„Hoffe, dass es lange schön bleibt“: Graffiti-Projekt in Geretsried setzt die Stadt auf besondere Art in Szene
Die Unterführung an der B11 wird zur Leinwand: Jugendliche dürfen dort Graffiti sprayen – legal. Der Bereich soll Teil der Kunstmeile werden.
Geretsried – Der beißende Geruch von Sprayfarben hängt in der Luft, Sprühdosen werden geschüttelt und klappern metallisch. Mit einem lauten Zischen spritzt flüssige Farbe an die Wand. In die Geräuschkulisse reiht sich deutsche Rap-Musik ein, die aus einem Lautsprecher tönt. Mehrere Jugendliche und Grafik-Künstler Axel Berger stehen an der B11-Unterführung. Jeder von ihnen hält eine Spraydose in der Hand. Mit konzentrierten Blicken bringen sie weiße Farbe auf den halbfertigen „Geretsried“- Schriftzug auf, der an der glatten Betonwand deutlich zu erkennen ist. Ein beherzter, schneller Sprühstoß – sonst verläuft alles.
Die Jugendlichen sind Teil eines besonderen Projekts. Seit Anfang Mai gestalten sie die Unterführung an der B11. Das Areal soll Teil der Geretsrieder Kunstmeile werden. Wie berichtet entsteht in der Stadt eine Kunstmeile vom Museum über das Rathaus bis hin zur Petruskirche. Sie soll einen Bezug zur Stadtgeschichte haben und thematische Schwerpunkte setzen.
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Kunst soll da sein, wo die Menschen sind
„Auf unserer Kunstmeile wollen wir auch Street-Art aufnehmen“, sagte Bürgermeister Michael Müller bei einem Pressetermin vor Ort. Man habe sich ganz bewusst für die Unterführung an der B11 entschieden. „Direkt an einem der wichtigsten Eingänge in unsere Stadt“, so der Bürgermeister. Er findet: „Kunst gehört genau da hin, wo die Menschen sind.“ Die Stadt solle sich nicht grau und abweisend präsentieren, sondern neugierig machen, zum Entdecken einladen und Eindruck hinterlassen.
„Wir haben keinen mittelalterlichen Stadtkern“, betonte der Rathauschef. „Unsere Stadt muss sich selbst erfinden und Identifikation schaffen.“ Der Geretsried-Schriftzug an der Hollywoodkurve sei „Identifikation pur“. Deshalb ist er auch eines der Motive, das die Jugendlichen unter Bergers fachkundiger Anleitung Sprühstoß für Sprühstoß an der Unterführung sichtbar werden lassen.
Willkommensgruß mit Bezug zur Stadt
Das Endergebnis soll die Stadt repräsentieren und die Menschen in Geretsried willkommen heißen. Quasi als „Entree in die City“, erklärte der Rathauschef. Welche Abbildungen und Szenen genau die Unterführung zieren sollen, das haben die Stadtverwaltung und Axel Berger gemeinsam festgelegt. Neben dem Schriftzug, wie er in der Hollywood-Kurve steht, werden Passanten schon jetzt von einem kunterbunten bayerischen Willkommensgruß erwartet. Das gelbe „Servus“ sticht einem sofort ins Auge, wenn man von der Böhmwiese unterirdisch ins Stadtzentrum kommt. Wer genau hinschaut, erkennt unter den Buchstaben auch Elemente aus dem Stadtwappen: das Zahnrad, die Tanne und die Isar.
Erahnen lassen sich auch die Menschen in unterschiedlicher Tracht, die im Inneren der Unterführung langsam aber sicher Gestalt annehmen. Sie stehen für die Vielfalt Geretsrieds und die verschiedenen Landsmannschaften. Berger hat die Skizzen dafür vorab erstellt. Zu den unterschiedlichen Trachten habe er viel recherchiert und die Motive an Fotografien angelehnt.
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„Unterschätzt nicht die nächsten zehn Jahre“, rief er den Jugendlichen zu. Viele werden über die Graffiti-Kunstwerke sprechen, da ist er sich sicher. „Auch dann noch, wenn ihr mal mit einem Kinderwagen daran vorbeilauft.“ Schon jetzt merken die Künstler, dass sich die Passanten für ihr Tun in der Unterführung interessieren. „Man nimmt ja auch auf die Lebenswelt der Leute Einfluss“, weiß der Grafik-Künstler aus Erfahrung.
Junge Künstlerin freut sich auf das Ergebnis
Bereits während der Hochdruckreinigung und Vorbereitung der Flächen haben sich die jungen Künstler um Berger engagiert. Gina Böhme ist eine von denen, die Geretsried ein bisschen bunter machen wollen. Graffiti zu sprayen, ist für die 21-Jährige etwas komplett Neues gewesen. „Mir gefällt, dass man hier Erfahrungen sammeln und sich ausprobieren kann“, so die Geretsriederin. Am Anfang sei es schon kompliziert gewesen, mit der Sprühdose umzugehen, „aber man hat schnell den Dreh raus“. Böhme freut sich auf das Endergebnis: „Ich hoffe, dass es lange schön bleibt“, sagte sie. Die junge Frau würde sich freuen, wenn es in Zukunft weitere solche Projekte in der Stadt gibt.