Nato-Länder eilen Israel zur Hilfe: Selenskyj sieht darin auch eine „Botschaft“ für die Ukraine

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Der ukrainische Präsident lobt die Direktheit der Unterstützung Israels nach dem iranischen Drohnenangriff. Sie fehlt ihm im Umgang mit seinem Land.

Kiew – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am vergangenen Montagabend in der amerikanischen Nachrichtensendung PBS News Hour ein Interview gegeben, in dem er den iranischen Drohnenangriff auf Israel erneut verurteilte. Gleichwohl erhebt Selenskyj schwere Vorwürfe, was die Geschlossenheit und Stärke im Vergleich zur Unterstützung seines Landes derzeit anbelangt.

Reaktion von Israels Verbündeten sende „wichtiges Signal an alle Führer dieser Welt“

Zahlreiche Staatsführer hatten den iranischen Drohnenangriff direkt im Anschluss verurteilt und Israel ihre volle Unterstützung zugesichert. US-Präsident Joe Biden schrieb auf der Plattform X, ehemals Twitter: „Unser Engagement für die Sicherheit Israels gegen die Bedrohungen durch Iran und seine Stellvertreter ist unumstößlich“. Nur mit der vereinten Luftabwehr Israels, Großbritanniens, Frankreichs, Jordaniens und den USA gelang es einen Großteil der über 300 Israel ansteuernden Drohnen abzuwehren.

Selenskyj sieht in der Reaktion von Israels Verbündeten ein wichtiges Signal „gegenüber allen Staatsführern“ dieser Welt und eine Demonstration an Verbundenheit, die nicht nur auf dem Papier stattfinde. Diese Äußerung dürfte sicherlich auch in Richtung es russischen Staatschefs gerichtet sein. Die Unterstützung sei ungefragt und direkt bereitgestellt worden – Eigenschaften, die er im Umgang mit seinem eigenen Land im Hinblick auf Waffenlieferungen aktuell vermisse.

Selenskyj spricht im Interview verklausuliert an, dass er im direkten Vergleich derzeit die Botschaft empfange, dass das Kriegsgeschehen in der Ukraine als weniger wichtig angesehen werde bzw. in jedem Fall international aus dem Fokus gerate. Diesen Vorwurf äußerte der ukrainische Präsident bereits in seiner täglichen Videobotschaft vom Montagabend.

Ukrainischer Präsident Wolodymyr Selenskyj während einer Kongress-Sitzung der ukrainischen Gemeinden und Regionen Mitte April 2024.
Das gleiche Maß an Unterstützung für sein Land wie für Israel: Das ist die Forderung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. © Imago / Bestimage

Geschlossenheit der Reaktion habe Signal an Israel ausgesendet, dass es nicht alleine sei

Moderatorin Amna Nawaz konstatiert im Gespräch, dass die Einheit, mit welcher die Reaktion gegenüber des iranischen Drohnenagriffs ausgefallen sei, Israel gezeigt habe, dass es nicht alleine sei. Als sie Selenskyj fragt, ob das in seinen Augen auch für sein Land gelte, entgegnet er: „Ich werde Ihnen ein Beispiel nennen, ein sehr einfaches Beispiel: das Trypilska-Kraftwerk. Elf Raketen waren auf das Kraftwerk gerichtet. Die ersten sieben haben wir abgeschossen. Vier haben Trypilska zerstört.“

Er führt aus: „Und warum? Weil wir keine Raketen mehr hatten. Uns sind alle Raketen ausgegangen. Wenn jemand sagt, dass unsere Verbündeten uns nicht mit dieser oder jener Waffe versorgen können oder dass sie nicht mit dieser oder jener Truppe in der Ukraine sein können, weil das so wahrgenommen werden würde, als ob die Ukraine die Nato in den Krieg einbezieht, nun, nach dem gestrigen Angriff möchte ich Ihnen eine Frage stellen: Ist Israel Teil der Nato oder nicht?“

„Ich meine die Ukraine, verteidigt ihren Himmel selbst“, hebt Selenskyj hervor

Er sei beeindruckt und gleichzeitig enttäuscht, was die Unterstützung im Bereich der Luftabwehr angehe. Selenskyj hob hervor: „Israel wäre allein nicht in der Lage, sich gegen einen so zahlreichen und starken Angriff zu schützen. Und hier haben sie definitiv Luftverteidigung und Luftfahrt eingesetzt, viele Dinge, an denen es der Ukraine, offen gesagt, mangelt.“

Außerdem merkt der 46-Jährige an: „Ich meine, die Ukraine verteidigt ihren Himmel selbst.“ Gleichwohl sei er natürlich auch froh, dass durch die Unterstützung eine Eskalation bislang noch vermieden werden könnte. Aus Selenskyjs Perspektive gäbe es sonst aktuell noch mehr „Blutvergießen und viel mehr Tote“.

Selenskyj konstatiert bitter: „Werden ohne US-Unterstützung keine Aussicht auf einen Sieg haben“

Die Lage in der Ukraine an der Front ist, milde gesagt, schwierig. Trotz kleiner Erfolge vergrößern sich stetig Engpässe bei der Ausrüstung der Soldaten und beim Personal selbst. Gleichwohl erscheint die Unterstützung der USA aufgrund innenpolitischer Turbulenzen, aber auch im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen im November 2024 immer unsicherer.

Mit Blick auf eine mögliche verendende US-Unterstützung äußert sich Selenkskyj pessimistisch: „Ich kann Ihnen ganz offen sagen, dass wir ohne diese Unterstützung keine Chance auf einen Sieg haben werden.“ Seinem Land würden letztlich die Mittel fehlen, um ihre Stellungen zu halten. Was die Ukraine brauche, sei weiterhin eine Verstärkung ihrer Luftabwehr, um zumindest einen Teil russischen Luftangriffe abzuwehren.

Als die Moderatorin Selenskyj fragt, wie er auf eine mögliche Wiederwahl Donald Trumps blickt, entgegnet der: „Wir glauben nicht, dass es für uns einfacher wird. Wir sind am Kämpfen. Wir denken nicht an das nächste Jahr. Wir denken an morgen. Unsere Ziele haben viel mehr mit dem wirklichen Leben zu tun. Wir müssen morgen leben.“

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