Erst war Freude, jetzt die Sorge – der Euro-Schlingerkurs der EZB
US-Präsident Donald Trump kann zufrieden sein: Er wollte einen schwächeren Dollar – und den hat er bekommen. Im ersten Halbjahr verlor die US-Währung gegenüber anderen Währungen so stark an Wert wie seit 1973 nicht. Das verbessert tendenziell die Exportchancen der US-Industrie, die Trump im Blick hat. Auch gegenüber dem Euro ging es nach unten. Seit Jahresanfang liegt das Minus bei mehr als 13 Prozent. Ein Euro kostet inzwischen 1,17 US-Dollar.
Begleitet wird die Abwertung von Diskussionen über die künftige Rolle des Dollar: Wird seine Bedeutung abnehmen? Kann er seinen Status als Weltleitwährung und „sicherer Hafen“ in Krisenzeiten behalten? Oder sehen wir gerade die Anfänge einer fundamentalen Neuordnung des internationalen Währungssystems?
Über den Autoren
Clemens Schömann-Finck ist Finanz-Experte und steht hinter dem Youtube-Kanal "René will Rendite". Bei FOCUS online beleuchtet er aktuelle Themen rund um Börse und Geldanlage. Abonnieren Sie hier seinen Newsletter für mehr Finanz-Infos.
Traum von der neuen Welt-Leitwährung
EZB-Chefin Christine Lagarde sieht bereits die Chance, dass der Euro künftig eine größere Rolle spielt. In einer Rede Ende Mai sprach sie davon, dass sich gerade die Tür zu einem „globalen Euro-Moment“ öffne: „But moments of change can also be moments of opportunity. The ongoing changes create the opening for a ,global euro moment’.”
Erst einmal hält sich bei den Währungshütern aber die Begeisterung für die neue Attraktivität des Euros in Grenzen. Die EZB stört dabei weniger die absolute Höhe des Wechselkurses – der Euro stand zum Dollar schon deutlich höher –, als vielmehr die Geschwindigkeit der Aufwertung. Es sind vor allem schnelle und ausgeprägte Wechselkursbewegungen, die etwa Unternehmen in ihrer Planungssicherheit beeinträchtigen können und daher realwirtschaftlich relevant werden. EZB-Vize Luis de Guindos nannte am Rande des Treffens der Euro-Währungshüter in Sintra sogar ein konkretes Wechselkursniveau: Ein Kurs über der Marke von 1,20 Dollar je Euro wäre „problematisch“. Der Portugiese geht damit ein gefährliches Wagnis ein. „De Guindos hat mit dem Hinweis auf die 1,20-Marke eine ziemlich klare rote Linie gezogen“, schrieb die Commerzbank in einem Kommentar. „Das Problem mit Grenzen: Diese werden gerne ausgetestet.“
EZB fordert die Spekulanten heraus
Die große Frage ist: Was macht die EZB, wenn der Kurs immer weiter steigt? Wenn der Euro-Dollar-Kurs die Marke von 1,20 Dollar je Euro alsbald brechen würde, würde der Markt gespannt darauf warten, wie die EZB darauf reagiert. Bleibt sie tatenlos, könnte der Euro umso stärker aufwerten. Senkt sie als Reaktion darauf ihre Zinsen – Devisenmarktinterventionen sind aufgrund eines G20-Abkommens ausgeschlossen –, könnte dies die Aufwertung zwar initial bremsen. Aber eine deutliche Abwertung gegenüber dem Dollar würde das wohl kaum bewirken. Denn jeder weiß, dass die Notenbank den Leitzins nicht unendlich senken kann.
Dazu kommt: Die Euro-Aufwertung hat nichts mit der Geldpolitik in Europa zu tun, sondern in erster Linie mit der Politik im Weißen Haus. Sie ist es vor allem, die den Dollar belastet. Wie weit der Kurs also noch steigt, hängt maßgeblich davon ab, was Trump noch alles plant. Und darauf haben Lagarde und ihre Kollegen keinen Einfluss.
Ist der Status als Welt-Leitwährung wirklich erstrebenswert?
Die Sorge über die Aufwertung relativiert auch etwas Lagardes Traum vom Euro als neuer Weltleitwährung. Die Welt-Leitwährung zu stellen, ist zwar mit Privilegien verbunden. Tendenziell sind wegen der damit verbundenen erhöhten Nachfrage zum Beispiel die Finanzierungskosten für Staaten und Unternehmen geringer. Aber genau die steigende Nachfrage nach Euros kann auch zum Problem werden: Dann nämlich besteht ein permanenter Aufwertungsdruck, vor allem in Krisenzeiten, wenn die Investoren in den „sicheren Hafen“ flüchten. Die Schweizer Notenbank kann ein Lied davon singen.
Der Dollar als Welt-Leitwährung funktioniert deshalb so gut, weil die USA dauerhafte Leistungsbilanzdefizite fahren. Sie beziehen mehr Waren aus dem Ausland als sie selber exportieren. Dadurch ergibt sich ein beständiger Fluss von Dollars ins Ausland. Er verhindert eine Knappheit im Rest der Welt, die ständig mehr von der Welt-Leitwährung benötigt. Wäre hingegen morgen der Euro Weltleitwährung und der Euroraum hätte weiterhin (aus strukturellen Gründen, die nicht so schnell zu ändern sind) Leistungsbilanzüberschüsse, entstünde im Rest der Welt eine Euro-Knappheit. In der Folge würde der Euro aufwerten – weit mehr, als aus heimischer Sicht gerechtfertigt wäre.
Die EZB sollte sich also gut überlegen, ob der Status als Welt-Leitwährung für den Euro wirklich erstrebenswert ist. Dieses Privileg hat seinen Preis. Die jetzige Sorge um die schnelle Aufwertung könnte da nur ein erster Vorgeschmack sein.
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