Nato-Truppen in der Ukraine: Macron bekommt Zuspruch – „Russlands Macht nicht überschätzen“
Eine Eskalation mit Putin dürfe nicht überschätzt werden: Das meint Estlands Premierministerin. Auch Nato-Soldaten in der Ukraine müssten eine Option sein.
Paris/Tallinn – Emmanuel Macron schien bisher allein auf weiter Flur innerhalb der Nato, was seine Meinung zu westlichen Truppen in der Ukraine betrifft: Während Frankreichs Präsident am Montag (26. Februar) offensiv den Einsatz von Nato-Bodentruppen zur Sprache brachte, dementierte ein Staat nach dem anderen, dass solche Pläne zur Diskussion stünden. Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) widersprach Macron vehement.
Auch Estland, das eine rund 300 Kilometer lange Grenze zu Russland teilt, reihte sich am Dienstag (27. Februar) zunächst ein in die Länder, die Macron widersprachen. Estland diskutiere nicht die Entsendung von Truppen in die Ukraine, erklärte Regierungschefin Kaja Kallas im estnischen Fernsehen.
Doch nun hat sich Kallas, die der russische Präsident Wladimir Putin zur Fahndung ausschreiben ließ, ausführlicher zur möglichen Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine geäußert. Und diesmal pflichtete die estnische Premierministerin Macron bei. In einem Interview mit dem Stern sagte Kallas laut Spiegel: „Es ist gut, dass wir alle Optionen diskutieren.“
Estlands Premier berichtet von Truppen-Diskussionen hinter verschlossenen Türen
Kallas beschrieb die Diskussion auf dem Pariser Gipfel mit 20 westlichen Staatschefs, in dessen Anschluss Macron das Thema Nato-Soldaten ansprach. „Wir haben in Paris hinter verschlossenen Türen sehr offen debattiert. Es gab unterschiedliche Vorschläge, nicht alle trafen auf Zustimmung aller Seiten.“ Dazu gehörte wohl auch die Frage, ob Bodentruppen eine Option seien.
Macron hatte bei der Abschlusserklärung betont, im Kampf gegen Russland dürfte die Entsendung von Nato-Bodentruppen im Ukraine-Krieg nicht ausgeschlossen werden. Darüber gebe es zwar derzeit keinen Konsens, aber dies sei bei früheren Diskussionen zu Lieferung von bestimmten Waffen auch so gewesen – und später habe man sich dann doch dazu durchgerungen.
Scholz widerspricht Macron bei Nato-Truppen scharf
Macron wurde für seinen Vorstoß von vielen Seiten kritisiert. Ihm wird vorgeworfen, er spiele leichtsinnig mit der Möglichkeit, dass sich der Ukraine-Krieg zwischen einem Krieg zwischen der Nato und Russland ausweitet. Auch Russland selbst sandte eine alarmierende Warnung in die Welt. Kanzler Scholz widersprach Macron besonders nachdrücklich.
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In einer Videobotschaft machte der Kanzler seinen Standpunkt nochmals deutlich: „Um es klipp und klar zu sagen: Als deutscher Bundeskanzler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden. Das gilt. Darauf können sich unsere Soldatinnen und Soldaten verlassen.“
Putins Macht nicht überschätzen – Estland will auch Bodentruppen nicht ausschließen
Kallas warnte laut Spiegel jedoch davor, aus Angst vor Putin bestimmte Optionen auszuschließen. „Wir sollten keine Angst vor unserer eigenen Macht haben und Russlands Macht nicht überschätzen.“ Putin wisse, dass Russland der Nato militärisch unterlegen sei und wolle einen Krieg mit der Nato „genauso wenig wie wir mit Russland“, so Estlands Premierministerin. „Die Furcht vor einer Eskalation führt dazu, dass wir uns kleiner machen, als wir sind.“
Rückhalt bekommt Macron auch vom ehemaligen Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Macrons Vorstoß zu Bodentruppen sei „ein bisschen kühn, aber nicht falsch“. Es sei nicht der richtige Weg, bestimmte Maßnahmen von vornherein auszuschließen, sagte Ischinger im Sender Welt. Denn so mache man es Putin leicht, „sich auf das, was da vielleicht kommen könnte, einzurichten.“
Westliche Truppen im Ukraine-Krieg – Baltikum offen für Option
Die baltischen Länder, die wegen ihrer Nähe zu Russland als Achillesferse der Nato gelten, stehen dem Vorstoß, westliche Truppen in die Ukraine zu schicken, insgesamt positiver gegenüber als ihre Nato-Partner im westlicheren Europa. Auch Lettland und Litauen stehen einem Einsatz westlicher Bodentruppen in der Ukraine nicht grundsätzlich abweisend gegenüber. „Sollte es zu einer Einigung der Nato-Verbündeten über die Entsendung von Truppen in die Ukraine kommen, würde Lettland eine Teilnahme in Betracht ziehen“, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums mit, ähnliche Töne kamen aus Litauen.
Angestoßen hatte die Debatte auch die Slowakei, die am Montag (26. Februar) vor einer zunehmenden Eskalation des Ukraine-Kriegs warnte. Der slowakische Ministerpräsident Fico behauptete, EU- und Nato-Mitglieder würden darüber nachdenken, Soldaten in die Ukraine zu senden. Laut einem EU-Insider befinden sich jedoch westliche Spezialkräfte längst in der Ukraine. (smu)