Kurz vor Mitternacht am vergangenen Sonntag. Um 23:53 Uhr geht bei der Polizei in Dortmund eine Meldung über einen Raubüberfall auf einen Kiosk ein. Eigentlich ein Routinefall. Die Streife fährt hin, entdeckt den 37-jährigen syrischen Betreiber. Blutspritzer überdecken den Boden. Das Opfer kommt schwerverletzt ins Krankenhaus. Die Räuber setzten nach FOCUS-online-Informationen zunächst Pfefferspray ein, dann sauste eine Machete auf den Geschäftsmann nieder. Die Täter zielten zunächst auf den Kopf. Der Mann wehrte die Attacken mit den Händen ab. Die große Klinge hackte ihm den Daumen ab und schnitt tief in die restlichen Finger ein.
Dortmund: Nach Bluttat findet Polizei Tatverdächtige 13-Jährige
Anschließend stachen die Angreifer dem Kiosk-Besitzer in die Brust und ins Bein. Die Tatverdächtigen führten eine Schreckschusspistole mit sich, die aber nicht abgefeuert wurde. Die Streifenbeamte machten sich umgehend auf die Suche nach den Räubern. Bald wurden sie fündig: In einem verwaisten Einfamilienhaus ganz in der Nähe nahmen sie zwei 13-jährige Teenager fest. Sie stellten eine Machete, das Pfefferspray sowie die Schreckschuss-Waffe sicher. Auch fanden sie die Beute.
Wie sich herausstellt, handelt es sich bei den mutmaßlichen Angreifern um einen Syrer und einen Deutsch-Bulgaren. Eines der beiden Kinder ist bereits beim Jugendamt aktenkundig. Zwar wurde zunächst eine Mordkommission eingesetzt. Da die beiden Tatverdächtigen noch nicht 14 Jahre alt und somit strafunmündig sind, wird die Staatsanwaltschaft das Verfahren in den nächsten Tagen einstellen. Nach Rücksprache mit dem Notdienst des Jugendamtes sind die beiden Macheten-Angreifer ihren Eltern beziehungsweise der Großmutter übergeben worden.
CDU plädiert für Herabsetzung der Grenze zur Strafmündigkeit
Mit Blick auf das Geschehen plädiert Gregor Golland, CDU-Fraktionsvize im NRW-Landtag, dafür, die Grenze zur Strafmündigkeit zu senken. „Es kann nicht sein, dass zwei 13-Jährige einen Kiosk-Besitzer schwer verletzen und ohne Konsequenzen davonkommen.“ Häufig sei es auch so, dass diese Täter im Kindesalter bereits aus dem Internet wüssten, „dass sie mit ihren Verbrechen straffrei ausgehen, dies muss sich ändern“. Laut dem Bundeskriminalamt stieg die Rate von Gewalttaten bei tatverdächtigen Kindern im vergangenen Jahr um 11,3 Prozent auf 13.755; die der Jugendlichen um 3,8 Prozent auf 31.383. Ein Rekordstand seit dem Jahr 2007.
In Nordrhein-Westfalen zeichnet ein aktuelles Lagebild „Jugendkriminalität“ für 2023 ein besorgniserregendes Bild. Jeder fünfte der gut 503.000 Tatverdächtigen an Rhein und Ruhr ist keine 21 Jahre alt. In allen Altersgruppen registriert das Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf erhebliche Zuwächse. Die Quote strafunmündiger, krimineller Kinder kletterte um mehr als sieben Prozent auf 22.469. Damit geht jedes fünfte Delikt auf das Konto Minderjähriger unter 14 Jahren.
Strafverteidiger Benecken: "Der Rechtsstaat schaut hilflos zu"
So fordert auch der Strafverteidiger Burkhard Benecken vom Gesetzgeber neue Antworten: „Die Justiz sollte schon straffällige Jungen und Mädchen vom 10. bis zum 13. Lebensjahr belangen können. Nicht mit Gefängnisstrafen, sondern mit einem ausgeklügelten Katalog unterschiedlicher Sanktionen.“ Soziale Medien hätten Kinder generell zweifelsohne verändert, führt der Anwalt aus. „Nur ein paar Klicks und Du bekommst die Anleitung für die schlimmsten Verbrechen bis hin zum Bombenbau. Die Kindergangster wissen heutzutage genau, dass Polizei und Justiz nichts gegen sie unternehmen können und nutzen diesen Umstand gnadenlos aus. Der Rechtsstaat schaut hilflos zu, die Jugendämter sind angesichts Personalmangels überfordert“, so Benecken.
Dem nun betroffenen Kiosk-Besitzer hilft das alles nichts mehr. Er wird den Daumen, so die Prognose, wohl verlieren. Die nur halb abgetrennten anderen Finger können vermutlich wieder angenäht werden