Grüne feiern Antwort einer Bürgergeld-Anfrage – benennen aber nur die halbe Wahrheit
Nachdem Frank Bsirske (Grüne) eine Anfrage zum Bürgergeld erhoben hatte, antwortete die Bundesregierung. Das sorgt für umstrittenen Jubel bei den Grünen.
Berlin – Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen zum Thema Bürgergeld hat in den Reihen der Partei für Jubel gesorgt. Der Bundesregierung zufolge sei die Zahl der Menschen, die wegen Beschäftigungsverlust neu Grundsicherung beziehen, in Deutschland im vergangenen Jahr mit dem Start des Bürgergeldes auf einen neuen Tiefstand gesunken.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch, schrieb als Reaktion hierzu auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter): „Populisten schüren mit Falschinformationen Wut über das Bürgergeld und vergifteten die Gesellschaft. Wir setzen Fakten dagegen. 2023 sind weniger Menschen aus einem Job in die Grundsicherung gewechselt als jemals zuvor.“
Die Worte des stellvertretenden Grünen-Fraktionsvorsitzenden dürften sich auch gegen die verbreitete Ansicht richten, das Bürgergeld sei so hoch, dass es vielen nicht mehr attraktiv erscheint, überhaupt noch zu arbeiten. Kritiker werfen der Regierung damit auch vor, Langzeitarbeitslosigkeit zu fördern.
Aussagen von Hubertus Heil (SPD) lassen sich durchaus positiv interpretieren
Die Anfrage war zuvor vom Grünen-Politiker und ehemaligem Chef der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, gestellt worden. Bsirske wollte wissen, wie sich das Bürgergeld entwickelt. Offiziell antwortete anschließend Hubertus Heil (SPD) vom Bundesarbeitsministerium mit einigen etwas kryptisch anmutenden Sätzen.
Darin enthalten ist folgende Aussage: „Die Zugänge aus Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt in Arbeitslosigkeit im Rechtskreis SGB II lagen im Jahr 2023 mit 341.000 Zugängen um 13,7 Prozent bzw. 54.000 Zugängen niedriger als im Jahr 2022.“ Dabei ist mit dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt eine reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gemeint. Hinter der Bezeichnung „Rechtskreis SGB II“ verbirgt sich das Bürgergeld.
Faktenauslegung seitens der Grünen bringt nur die halbe Wahrheit ans Licht
Wie der Focus nun berichtet, habe man mit dieser Faktenauslegung allerdings einige andere aufschlussreiche Zahlen unter den Tisch fallen lassen. Diese lägen dem Nachrichtenmagazin nach Anfrage bei der Bundesagentur für Arbeit vor. Darin sei einerseits die Rede von insgesamt „3,28 Millionen Fällen“, die 2023 ins Bürgergeld rutschten.
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Dem Focus zufolge sei hier ganz bewusst von „Fällen“ anstelle von Menschen die Rede, weil manche von ihnen gleich mehrmals im Jahr ins Bürgergeld rutschten. Verglichen mit dem Jahr zuvor, in dem das Bürgergeld noch offiziell Arbeitslosengeld II oder umgangssprachlich Hartz IV hieß, sind es Focus-Angaben zufolge insgesamt 64.000 beziehungsweise zwei Prozent mehr Zugänge.
Viele Auszubildende gehen nach ihrer Ausbildung unmittelbar ins Bürgergeld über
Sicherlich ist die Tatsache, dass ukrainische Geflüchtete nach ihrer Ankunft direkt ins Bürgergeld rutschten, für diese hohen Zahlen mitverantwortlich. Ein anderer Faktor kommt aber zu diesem bereits seit 2021 bestehenden Aspekt hinzu. Denn die Zahl derer, die infolge ihrer Ausbildung unmittelbar ins Bürgergeld übergehen, stieg zuletzt deutlich an.

2022 waren es der Bundesagentur für Arbeit zufolge rund 855.000 gewesen, 2023 bereits 1,02 Millionen. Leicht gestiegen ist um 30.000 auf insgesamt 1,4 Millionen auch die Zahl derer, die aus Arbeitsunfähigkeit ganz in den Bezug von Bürgergeld gewechselt sind. Für Auszubildende scheint das Bürgergeld nach dem Ende der Berufsausbildung also gegenüber potenziell eher geringer Löhne besonders attraktiv. Und für Berufsgruppen oder Branchen mit vergleichbaren Löhnen dürfte es ähnlich aussehen. (fh)