Trendsportart bedroht Birkhühner: Sperrung für beliebten Münchner Hausberg?

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Tegernsee
  4. Kreuth

Kommentare

Besonders sensibel: Der Grat zwischen dem Vorgipfel und dem Hauptgipfel des Hirschbergs (im Hintergrund) ist Kernlebensraum der Birkhühner. Er sollte nur zwischen 10 und 16 Uhr begangen werden. Zu den Schongebieten am Nord- und Südhang zählt das Plateau aber nicht. © Alexander Mäder

Der Hirschberg ist einer der letzten Rückzugsorte des bedrohten Birkhuhns. Gleichzeitig zählt er zu den beliebtesten Münchner Hausbergen bei Skitourengehern und Winterwanderern. Warum sich dieser Konflikt zuspitzt und welche Lösungen es gibt, haben Studenten kürzlich mit Experten aus der Region diskutiert.

Kreuth – Den Titel der Online-Diskussion hatten die Studenten der Hochschule der Medien (HDM) Stuttgart um ihren Professor Alexander Mäder bewusst provokant gewählt: „Nächstes Ziel: Gipfelsperrung?“, fragten die Organisatoren des Projekts „Wir im Wald“. Zu dieser Frage hatten sie sich gemeinsam mit Studenten der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg und der Bodensee-Stiftung Gedanken gemacht, eine Exkursion zum Hirschberg unternommen und Experten aus der Region eingeladen. In der virtuellen Gesprächsrunde mit rund 25 Teilnehmern wurde aber schnell klar: So abwegig wäre eine Gipfelsperrung – zumindest aus Sicht des Naturschutzes – nicht. Ob sie helfen würde, ist aber fraglich.

Florian Bossert, Gebietsbetreuer fürs Mangfallgebirge am Landratsamt, erklärte: „Der Hirschberg hat eine ganz zentrale Lage für das Birkhuhn.“ Für die streng geschützte Vogelart sei der Gipfel eine Art Trittstein zu den Bergen in Richtung Isar. Die Verbindung dürfe nicht unterbrochen werden. Seit 2015 sind deshalb zwar der Nord- und Südhang des Hirschbergs als Wald-Wild-Schongebiet ausgewiesen und mit Schildern vor dem Betreten und Befahren geschützt. Rechtlich bindend ist die Regelung aber nicht. Ahndungen sind nur in Wildschutzgebieten wie beispielsweise im Rotwandgebiet möglich.

Außerdem, erklärte Bossert, sind Störungen auf dem nicht geschützten Grat zwischen Vorgipfel und Hauptgipfel für die Birkhühner besonders problematisch. „Im aktuellen Konzept ist der Lebensraum in zwei Hälften zerschnitten.“ Denn ausgerechnet das Plateau zwischen den Gipfeln ist von den Schongebieten ausgenommen, gleichzeitig aber der „Kernlebensraum“ der Birkhühner im Winter. Die Vögel haben dort laut Bossert einen nur kleinen Aktionsradius, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Der Grat müsse aus Sicht der Tiere deshalb geschützt werden.

Konzept aus einer anderen Zeit

Simon Eisele, der beim Deutschen Alpenverein (DAV) für naturverträglichen Wintersport zuständig ist, teilt diese Sichtweise. „Das Gebiet stand schon 2015 ähnlich in der Diskussion“, erinnerte er. Unter Vermittlung des Landesamts für Umwelt (LfU) wurde schon damals ein Kompromiss gefunden: Wanderer sind gebeten, den Grat zwischen den Gipfeln nur zwischen 10 und 16 Uhr zu gehen.

Allerdings, erklärte Bossert, stammt das Konzept aus einer anderen Zeit. Waren früher noch Skitourengeher die Hauptzielgruppe, sind jetzt vermehrt Winterwanderer auf dem Hirschberg unterwegs. Und während sich der Aufstieg mit Skiern zum nur wenige Meter höheren Hauptgipfel kaum lohnte, ist er für Wanderer plötzlich ein begehrtes Ziel.

Das spiegelt sich auch in den Birkhuhn-Beständen: „Es ist seit zehn Jahren durchgängig ein Abwärtstrend zu beobachten“, sagte Bossert. „Die Störungen sind dafür der entscheidende Faktor.“ Deutschland habe sich aber verpflichtet, den Abwärtstrend bis 2030 umzukehren. Jetzt gehe es darum, Lösungen zu finden, die akzeptiert werden und funktionieren, fasste der Gebietsbetreuer zusammen.

Die Moderatoren Leonie Helbich und Ben Rehm, die die Diskussion zusammen mit Emely Sträter, Gina Grad und weiteren Mitgliedern des Projektteams organisiert hatten, sammelten dafür auf einer digitalen Pinnwand Vorschläge der Zuhörer. Besucher sollten demnach Dämmerungszeiten meiden, auf den Wegen bleiben, „den eigenen Spaß nicht über das Aussterben einer Art stellen“ und sich mehr informieren. Für Organisationen reichten die Vorschläge unter anderem von Zäunen über bessere Beschilderungen bis hin zu einer Versetzung des Gipfelkreuzes auf den Vorgipfel.

Vorgipfel sollte attraktiver werden

Letzteren Vorschlag bewerteten Bossert und Eisele eher kritisch: „Das würde eine große Diskussion hervorrufen“, mutmaßte der Gebietsbetreuer. Eisele befürwortete aber den Grundgedanken, den Vorgipfel als Ziel attraktiver zu machen, etwa mit einem Denkmal. Einig waren sich beide darin, dass eine Sperrung wie an der Rotwand das letzte Mittel wäre.

„Wir wollen, dass sich die Leute gerne daran halten, um die Birkhühner zu schützen“, sagte Eisele. Andernfalls befürchtete er sogar eine Verschlechterung: „Der Hirschberg ist ein Symbolberg für klassische Routen.“ Würde man diese sperren, würden sich manche Sportler gleich an gar keine Schongebiete mehr halten.

Bossert ergänzte: „Selbst wenn es ein Betretungsverbot geben würde, müsste noch Aufklärung stattfinden.“ Dafür wäre unter anderem ein Digitalranger nötig, der bisher aber an der Haushaltslage des Landkreises scheitere. Unterstützen können aber alle Bürger: „Jeder ist ein Multiplikator.“ nap

Auch interessant

Kommentare