„Bin halt da, wenn‘s brennt“: Der Engel von Emmering

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Ebersberg
  4. Emmering (EBE)

Kommentare

Eigentlich sei es gar nicht erwähnenswert, was sie mache, sagt Resi Sedlmeier aus Emmering. Sie hilft ehrenamtlich dort, wo Hilfe gebraucht wird. © Artist S.rossmann

Wenn in Emmering jemand in der häuslichen Pflege an seine Grenzen kommt, ist Resi Sedlmeier zur Stelle. Sie unterstützt pflegende Angehörige und füllt mit ihrem Engagement Lücken, die der ambulante Pflegedienst und die betroffenen Angehörigen nicht schließen können.

Emmering – Resi Sedlmeiers Wohnung ist reich dekoriert mit Kunsthandwerk: Ostereier, filigran bemalt und geritzt, Brandmalerei auf Baumscheiben: Vögel, die gekonnt in die Struktur von Maserung und Rinden integriert sind. Die 69-Jährige hat eine geübte Hand. „Malen ist mein Hobby, das mache ich immer gerne, wenn ich Zeit habe.“ Zeit für ihre Kunstprojekte könnte sie eigentlich mehr genug haben, denn sie ist seit sechs Jahren in Rente, wäre da nicht noch ein anderes, sehr zeitaufwändiges Hobby: die ehrenamtliche Unterstützung von Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen.

Man kennt Resi Sedlmeier gut in Emmering. Bürgermeisterin Claudia Streu-Schütze sagt über sie, in schwierigen Zeiten gebe sie Trost und Unterstützung. „Ich bin halt da, wenn es irgendwo brennt, ich will mich aber nicht hervortun“, sagt Sedlmeier über sich selbst, mit einer Spur Bescheidenheit.

Ihre Bilanz aber, die lässt sich sehen: 20 Jahre Pfarrgemeinderatsvorsitzende, 18 Jahre Emmeringer Gemeinderat, 17-mal ehrenamtliche Betreuerin bei Krankenwallfahrten nach Lourdes, ihr ehrenamtlicher Einsatz bei der Pflege zu Hause. Und ganz allgemein: „Was halt sonst noch so wichtig ist.“

Neue Aufgabe nach 21 Jahren in der Pflege

Nach 21 Dienstjahren in der ambulanten Pflege, habe sie eine neue ehrenamtliche Aufgabe gefunden, erzählt die 69-Jährige: „Wer Fragen hat, ruft bei mir an.“ Wenn jemand vom Krankenhaus heimkommt, wenn die Pflege durch den ambulanten Pflegedienst nicht ausreicht, wenn die Angehörigen merken, dass sie es alleine nicht mehr schaffen. Und bleibt es nicht bei den Fragen, dann packt Resi Sedlmeier an. Sie ist so etwas wie der helfende Engel in schwierigen Übergangssituationen in der Pflege.

Einmal habe sie erst bei einer Versorgung ausgeholfen, erzählt Resi Sedlmeier. „Da bin ich mehrmals am Tag hingefahren, zehn Tage lang.“ Man muss hier noch einmal nachfragen, um nichts falsch zu verstehen: mehrmals am Tag, zehn Tage lang? Resi Sedlmeiers Antwort klingt pragmatisch und selbstverständlich: „Die Caritas kommt in der Früh, Mittag und auf’d Nacht, mehr geht halt nicht.“ Aus ihrer eigenen Zeit in der ambulanten Pflege wisse sie, wo es hakt: Wenn es keinen Auftrag dafür gibt, dann werden halt auch nicht die Zähne geputzt. Es sind diese Lücken, die sie ehrenamtlich füllen wolle.

„Ich habe kein Helfersyndrom“

Eines betont sie ausdrücklich: „Ich habe kein Helfersyndrom und ich dränge mich nicht auf.“ Ihr Anliegen: Menschen, die das wollen, sollen zu Hause sterben dürfen. Tritt sie in Aktion, passiert das immer im Gespräch mit dem Arzt, mit den Angehörigen, mit dem Palliativteam, mit dem Pflegedienst und mit den Betroffenen. „Das kann ich nicht planen, es ergibt sich einfach.“ Eigentlich sei es gar nicht erwähnenswert, was sie mache, sagt Resi Sedlmeier, und dabei spricht sie mit einer bemerkenswerten Ruhe. Wirklich? Nicht erwähnenswert? „Ich sehe halt, was die Angehörigen leisten und wie sie ausgepowert sind.“

Ich bin halt da, wenn es irgendwo brennt, ich will mich aber nicht hervortun.

Resi Sedlmeiers Weg ist nicht gerade verlaufen: Ausbildung zur Hauswirtschafterin, dann die Arbeit in der Gastwirt㈠schaft, Postangestellte. Die eigenen Kinder. Während ihrer ersten Krankenwallfahrt nach Lourdes kam sie schließlich mit dem Pflegeberuf in Berührung. Als die Postfiliale geschlossen wurde, hat sie ihr Leben noch einmal neu ausgerichtet. Sie begann eine Ausbildung und schloss 1998, mit 43 Jahren, mit dem Examen als Kranken- und Altenpflegerin ab. In diesen Jahren war die Nachfrage nach Pflegerinnen noch mau, die Pflege wurde überwiegend in den Familien erbracht. Resi Sedlmeier erinnert sich: „Die Angehörigen haben damals nicht gejammert, auch wenn die auf dem Zahnfleisch daherkamen.“ Mit der Einführung der Pflegeversicherung stieg auch der Bedarf nach Pflegefachkräften.

Heute ist die Situation eine andere. Es gibt mehr Heimplätze und mehr ambulante Pflegedienste, den Hausnotruf. Die Kosten für die Pflegeausbildung trägt inzwischen der Staat. Und auch der Verdienst für Alten- und Krankenpfleger wurde besser. Aber auch die Bedürfnisse seien angewachsen. Resi Sedlmeier beschreibt es so: „Die Menschen werden älter, es gibt mehr Hochbetagte. Die Familienverbände haben sich verändert, alle gehen in die Arbeit.“ Für die Alten fehle nun die Zeit, aber fehle deswegen noch nicht der gute Wille. „Das macht mich traurig“, sagt sie. Und wenn der gute Wille nicht mehr reicht, ist ihr Moment gekommen, einzuspringen … „wenn man mich fragt“. Was gibt ihr die Kraft? Es ist der Dienst in den letzten Stunden, der sie zufrieden mache, sagt sie. Und kommt sie selbst nicht auch einmal an ihre Grenzen? Auch hier fällt Resi Sedlmeiers Antwort pragmatisch aus: „Ich kann die Tür hinter mir zumachen. Das hilft.“

Auch interessant

Kommentare