Venice Beach entlang (Symbolbild) Getty Images

Für Lkw-Fahrer zeichnet sich ein besonders dramatischer Umbruch ab: Autonome Lkw werden auf Langstrecken bereits getestet – mit dem Ziel, den Menschen ganz aus dem Führerhaus zu verdrängen. Auf US-Highways wo meist konstante Geschwindigkeiten gefahren werden, könnte das noch schneller gehen als in Europa.

Steuerfachangestellte und Buchhalter sehen sich zunehmend durch automatisierte Steuer- und Finanzsoftware bedroht. Auch Steuerberater und Juristen müssen sich auf tiefgreifende Veränderungen einstellen, denn KI-Systeme erstellen schon heute einfache Verträge, Schriftsätze und Steuererklärungen.

Selbst Programmierer sind nicht automatisch auf der sicheren Seite: Low-Code- und No-Code-Plattformen sowie generative KI-Tools wie GitHub Copilot automatisieren erste Codierungsprozesse. Webdesigner sehen sich mit KI-Systemen konfrontiert, die Websites in Minuten vollautomatisch generieren. Und im klassischen Büro verschwinden Sekretariats- und Assistenzstellen, weil KI-gestützte Terminplanung, E-Mail-Verwaltung und Textproduktion die Aufgaben effizient übernehmen.

Die KI-Revolution ist kein Nischenphänomen mehr. Sie trifft den Kern unserer Arbeitswelt. Und sie zwingt uns alle, uns neu zu erfinden.

Hier bieten sich Chancen

Trotz aller Automatisierung stehen nicht alle Berufe vor dem Aus. Im Gegenteil: Je mehr Künstliche Intelligenz (KI) unseren Alltag durchdringt, desto deutlicher werden ihre Grenzen. Empathie, Kreativität, moralisches Urteilsvermögen und zwischenmenschliche Sensibilität sind Eigenschaften, die die fortschrittlichste Maschine nicht ersetzen kann. Genau hier beginnt das neue Berufsfeld des Menschen.

Besonders sichere Perspektiven bieten Tätigkeiten, bei denen Menschen mit Menschen arbeiten – etwa in der Pflege, im Bildungsbereich oder in der Psychotherapie. Kreative Berufe wie Design, Kunst oder Regie erleben keinen Niedergang, sondern eine Weiterentwicklung. Wer mit KI arbeitet, statt sich von ihr bedroht zu fühlen, erschließt sich neue Ausdrucksmöglichkeiten und kreative Werkzeuge.

Eine Zukunft haben ebenfalls alle Tätigkeiten, die strategisches Denken, ethisches Bewusstsein und Verantwortung erfordern – sei es in der Unternehmensführung, in der Politik, im Datenschutz oder in der Krisenkommunikation. Dort entstehen völlig neue Berufsbilder, wo Mensch und Maschine Hand in Hand arbeiten: KI-Trainer, Robotik-Wartungsexperten, Datenethiker oder hybride Projektmanager gehören zur neuen Arbeitsrealität.

Der technologische Umbruch bedeutet also nicht nur den Verlust von Arbeitsplätzen - er schafft auch neue Chancen. Diese erfordern allerdings andere Qualifikationen: technologische Kompetenz gepaart mit menschlicher Intelligenz. In der Bildung sind Lehrer künftig vor allem als Lernbegleiter gefragt, unterstützt durch KI-gestützte Stundenpläne. Gleichzeitig entstehen neue Rollen wie die des Ethikberaters für den verantwortungsvollen Einsatz von KI in Schulen.

Im Gesundheitswesen wandelt sich das Berufsbild: Radiologen und Pathologen arbeiten mit KI zur Diagnoseunterstützung, virtuelle Gesundheits-Coaches begleiten Patientinnen und Patienten digital und die roboterassistierte Chirurgie braucht spezialisierte Assistenten. 

Auch klassische Branchen verändern sich. In Industrie und Landwirtschaft entstehen Berufe wie der Robotik-Wartungstechniker, Bediener von KI-gesteuerten Maschinen oder Manager für Mensch-Roboter-Kollaboration. Im Gastgewerbe werden Customer Experience Designer oder Supervisor für Serviceroboter benötigt. Und im Transportwesen sind neue Rollen wie Remote Driver, Verkehrsfluss-Optimierer oder Manager autonomer Fahrzeugflotten gefragt.

Wer offen für Entwicklungen bleibt, wird in dieser neuen Arbeitswelt nicht nur bestehen, sondern sie mitgestalten.

