Nettelkofener Lkw-Lärm: Hier geht‘s um mehr als Krach

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Das Speditionsgelände mit der neuen Lärmschutzwand in Nettelkofen. Seit über zehn Jahren streiten Nachbarn wegen des Lärms, der von dem Betrieb mitten im Dorf ausgeht. Jetzt war das Verwaltungsgericht vor Ort © Josef Ametsbichler

Ist die Spedition, die mitten im kleinen Nettelkofen (Grafing) ihren Sitz hat, zu laut? MIt dieser Frage beschäftigt sich das Verwaltungsgericht vor Ort.

Grafing/Nettelkofen – Immer wieder übertönt der Lärm der im Minutentakt vorbeirauschenden Lastwagen die Stimme von Verwaltungsrichter Korbinian Heinzeller, der sich an diesem Tag auf der Suche nach Gerechtigkeit und gutem Willen nach Nettelkofen bei Grafing aufgemacht hat. Verhandlungsanlass ist der Lkw-Lärm – aber nicht von der viel befahrenen Ortsdurchfahrt, sondern von der Spedition Fuchs, deren Betriebshof mitten in dem dörflichen Grafinger Ortsteil liegt.

Davon fühlt sich, schon seit 2014, die Landwirtsfamilie gegenüber auf der anderen Straßenseite gestört. „Wir sind in Windrichtung“, sagt der Nachbar. „Meine Mieter sind lärmempfindlich!“ Lastwagenbrummen in aller Frühe, Hammer-Schläge aus der Werkstatt, das häufige Ausklopfen der Kabinenvorhänge: „Man macht sich keinen Begriff“, sagt der Landwirt über die Lautstärke, die zu ihm herüber halle wie durch einen Korridor. Seinen eigenen Brennholz-Betrieb habe er des Lärms wegen in eine Halle am Ortsrand aussiedeln müssen. Man merkt. Es geht den Klägern um mehr als den Krach; auch um ihr Gerechtigkeitsgefühl.

Geklagt wird gegen Baugenehmigung aus 2023

Geklagt haben sie deswegen gegen eine Baugenehmigung vom Landratsamt aus dem Jahr 2023. Sie ist der Versuch, den Speditionsbetrieb in seinem jetzigen Umfang zu erhalten und zu legalisieren. Seit dem ursprünglichen Hallenbau von 1996 ist der Fuhrpark von acht auf 19 Lkw angewachsen, es sind Nachtfahrten dazugekommen, der Werkstattbetrieb sei mehr geworden, argumentiert die Klägerseite. Unterm Strich ist ihnen das Fuhrunternehmen zu groß geworden für das kleine Nettelkofen mit seiner Handvoll Bauernhöfen und Handwerksbetrieben. Seit 2014 laufen die Beschwerden und das Genehmigungsverfahren, mit dem das Inhaber-Ehepaar versucht, seinen Betrieb für die Zukunft aufzugleisen.

Chef sagt: „Wir sind ein Familienbetrieb“

„Wir sind ein Familienbetrieb“, sagt der Chef, das wolle man auch bleiben. Der Fuhrpark sei seit Jahren nicht mehr gewachsen. „Das Immer-mehr bringt nicht immer mehr.“ Den Nachbarn sei man im Rahmen eines Lärmschutzgutachtens entgegengekommen. Eine neue Lärmschutzwand umfasst den Lkw-Parkplatz. Die Zahl der nächtlichen Fahrten und sogar der Motor-Standlaufzeiten ist begrenzt. Die Lkw nutzen nachts nur die ortsabgewandte Ausfahrt vom Gelände. Im Übrigen sei der größte Teil des Fuhrparks ohnehin nur am Wochenende auf dem Gelände geparkt und sonst in ganz Deutschland unterwegs. Ware werde auf dem Nettelkofener Gelände schon lange nicht mehr umgeschlagen. Die allermeisten Reparaturen erfolgten in externen Betrieben.

Das reicht den Nachbarn nicht, die bemängelten, dass sich der Betrieb immer wieder gegen die vereinbarten Beschränkungen hinwegsetze. Richter Korbinian Heinzellers Bedenken waren dagegen fundamentaler: „Wir haben Bedenken, ob dieser Betrieb in diesem Ort geht“, sagte er nach einer ersten Beratung des fünfköpfigen Richterteams. Seine Kritik galt dabei weniger dem Fuhrunternehmer als dem Genehmigungsbescheid des Landratsamtes, der dem Gericht einerseits mit seinen Einschränkungen zu kurz griff, anderseits einige Unstimmigkeiten aufgeworfen habe.

Verwaltungsgericht Nettelkofen Obermair Brennholz gegen Fuchs Spedition
Juristisches Großaufgebot: Rund drei Dutzend Teilnehmer und Beobachter waren beim Ortstermin mit dem Verwaltungsgericht in der Nettelkofener Spedition Fuchs dabei. © Josef Ametsbichler

Der Spediteur musste schließlich zur Kenntnis nehmen, wie das auch Silke Adami, Abteilungsleiterin Bau und Umwelt im Landratsamt, noch vor Ort nickend eingestand, ohne dass es zu einem Urteil kam. Als Vertreterin des beklagten Freistaats Bayern entschied sie, den Genehmigungsbescheid für den Betrieb wieder aufzuheben. Damit ist der Antrag wieder offen und der Lkw-Unternehmer muss im seit 2014 laufenden Einigungsversuch mit den Nachbarn einen neuen Anlauf machen, vermutlich unter energischerer Beschränkung vor allem seiner frühmorgendlichen Betriebsaktivitäten. Der Anwalt der Familie signalisierte Kooperationsbereitschaft – es blieb ihm auch nichts anderes übrig.

Man kann das schon retten.

Wie es für den Betrieb weitergeht, werden also die weiteren Verhandlungen zeigen. „Man kann das schon retten“, sagte der Richter. „Aber ein bisserl mehr machen müsste man schon.“ Zuletzt gab er den streitenden Nachbarn mit Blick auf den 27-köpfigen Auflauf an Behördenvertretern, Anwälten, Betroffenen und Beobachtern noch mit: „Ich wünsche Ihnen, dass Sie eine vernünftige Lösung finden, damit wir hier nicht nochmal auftreten müssen.“

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