Mit 72: Dieser Arzt kann endlich aufhören
Der Grafinger Kinderarzt Reiner Valentin hat nach jahrelanger Suche eine Nachfolgerin gefunden. Endlich kann der Mediziner in Ruhestand gehen – mit 72 Jahren.
Grafing – Freitag, der 13., ist für Reiner Valentin in diesem Jahr ein Glückstag. In seiner Grafinger Praxis veranstaltet er dann eine kleine Feier, auch wenn der Anlass neben Freude auch Wehmut auslöst: nach einem Dritteljahrhundert ist Schluss. Mit 72 Jahren kann der beliebte Kinderarzt in Ruhestand gehen. Er sagt: „Mir war am wichtigsten, dass es weitergeht.“
Die lang vergebliche Suche nach einer Praxisnachfolge ließ den Mediziner durchhalten, bis übers übliche Rentenalter hinaus. „Aber ich komme an die Belastungsgrenze“, sagte er der EZ vor einem runden Jahr. Nun hat sich eine Kinderärztin gefunden. Sie übernimmt die kleinen Patienten, deren Eltern oft schon bei ihm von der U1-Untersuchung weg in der Patientenkartei standen. „Ein Zeichen, dass man aufhören sollte“, sagt er schmunzelnd.
Nachfolgerin behandelt in Kirchseeon
Die Nachfolgerin, Melissa Ardan-Bajbouj (sprich: baschbusch), sei eine ruhige, sehr erfahrene Kollegin: „Sie macht das sehr gut“, spricht Valentin ihr das Vertrauen aus. Er freut sich, dass es geklappt hat. „Nur leider nicht in Grafing.“ Die Nachfolgerin wird die Patienten, den Terminkalender und das Personal übernehmen, nicht aber die Räume. Sie praktiziert ab Anfang Januar in Kirchseeon, in der Familienpraxis der Hausärztin Vanessa Kerscher in der Wasserburger Straße.
Melissa Ardan-Bajbouj wechselt aus einer Münchner Praxis, wo sie 14 Jahre tätig war, in den Landkreis, wo die Familien-Mama auf Vollzeit aufstocken kann. „Ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe“, sagt sie der EZ. Das Konzept habe inhaltlich und menschlich gut gepasst. Sie sei vom westlichen Stadtrand aus, wo sie wohnt, öfter zum Schwimmen oder Spazierengehen in der Gegend. „Das Eck gefällt mir einfach!“
50-Jährige sagt: Kinderärtin ist mein Traumberuf
Kinderärztin sei schon mit vier Jahren ihr Traumberuf gewesen – und geblieben, bekennt die 50-Jährige: „Diese Arbeit gibt mir alles, was ich brauche!“ Zurzeit mache sie eine Zusatzausbildung zur Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin.
Reiner Valentin ist überzeugt, dass die Kollegin mit dem Sitz im Landkreis Ebersberg eine gute Entscheidung getroffen hat. „Mittendrin zwischen München und den Bergen!“, sagt er. Und schüttelt den Kopf über so manche Ärzte, die abgelehnt hätten: „Alle wollen in die Großstadt.“ Dabei sei der Bedarf in der Region groß, die Wartezimmer voll, die anderen Kinderarztpraxen regelmäßig an oder über der Kapazitätsgrenze.
Valentin zieht‘s in den Bayerischen Wald – zum Radfahren
Den 72-Jährigen zieht es im Ruhestand nicht in die Großstadt – im Gegenteil. Mit seiner Frau Claudia zieht er in die Nähe von Regen in Niederbayern, aufs Land, nahe dem Bayerischen Wald, „oben am Berg“, wie er sagt. Das Paar ist auf dem Absprung, lebt in einer hiesigen Ferienwohnung, bis es seine Zelte in Grafing abbricht.
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Valentin bekennt über den drohenden Ruhestand: „Ich kann mir schon vorstellen, dass ich in ein Loch falle.“ Aber der niederbayerische Winter locke ihn auf die Langlauf-Loipe, im Sommer wollen die Valentins ausgiebig Radfahren. Die EZ hat ihn einmal in einer Überschrift als den „Arzt, der nicht aufhören kann“ bezeichnet. Er denkt schon laut darüber nach, in einer Praxis an seinem neuen Wohnort ein paar Stunden mitzuhelfen. „Da ist es noch viel schlimmer“, sagt er über den Ärztemangel.
Fehlen werde ihm Grafing, seine Praxis, die bekannten Gesichter aus dem Wartezimmer und das Team ganz bestimmt. Der Arzt, der nun aufhören kann, sagt: „Es hat schon Spaß gemacht.“