Ein internes FDP-Schreiben zeigt: Bei der Ukraine-Politik hat die Ampel höchst konträre Positionen. Scholz scheint bestimmte Reizwörter vermeiden zu wollen.
Berlin – Dass die Gräben zwischen den Ampel-Parteien FDP, SPD und Grüne tief sind, ist bekannt – wie tief, das zeigt jetzt ein internes Papier der FDP. Diesmal geht es nicht um kontroverse innenpolitische Themen wie Wirtschaftspolitik oder Migration, sondern um den Ukraine-Krieg – und die Frage, wie forsch man gegenüber Russlands Machthaber Wladimir Putin auftritt.
Das FDP-Papier, das offenbar der Bild zugespielt wurde, listet einen Konfliktpunkt zur Ukraine-Politik nach dem anderen auf. Konkret geht es in dem internen Schreiben um einen gemeinsamen Antrag der Ampel-Fraktionen zur Unterstützung der Ukraine, über den diese Woche der Bundestag abstimmen soll. Das FDP-Papier zeigt, dass bei der Formulierung des Antragstextes speziell die Kanzlerpartei SPD und die FDP teils meilenweit auseinanderlagen. Bemerkenswert: In den meisten Punkten hat sich offenbar der kleinste Koalitionspartner FDP durchgesetzt.
Ampel-Antrag zur Ukraine: SPD wollte offenbar keine Kritik an Russland-Politik zulassen
Einer der Konfliktpunkte der Ampel-Parteien war demnach: Darf im gemeinsamen Antrag die Russland-Politik der vergangenen Jahren und Jahrzehnten kritisiert werden, Stichwort: Kuschelkurs gegenüber Putin? Die FDP schreibt dazu laut Bild, dass die SPD „keinerlei Kritik“ am deutschen „Unterstützungsverhalten“ zulassen wollte „ebenso wenig wie Fehlverhalten einräumen im Nachgang zur Krim-Annexion vor 10 Jahren“.
Mit anderen Worten: Scholz‘ SPD wollte es nicht schwarz auf weiß haben, dass Putin immer noch massiv unterschätzt worden war, nachdem er 2014 völkerrechtswidrig die ukrainische Halbinsel Krim überfallen hatte. Damals regierte eine Große Koalition aus Union und SPD unter Angela Merkel. Genauso wenig wollte die SPD offenbar das Ziel im Antrag stehen haben, dass die Ukraine die Krim von der russischen Besatzung befreit: „SPD wollte nicht explizit die Befreiung der Krim nennen“, heißt es laut Bild im internen FDP-Schreiben.
Bei beiden Themen hat sie die FDP offenbar durchgesetzt. Im Antragsentwurf heißt es nun: „Der Putinsche Imperialismus wurde jahrelang unterschätzt. Es war ein Fehler, dass sich Deutschland nicht ausreichend von Putins Regime distanziert hat.“ Und: Es gelte, die Ukraine zu befähigen, „die besetzten Gebiete einschließlich der Krim zu befreien“.
Muss die Ukraine den Krieg gewinnen? Scholz-Zaudern ist wieder Konfliktpunkt
Nächste Differenz: Die FDP wirft der SPD vor, sie habe sich geweigert, „in irgendeiner Form davon zu sprechen“, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland „gewinnen“ müsse. Zur Erinnerung: Kanzler Scholz vermeidet seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs weitgehend, explizit von einem Sieg der Ukraine zu sprechen. Stattdessen betont er stets, Russland dürfe den Krieg nicht gewinnen und die Ukraine dürfe ihn nicht verlieren.
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Obwohl das wie Wortklauberei klingt, legt Scholz darauf offenbar immer noch großen Wert – womöglich auch aus gutem Grund. Doch diesmal behielten offenbar die Liberalen die Oberhand: „Für den Frieden in Europa und darüber hinaus ist es essenziell, dass die Ukraine diesen Verteidigungskampf gewinn“, heißt es jetzt im Antrag.
Weiterer Vorwurf der FDP: Die SPD habe nicht zulassen wollen, dass in dem Antrag explizit steht, „dass nur eine militärische Lösung zur vollständigen Wiederherstellung der territorialen Integrität und Souveränität führen kann“. Auch hier saßen dann aber wohl die Grünen und die FDP am längeren Hebel. Im Antrag steht: „Nur die militärische Selbstbehauptung der Ukraine wird Russland dazu bringen, seine völkerrechtswidrige Aggression zu beenden.“
Taurus-Lieferungen an Ukraine: Scholz‘ schwammige Aussagen setzten sich durch
In einem Punkt bleibt der gemeinsame Antrag der Ampel-Fraktionen zur Ukraine allerdings so schwammig wie offenbar von Scholz‘ SPD gewünscht: hinsichtlich der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Das Wort „Taurus“ fällt in dem Antrag nicht - das hat wohl die SPD unter Kanzler Scholz erfolgreich verhindert. Stattdessen ist in dem Ampel-Antrag von „weitreichenden Waffensystemen“ für die Ukraine die Rede. Dass damit implizit Taurus-Marschflugkörper gemeint sind, ist wohl jedem klar – wie auch der Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter dem Spiegel bestätigte.
Dass das Wort dennoch nicht fallen soll, machte die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann so sauer, dass sie nun im Bundestag gemeinsam mit der Union für deren Antrag zu Taurus-Lieferung an die Ukraine stimmen will. „Es fehlt für mich ein Wort zur absoluten Richtigkeit: Taurus. Deshalb votiere ich auch für den Antrag der Union in dieser Woche“, sagte sie am Mittwoch (21. Februar) im Interview mit dem Münchner Merkur.
Scholz weigert sich, Taurus an Ukraine zu liefern – FDP findet das „unfassbar“
Scholz weigert sich seit Monaten, die von der Ukraine so heiß ersehnten Taurus-Raketen zu liefern – unter anderem mit der Begründung, Deutschland müsse der Ukraine dafür auch Geo-Daten zur Verfügung stellen. Ein Argument, das die CDU als Ausrede abtut – und auch FDP-Politikerin Strack-Zimmermann hatte bereits im Oktober 2023 erklärt, das Verhalten des Kanzlers hinsichtlich der Taurus-Lieferungen sei „unfassbar“. „Trotz gehört in den Kindergarten, nicht ins Kanzleramt“, schrieb sie damals auf X (vormals Twitter).
Ob die Regierung die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper beschließt, wird sich womöglich noch diese Woche herausstellen. Der Grünen-Politiker Hofreiter formulierte seine Erwartung im Spiegel ganz klar: „Die Konsequenz dieses Antrags kann nur sein, dass er den Taurus freigibt.“ Kanada rang sich ebenfalls zu neuen Waffenlieferungen durch: Das Land stellt der Ukraine 800 hochmoderne Drohnen zur Verfügung. (smu)