CDU will das Bürgergeld abschaffen: Mit diesem Plan sollen Empfänger zu mehr Arbeit gebracht werden
Nach der Bundestagswahl will die Union das Bürgergeld wieder abschaffen. Stattdessen soll es eine „Neue Grundsicherung“ geben. Was passiert dann mit den Aufstockern?
Berlin – Es ist noch ein Monat bis zur Bundestagswahl. Viele Wählerinnen und Wähler, die sich noch nicht klar für eine Partei entschieden haben, werden sich in diesen Wochen intensiv mit den Programmen und Versprechen der Parteien auseinandersetzen. Ein zentrales Versprechen von CDU und CSU war von Anfang an die Abschaffung des Bürgergeldes, das unter ihrer Führung durch eine „Neue Grundsicherung“ ersetzt werden soll. Die Pläne der Partei fokussieren sich in der Öffentlichkeit hauptsächlich gegen Langzeitarbeitslose und sogenannte „Totalverweigerer“. Damit wird die Zukunft von zahlreichen Empfängern nicht adressiert. Was ist denn mit den Aufstockern im Bürgergeld?
Aufstocker im Bürgergeld: Zahl der Empfänger sinkt seit 2013 – aber nur sehr langsam
Zum Jahresende 2024 gab es in Deutschland etwa 5,4 Millionen Bürgergeld-Empfänger im Land. Vor zehn Jahren, also 2014, waren es noch 5,8 Millionen Menschen, die diese Grundsicherung bezogen haben. Damals hieß das noch Hartz IV oder Arbeitslosengeld II. Von diesen 5,4 Millionen gelten aktuell rund 3,9 Millionen als erwerbsfähig, das heißt, sie sind grundsätzlich in der Lage zur arbeiten. Unter den nicht-erwerbsfähigen Leistungsempfängern sind zum Beispiel Kinder oder Menschen, die zeitweise erkrankt sind.
Sowohl im alten als auch im neuen System gab und gibt es die sogenannten „Aufstocker“. Damit sind die Menschen gemeint, die Bürgergeld, oder früher Hartz IV, beziehen, aber auch einer Arbeit nachgehen. Der Lohn aus der Arbeit reicht also nicht aus, um den Lebensunterhalt zu decken. 2024 hat es rund 800.000 Aufstocker gegeben, vor zehn Jahren waren es noch 1,2 Millionen.
Es sind also aktuell rund 20 Prozent der erwerbsfähigen Bürgergeld-Empfänger in der Kategorie der Aufstocker. 2014 waren 28 Prozent der Hartz-IV-Empfänger noch Aufstocker. In der Zwischenzeit sind also allem Anschein nach mehr Menschen in eine bedarfsdeckende Arbeit gekommen.
Aufstockende Bürgergeld-Empfänger haben viele Anreize, nicht noch mehr zu arbeiten
Obwohl die Daten eine andere Sprache sprechen, ist sich die CDU sicher, dass erst mit dem Bürgergeld der Anreiz zum Arbeiten gesunken ist. Dabei existiert das Problem schon lange: Die Zahl der Menschen, die trotz Job nicht genug Geld zum Leben haben, sinkt seit über zehn Jahren nur geringfügig.
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Die Gründe sind vielfältig und wurden auch schon von Experten vielfach kritisiert. Häufig liegt das Problem an den Zuverdienstgrenzen und den unterschiedlichen Sozialsystemen, die schlecht aufeinander abgestimmt sind. Wer einen Job im Niedriglohnsektor hat, erhält nicht den vollen Regelsatz, sondern einen geringeren Betrag, der je nach Einkommen schrittweise abschmilzt. Das gilt auch für andere Sozialleistungen wie der Kinderzuschlag.
