Europa wittert seine Chance: Der beispiellose Absturz des Dollars unter Donald Trump

Minus zehn Prozent – es ist eine fast beispiellose Abwertung, die der Dollar in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gesehen hat. Das letzte Mal, dass der Dollar so einen Wertverfall gegenüber den wichtigsten anderen Währungen widerfahren ist, war 1973, nachdem sich die USA zwei Jahre zuvor vom Gold-Standard abgewendet hatten. Gegenüber dem Euro fiel der Dollar zum Beispiel von 1,03 auf 1,18 Dollar je Euro seit Jahresanfang.

US-Präsident Donald Trump dürfte zufrieden sein. Ihn stört schon lange die hohe Bewertung der amerikanischen Währung. Er sieht sie als Benachteiligung der heimischen Firmen. Eines seiner Ziele war und ist es, den Dollar zu schwächen. 

Dollar Wertverfall
Der Dollar hat deutlich an Wert verloren New York Times

Die ausländische Konkurrenz trifft der Wertverlust jetzt doppelt: Einmal verteuern sich die Exporte in die USA durch die Zölle und dann noch einmal durch die Wechselkurseffekte. Auch Anleger aus dem Nicht-Dollar-Raum leiden. Die Aufwertung ihrer Währung frisst einen Teil der Kursgewinne der amerikanischen Aktien auf. Während der S&P 500 in Dollar gerechnet vor kurzem ein neues Allzeithoch erreicht, ist er in den anderen Währungen noch ein gutes Stück davon entfernt.

Index
In Dollar gerechnet ist der S&P 500 auf einem neuen Allzeithoch, in vielen anderen Währungen nicht Bloomberg

Misstrauen gegenüber dem Dollar

Trump sollte sich aber nicht zu sehr über die Abwertung freuen. Was dahintersteckt, kann ihm eigentlich nicht gefallen. Denn der Wertverlust ist Ausdruck eines wachsenden Misstrauens der Investoren gegenüber den USA. Die Rolle des Dollars als Weltleitwährung und sicherer Hafen wird zunehmend in Frage gestellt. Investoren fragen sich, wie verlässlich die USA noch sind. Die ruppige Wirtschaftspolitik, die ausufernde Staatsverschuldung, die Attacken gegen die Unabhängigkeit der Fed und die Aushöhlung des Rechtssystems lassen die Zweifel wachsen, wie sicher noch Investitionen in die USA sind. Die inzwischen gestrichene „Section 899“, die ermöglicht hätte, auf ausländisches Kapital eine Art „Rachesteuer“ zu erheben, zeigte exemplarisch, was inzwischen alles denkbar ist.

Über den Autoren

Clemens Schömann-Finck ist Finanz-Experte und steht hinter dem Youtube-Kanal "René will Rendite". Bei FOCUS online beleuchtet er aktuelle Themen rund um Börse und Geldanlage. Abonnieren Sie hier seinen Newsletter für mehr Finanz-Infos.

Die Folgen aus der Abwertung und dem Vertrauensverlust könnten daher für die USA gravierend sein. Das Land ist auf den Zufluss ausländischen Kapitals angewiesen, um seine Defizite zu finanzieren. Sollten sich Investoren überlegen, lieber anderswo anzulegen oder sogar ihr Geld abzuziehen, bekommt Amerika ein Problem. Es könnte damit zum Beispiel für die USA deutlich schwieriger und teurer werden, ihre Schulden zu finanzieren, wenn die Nachfrage aus dem Ausland fehlt.

Chance für den Euro

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), sieht in diesem Umfeld eine Chance für den Euro, seine Bedeutung zu erhöhen. „Momente des Wandels können auch Momente der Möglichkeiten sein“, sagte sie Ende Mai in einer Rede. „Die laufenden Veränderungen können die Chance für einen ,globalen Euro-Moment‘ eröffnen.“ Lagarde sieht darin viele Vorteile für die Länder des gemeinsames Währungsraums wie etwa niedrigere Zinsen durch die wachsende Nachfrage nach Euro-Staatsanleihen oder auch weniger Wechselkurs-Risiken, wenn die Unternehmen ihre Geschäfte außerhalb Europas in Euro abwickeln können. 

Allerdings müsste noch mehr passieren außer eines angeschlagenen Dollars, damit dieses Szenario möglich wird. Um ein Bespiel zu nennen: Der amerikanische Finanzmarkt ist der größte der Welt. Die Eurozone wäre durch ihre zersplitterte Struktur kaum in der Lage, große Zuflüsse aufzunehmen. Investoren müssten ihr Geld auf deutsche, französische, finnische usw. Anleihen verteilen, weil das Angebot nicht ausreichend ist. Das klingt wenig praktikabel. 

Lagarde verweist in ihrer Rede selbst darauf: „Europa stellt nicht genügend sichere Anleihen bereit: Ausstehende Staatsanleihen mit einem Rating von AA oder besser machen nur 50 Prozent des BIP der EU aus, in den USA sind es über 100 Prozent.“ Nur eine stärkere Integration des europäischen Kapitelmarkts mit Eurobonds würde die nötige Voraussetzung dafür schaffen. Das Interesse der Mitgliedsländer daran ist zurzeit äußerst gering.

Auch muss sich erst noch zeigen, ob die wirtschaftliche Erholung in Europa stark genug ist, um ein attraktives Investitionsumfeld zu bieten. Wichtige Reformen müssen dafür umgesetzt werden von Bürokratieabbau bis Digitalisierung. Auch hier tut sich seit Jahren nicht viel.

Der Dollar mag zwar in einer Krise stecken. Für einen Abgesang ist es aber noch zu früh.

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