USA stationieren Marschflugkörper bei uns - Angriffsziel Deutschland? Politik-Experte erklärt geplantes Schild gegen Russlands Raketen
Die deutsch-amerikanische Erklärung zur Stationierung amerikanischer weitreichender Waffen in Deutschland sorgt für Aufregung. Politikexperte Joachim Krause erklärt, welche Waffengattungen geplant sind sowie Hintergründe der Strategie gegen die Russen.
Was steht in der deutsch-amerikanischen Erklärung drin und was bedeutet das konkret?
In der Erklärung steht, dass die Vereinigten Staaten ab 2026 für eine Übergangszeit weitreichende Waffensysteme in Deutschland stationieren wollen. Das sind die Standard Rakete SM-6, Tomahawk-Marschflugkörper sowie eine noch in der Entwicklung befindliche Hyperschallrakete. Es wird aus der Erklärung nicht klar, was mit „Stationierung“ gemeint ist, denn sowohl die SM-6 als auch die Tomahawk Marschflugkörper sind derzeit nur bei der amerikanischen Marine zu finden.
Von daher könnte die zeitweilige Stationierung dieser Waffensysteme bedeuten, dass sich entsprechende Schiffseinheiten der US-Marine in deutschen Häfen oder in nahegelegenen Gewässern aufhalten werden. Bei den Hyperschallraketen dürfte die Long Range Hypersonic Weapon (LRHW) der US-Army gemeint sein. Diese Waffe ist noch nicht einsatzreif, derzeit wird von 2026 als frühestem Zeitpunkt ausgegangen.
Die SM-6 ist ein schiffsgebundener Flugkörper zur Abwehr von Flugzeugen, Drohnen und ballistischen Raketen in der Endphase. Tomahawk-Marschflugkörper werden derzeit nur von der Marine eingesetzt und können Ziele an Land in einer Entfernung von bis zu 2.500 Kilometer im Tiefflug mit sehr großer Präzision angreifen. Die in der Entwicklung befindliche LRHW wird voraussichtlich auf Land stationiert und soll in der Lage sein, Ziele in einer Entfernung von bis zu 3.000 Kilometer zu bekämpfen.
Zu einem späteren Zeitpunkt (der wird nicht genau benannt) sollen diese Systeme in Deutschland dauerhaft als Teil der hiesigen Multi-Domain Task Force (MDTF) der US-Army stationiert werden.
Dies ist eine Sondereinheit in der Größenordnung einer verstärkten Brigade, die die übrigen US-Streitkräfte sowie die der Alliierten im Kriegsfalls als eine Art Joker unterstützen soll. Insbesondere soll sie ermöglichen gegnerische Luftangriffe abzuwehren, die gegnerische Luftabwehr zu durchbrechen und Luftangriffe in der Tiefe des gegnerischen Raums durchzuführen. Die MDTF ist zwar eine Einheit der US-Armee, sie arbeitet aber mit der Luftwaffe und der Marine zusammen.
Auf einen kurzen Nenner gebracht: Die USA wollen die seit 2022 bestehende MDTF im Jahr 2026 probeweise mit diesen Systemen ausstatten, um zu sehen, ob daraus eine dauerhafte Verwendung entstehen kann.
Über den Experten Joachim Krause

Prof. Dr. Joachim Krause ist Direktor Emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und Chefredakteur von SIRIUS. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Privatdozent tätig. Neben seiner akademischen Laufbahn hat er an internationalen diplomatischen Missionen teilgenommen. Seine Forschungsarbeit ist in zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen dokumentiert.
Bedeutet die Vereinbarung die Stationierung amerikanischer Nuklearwaffenträger auf deutschem Boden?
Definitiv: nein. Die Erklärung stellt eindeutig klar, dass es sich um rein konventionelle Systeme handelt. Theoretisch wären diese Systeme nuklearfähig, es gibt heute und in absehbarer aber Zeit keine entsprechenden Pläne. Vor zwei Jahren hat die Biden-Administration die Entwicklung eines nuklearen Tomahawk-Marschflugkörpers eingestellt.
Das US Militär geht in seinem Doktrinen davon aus, dass Kriege im konventionellen Bereich entscheiden werden und dass Kernwaffen eine strategisch relevante Abschreckungsfunktion haben.
Inwiefern können die angekündigten Waffensysteme die militärische Lage in Europa verbessern?
Sie werden, wenn es irgendwann zu einer dauerhaften Stationierung auf See und zu Land kommt, die Fähigkeit der MDTF verbessern, Ziele in Russland anzugreifen. Dies ist insofern ein wichtiges Zeichen, welches in Russland dem Eindruck entgegenwirken soll, dass im Fall eines von Russland angezettelten Angriffskrieges gegen ein Nato-Land das russische Territorium als sakrosankt angesehen werden könnte. Darin liegt die eigentliche Signalwirkung dieser Erklärung.
Wird mit der Stationierung ein neuer Rüstungswettlauf eingeleitet?
Ein neuer bestimmt nicht, denn Russland zwingt uns schon länger in eine Rüstungskonkurrenz hinein. Wir haben derzeit nur die Wahl zwischen einem Rüstungswettlauf und einem Krieg, der dann ausbrechen wird, wenn Russland die Nato als schwach ansieht. Es wäre schöner, andere Alternativen zur Verfügung zu haben, aber die Lage ist wie sie ist.
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Wird Deutschland durch die Stationierung dieser Waffen zu einem potenziellen Angriffsziel?
Nicht mehr als jetzt auch. Aber mit der Stationierung dürfte sich die Gefahr verringern, dass wir Gegenstand russischer Angriffe mit Langstreckenwaffen werden. Das Territorium Deutschlands ist für die Verteidigungsplanungen der Nato zur Abwehr eines russischen Angriffs an der Ostgrenze des Bündnisgebiets das Hauptaufmarschgebiet und das logistische Hinterland.
Von daher würde Deutschland im Fall eines Krieges Gegenstand von konventionellen Luftangriffen mit weit reichenden Raketen und Marschflugkörpern werden, die vom russischen Gebiet aber auch von Seestreitkräften aus der Nordsee, dem Nordatlantik oder dem Weißen Meer erfolgen. Dagegen helfen in erster Linie Kapazitäten zur Luft- und Raketenabwehr. Durch die Stationierung von maritimen Tomahawk und landgestützten Hyperschallraketen würde die Nato hingegen die Fähigkeit erhalten, vor derartigen Angriffen abschrecken zu können.
Dieser Text stammt von einem Expert aus dem FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Themenbereich und sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.