Bei der Überlegung, einen Job mit etwas besserer Bezahlung anzunehmen oder aus der Teilzeit in die Vollzeit zu wechseln, erfahren viele Leistungsbezieher aber, dass ihnen die Sozialleistungen dann ganz oder sehr deutlich gekürzt werden. Das kann dazu führen, dass ihnen am Ende weniger Geld am Monatsende bleibt. Sehr heikel kann es für diese Menschen werden, wenn sie zum Beispiel plötzlich die eigene Miete ganz oder in Teilen zahlen müssen. Die Aufstocker bleiben also oft in der Sozialhilfe hängen, weil sie durch mehr arbeiten einfach nicht mehr Geld haben würden.
CDU will das Bürgergeld noch 2025 abschaffen: Was gilt dann für die Aufstocker?
Die Union will sich bei einer Regierungsbeteiligung in Zukunft damit endlich auseinandersetzen. In ihrem Positionspapier zur „Neuen Grundsicherung“ vom Frühjahr 2024 schreiben CDU und CSU: „Wir fordern eine Reform der Hinzuverdienstgrenzen, um die finanziellen Anreize, Arbeit generell bzw. mehr Arbeit aufzunehmen, zu erhöhen, damit die Menschen am Ende des Monats tatsächlich mehr Geld in der Tasche haben.“ Es soll außerdem eine Reform geben, die die verschiedenen Sozialsysteme wie Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag und Bürgergeld zusammen bündelt. „Wir wollen perspektivisch diese Systeme daher in eine neue und einheitliche Struktur überführen“.
Die Union weiß aber auch, dass das nicht einfach wird. Ein Mitarbeiter der Fraktion, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte IPPEN.MEDIA: „Wir müssen da an mehreren Stellschrauben drehen“. Viele Aufstocker seien zum Beispiel alleinerziehende Mütter, die aufgrund fehlender Betreuungsplätze nicht mehr arbeiten könnten. Dieses Problem lasse sich aber nicht von Zauberhand lösen, es brauche die Bundesländer an Bord und es brauche mehr Fachkräfte in Kitas. Ein Mammutproblem also.
Die Probleme mit der Grundsicherung erkennt auch Kai Whittaker, Berichterstatter für das Bürgergeld der Bundestagsfraktion, im Gespräch mit IPPEN.MEDIA an. „Mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Singles ohne Kinder im Bürgergeld haben nur einen Mini-Job. Das sind zu viele Menschen. Noch dazu ist der Hinzuverdienst oft keine Brücke in den Arbeitsmarkt, sondern eine Sackgasse. Fast 45 Prozent der Bürgergeld-Empfänger mit Hinzuverdienst bleiben länger als vier Jahre im Leistungsbezug. Das kann nicht sein“, sgat er deutlich.
Aufstocker sollen in der Grundsicherung mehr Netto vom Brutto haben: Umsetzung in den ersten 100 Tagen
In der neuen Grundsicherung, die die Union schon in den ersten 100 Tagen an der Macht umsetzen wollen würde, würden die Hinzuverdienstgrenzen so angepasst, dass die sogenannte Entzugsrate aus dem Sozialsystem länger auf einem Niveau bleibt beziehungsweise langsamer abschmilzt. Dadurch lohnt es sich für Betroffene, auch einen besser bezahlten Job anzunehmen, da ihnen das Geld nicht gekürzt wird. Die Kürzung der Sozialhilfe soll langsamer erfolgen und mehr Menschen dazu bringen, einen Job mit Perspektive anzunehmen – und irgendwann gar keine Unterstützung mehr zu brauchen.
Langfristig soll es aber das Ziel der Union sein, die verschiedenen Sozialsysteme zu harmonisieren. „Am Ende sollte ein System aus einem Guss stehen. Das wird aber längere Zeit dauern, das muss gut vorbereitet werden. Eine Umsetzung im ersten Jahr der neuen Bundesregierung wird es da sicher nicht geben“, erläutert Whittaker.
Für Aufstocker heißt all das: Sollte die Union ihre Pläne umsetzen können, dann wird es für sie bald attraktiver werden, mehr zu arbeiten – und dann hoffentlich insgesamt mehr Netto vom Brutto zu haben.