Was dafür nötig ist – Forderungen an die Politik

Die KI-Revolution schreitet schneller voran, als viele staatliche Strukturen mithalten können. Umso wichtiger ist eine vorausschauende, koordinierte und sozial ausgewogene Digitalpolitik.

An erster Stelle stehen gezielte Investitionen in Bildung und Weiterbildung: Schulen, Hochschulen und Berufsbildungseinrichtungen müssen flächendeckend modernisiert werden – technisch, methodisch und inhaltlich. Wir brauchen ein neues Grundverständnis von digitaler Mündigkeit: Programmieren, Datenverständnis und KI-Kompetenz sollten bereits in der schulischen Ausbildung verankert werden.

Gleichzeitig müssen Umschulungs- und Qualifizierungsangebote massiv ausgebaut werden – vor allem für jene Berufsgruppen, die von der Automatisierung am stärksten betroffen sind. Diese Angebote müssen niedrigschwellig, staatlich gefördert und in enger Kooperation mit den Unternehmen gestaltet werden.

Ein zentraler Hebel ist die Reform der sozialen Sicherungssysteme. Wer durch KI seinen Arbeitsplatz verliert, darf nicht in existenzielle Unsicherheit fallen. Sei es durch ein modernisiertes Arbeitslosengeld, Weiterbildungsstipendien oder – mittelfristig – ein bedingungsloses Grundeinkommen: Die soziale Sicherung muss mit dem technologischen Wandel Schritt halten.

Zudem braucht es klare rechtliche Leitplanken: für Datenschutz, algorithmische Transparenz, Diskriminierungsfreiheit und den Schutz vor Missbrauch von KI in sensiblen Bereichen wie Justiz, Medizin und Verwaltung. KI darf kein rechtsfreier Raum sein - sie muss demokratisch kontrolliert werden.

Nicht zuletzt muss der Staat seine eigene Innovationskraft stärken – durch gezielte Förderung von Forschung, Start-ups und öffentlichen KI-Anwendungen, die einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen, etwa in den Bereichen Bildung, Mobilität oder Sicherheit.

Was dafür nötig ist – Forderungen an die Unternehmen

Künstliche Intelligenz darf nicht nur ein Rationalisierungsinstrument sein, sondern muss als strategisches Werkzeug zur Zukunftssicherung verstanden werden. Wer heute nur an Kostensenkung denkt, verliert morgen seine Wettbewerbsfähigkeit.

Zentrale Aufgabe ist die gezielte Weiterentwicklung der Mitarbeiter. Es braucht interne Weiterbildung, adaptive Lernplattformen und aktive Lernzeit für die Mitarbeiter, gepaart mit finanziellen Anreize. Wer diese Prozesse frühzeitig einleitet, schafft nicht nur Loyalität, sondern auch Innovationskraft.

Umschulungen und Talentmobilität innerhalb des Unternehmens sollten zur Selbstverständlichkeit werden. Beschäftigte, deren Tätigkeiten wegfallen, können durch gezielte Programme für neue, techniknahe Rollen qualifiziert werden – etwa als Datenanalysten, KI-Trainer oder Systemadministratoren.

Unternehmen müssen klare ethische Leitlinien für den Einsatz von KI entwickeln und kommunizieren. Transparenz, Fairness und Nichtdiskriminierung sollten nicht nur Marketingslogans sein, sondern operativ verankert: durch interne Ethikgremien, unabhängige Audits und eine offene Fehlerkultur.

Cybersicherheit und Datenschutz rücken ins Zentrum unternehmerischer Verantwortung. Je mehr Daten Unternehmen generieren und auswerten, desto größer wird die Angriffsfläche. Investitionen in moderne Sicherheitssysteme, Verschlüsselung, Zugriffsmanagement und Datenschutzschulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind keine Option, sondern eine unternehmerische Notwendigkeit.

Schließlich sollten Unternehmen KI nutzen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln: personalisierte Produkte, intelligentere Dienstleistungen, ressourcenschonendere Prozesse. Wer KI nutzt, um echten Mehrwert zu schaffen – für Kunden, Mitarbeitende und die Gesellschaft – wird zu den Gewinnern des digitalen Wandels gehören.

Meine Forderung an Sie

Die wichtigste Währung der Zukunft heißt Anpassungsfähigkeit. Wer auf dem Arbeitsmarkt bestehen will, braucht technisches Grundverständnis, Kreativität, Problemlösungskompetenz und strategisches Denken. Lebenslanges Lernen ist keine Option mehr – es ist Pflicht.