Deutsche unzufriedener und gestresster als Bürger in Nachbarländern – eine Belastung für die Wirtschaft

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Rekordverdächtiger Anstieg bei Krankmeldungen in Deutschland, besonders bei psychischen Erkrankungen. Könnte der Krankenstand für die schlechte Wirtschaftslage in Deutschland verantwortlich sein?

Hamburg – Rekord bei den Krankmeldungen in Deutschland im ersten Halbjahr 2024. Schon letztes Jahr verzeichnete die DAK-Gesundheit bei den Krankenständen in Deutschland den höchsten Wert seit zehn Jahren. Besonders auffällig ist ein starker Anstieg bei den psychischen Erkrankungen. Klar ist, mehr Krankenstände führen auch zu weniger Arbeitsleistung – das wirkt sich auch auf die Wirtschaft aus.

„Anstieg ist besorgniserregend“: Deutsche sind so oft krank wie noch nie

Insgesamt betrug der Krankenstand in der ersten Hälfte des Jahres 5,7 Prozent, was über dem Vorjahreswert von 5,5 Prozent liegt. Laut der Analyse waren von Januar bis Dezember täglich im Durchschnitt 57 von 1.000 Arbeitnehmern krankgeschrieben. Auffallend ist der starke Anstieg bei den Fehltagen aufgrund von Depressionen oder Anpassungsstörungen: Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet die DAK-Gesundheit hier einen Anstieg um 14,3 Prozent.

In der ersten Hälfte des Jahres 2024 verursachten psychische Erkrankungen wie Depressionen und Anpassungsstörungen rund 182 Fehltage pro 100 Versicherte, im Vergleich zu etwa 159 Fehltagen im gleichen Zeitraum des Jahres 2023. Psychische Erkrankungen kommen dabei bei weiblichen Beschäftigten öfter vor: 21 Prozent zu 14,5 Prozent bei Männern.

„Der weitere Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen ist besorgniserregend“, meint DAK-Vorstandschef Andreas Storm. „Die Beschäftigten in Deutschland stehen in diesen Krieg- und Krisenzeiten weiterhin unter Druck, was sich auch beim Krankenstand zeigt. Arbeitgeber sollten Stress und mögliche Belastungen in den Fokus rücken und sich verstärkt mit Fragen der psychischen Gesundheit ihrer Belegschaft und möglichen Hilfsangeboten beschäftigen.“

Psychische Erkrankungen und Atemwegserkrankungen stark im Fokus

Spitzenreiter waren mit 19 Prozent die Atemwegserkrankungen, die Auslöser für den größten Anteil an Krankenständen waren, dicht gefolgt von Muskel-Skelett-Erkrankungen mit einem Anteil von 17,7 Prozent. Hinter den psychischen Erkrankungen, die es auf Platz 3 schafften, lagen Verletzungen mit 9,4 Prozent. Für die Analyse wurden vom Berliner IGES Institut Daten von 2,25 Millionen erwerbstätigen DAK-Versicherten ausgewertet.

Starke Unterschiede bei den Krankmeldungen gab es auch nach Berufsgruppen: Besonders viele Fehltage verzeichneten im ersten Halbjahr Beschäftigte in Alten- oder Pflegeheimen, die im Durchschnitt pro Kopf auf 13,7 Tage kamen. Beschäftigte in den Informatik-, Informations- und Kommunikationstechnologieberufen kamen im Vergleich pro Kopf auf rund 6,6 Fehltage.

Krankenstände Schuld am fehlenden Wirtschaftswachstum in Deutschland?

Anfang des Jahres schlüsselte eine Studie des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA) auf, wie ein Anstieg bei den Krankmeldungen die Wirtschaftsleistung in Deutschland drücken könnte. Diese führten nämlich zu Produktionseinbußen. Ohne die überdurchschnittlichen Krankentage im Vorjahr wäre die deutsche Wirtschaft laut VFA sogar gewachsen. Deutschland büße durch die Krankmeldungen Einkommen in der Höhe von rund 26 Milliarden Euro ein, aber auch den Krankenversicherungen und dem deutschen Finanzamt entgingen mehrere Milliarden.

Im Europavergleich schneidet Deutschland deutlich schlechter als andere Länder ab: Hiesige Arbeitnehmer sind unzufriedener und gestresster. Das wirkt sich auch eben auch auf die Krankenstände aus. Der VFA vergleicht Deutschland überdies mit Kanada, Schweden, den USA und Australien und stellt fest, dass Deutschland auch international bei den Krankmeldungen an der Spitze steht. Die krankheitsbedingten Fehlstunden sind mittlerweile so hoch, dass sie kaum noch durch zusätzliche Arbeit anderer Beschäftigter kompensiert werden können. Obwohl die genauen Ursachen für die hohe Zahl an Krankmeldungen noch unklar sind, könnten reduzierte soziale Kontakte und erhöhte Hygienemaßnahmen während der Corona-Pandemie eine Rolle gespielt haben.

Laut VFA hätten die krankheitsbedingten Fehlzeiten gravierende Auswirkungen auf die Wertschöpfung: Weniger Arbeitsstunden führen zu geringeren Produktionsmengen, insbesondere in der Industrie, wo Arbeitsausfälle besonders stark ins Gewicht fallen. Schätzungen zufolge reduziert ein zusätzlicher Krankentag pro Quartal die Jahresproduktion der Industrie um zwei bis zweieinhalb Prozent. Derzeit sieht es so aus, als könnte 2024 die Krankenstandsrekorde von 2023 noch übertreffen und die wirtschaftlichen Herausforderungen weiter verschärfen

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