TV-Quadrell zur Bundestagswahl: Dank Onkel-Trick hat Olaf Scholz knapp die Nase vorn
Bei RTL trafen erstmals vier Kanzlerkandidaten aufeinander. Jeder der vier nahm eine spezielle Rolle ein. Vor allem Olaf Scholz‘ Taktik geht auf.
Berlin – TV-Geschichte bei RTL: Zum ersten Mal traten gleich vier Parteien auf, die Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken. Kanzler Olaf Scholz (SPD), Unions-Kandidat Friedrich Merz, Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck und AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel. Bei einer Vierer-Diskussions-Runde ist es besonders wichtig, eine gute Taktik zu haben.
Bei den vier Diskutanten war die klare Rollenverteilung und ihre Taktik schnell zu erkennen: Während Alice Weidel die Opferrolle einnahm, war Olaf Scholz jovial und angriffslustig. Robert Habeck gab sich als Intellektueller, dem manche leichten Fragen viel zu seicht waren und Friedrich Merz war der Oppositionspolitiker, der keine Chance ausließ, um seine Mitbewerber auf Fehler hinzuweisen.
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Genau wie vor einer Woche beim TV-Duell zwischen Scholz und Merz ging es gleich am Anfang um das Thema Migration. Während Scholz mit langen Antworten versuchte, die wenigen Abschiebeflüge in seiner Amtszeit als Erfolg zu verbuchen, ging Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz auch gegen Robert Habeck in Angriff. Und AfD-Kandidatin Alice Weidel beschwerte sich mit „unverschämtes Framing“, weil sowohl von Scholz als auch von Merz ihre Partei in Teilen rechtsextremistisch genannt wurde. Robert Habeck kam als letztes zu Wort und wirkte erstmal blass.
Habeck gefallen die Fragen im TV-Quadrell nicht
Bei der Schnellfrage-Runde fiel Friedrich Merz dann aus seiner Roll. Bei der Frage „Opposition oder Dschungelcamp“ blaffte er: „Was ist das denn für eine Frage“. „Sie sind bei RTL“, wurde er freundlich erinnert. Erst danach antwortete er grummelnd: „Lieber Jahrzehnte in der Opposition als 10 Tage im Dschungelcamp“. Danach war dann Robert Habeck dran, den Moderatoren Günther Jauch und Pinar Atalay Regieanweisungen zu geben. Nach einer Antwort von Alice Weidel forderte er: „Jetzt hat der Faktencheck viel zu tun“. Habeck schien Gefallen an der belehrenden Rolle zu haben, behielt sie während der Diskussion bei, zeigte immer wieder, dass ihm das Fragenniveau hier und da zu seicht war. So kommentierte er mit Augenrollen bei einer anderen Gelegenheit mit: „Was sind das für Fragen“? Das machte er während der ganzen Sendung ein paar Mal. Das wirkt arrogant.
Beim Thema Umverteilung und Steuern für Reiche nahm die Diskussion Fahrt auf. Habeck fetzte sich mit Weidel: „Sie haben es nicht verstanden“ – „Nein, Sie haben es nicht verstanden.“ Und auch danach wird munter weiter gezofft. Olaf Scholz verbündet sich mit Robert Habeck gegen Friedrich Merz, dem in Teilen von den beiden das Wort abgeschnitten wurde. Der Kanzler war jetzt richtig in Fahrt und hielt Alice Weidel in Schach. Von ihren anfänglichen Bemühungen, wesentlich ruhiger zu sprechen als bei ihren Reden im Bundestag, war jetzt nicht mehr viel übrig. Olaf Scholz gelingt es aber auch bei dieser hitzigen Diskussion, sympathisch statt aggressiv zu wirken – wie der Onkel zu Weihnachten, der gerne stichelt, sich dann aber zurückzieht, wenn es hässlich wird.
TV-Quadrell zur Bundestagswahl: Bei diesem Weidel-Satz wird Merz emotional
Beim Thema Ukraine-Krieg wird Merz emotional, weil Alice Weidel sagt, dass Deutschland nicht mehr neutral sei. Der Unions-Kanzlerkandidat wird laut und macht deutlich: „Nein, wir sind nicht neutral.“ Deutschland stehe zur Ukraine und Weidel habe sich mit ihrem Satz „entlarvt“. Merz wirkt fast die ganze Diskussion über emotional und aggressiver als Habeck und Scholz. Er teilt gleichermaßen gegen alle seine drei Mitbewerber aus, wirkt aber hier und da eine Spur zu bissig.
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Das TV-Quadrell kann Olaf Scholz mit Onkel-Trick knapp gewinnen
Alice Weidel wiederum lässt keine noch so kleine Gelegenheit aus, um ihr Narrativ der Opferrolle zu füttern. Hinter fast jeder Frage wittert sie einen Trick. Robert Habeck kommt bei der Diskussion wenig zu Wort und wenn doch, klingt er öfter wie ein dozierender Professor und zeigt wenig Emotion. Als Sieger geht bei der Diskussion knapp Olaf Scholz hervor. Er macht das geschickt mit dem Onkel-Trick. Er tritt selbstbewusst und jovial auf, hüllt bei schwierigen Fragen die Zuschauer in Wortdecken und hält sich bei Streits so zurück, dass er nicht aggressiv wirkt.