„Verlorene Zähne, Sprachstörungen“: Experten erheben beim WDR Vorwürfe gegen Zahnschienen-Marktführer

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Aligner sind bei privaten Firmen viel billiger als bei Kieferorthopäden. Doch am Geschäftsmodell mehrt sich Kritik – vor allem an dem des Marktführers.

Köln – Wer will schon nicht das perfekte Lächeln haben? Möglich machen das Zahnschienen, auch Aligner (zu deutsch: Ausrichter) genannt. Früher war solch eine Behandlung Zahnärzten oder Kieferorthopäden vorbehalten. Inzwischen bieten sie – meistens günstiger – auch private Anbieter an. Doch das ist offenbar mit Risiken verbunden, wie der WDR in der Verbrauchersendung Markt zeigt.

Zahnschienen sollen schiefe Zähne wieder geraderücken. Bei den Alignern handelt es sich um durchsichtige Schienen aus Kunststoff, die individuell für ein Gebiss angefertigt werden. Die Preise variieren stark. Je nach Dauer und Aufwand kann eine Behandlung beim Kieferorthopäden bis zu 6.500 Euro kosten, schreibt ndr.de. In der Regel übernehmen Krankenkassen bei Erwachsenen die Kosten nicht.

WDR-Verbrauchersendung: Experten machen privatem Zahnschienen-Anbieter „Dr Smile“ schwere Vorwürfe

Private Anbieter verlangen meist deutlich weniger Geld. Ein Preisvergleich zeigt: Unternehmen wie „Smileunion“ oder „Braceless“ starten bei 1390 Euro bzw. 1490 Euro bei leichten Fehlstellungen, bei komplexeren Behandlungen bleiben sie sogar unter 3.000 Euro. Marktführer „Dr Smile“ ist zwar etwas teurer, bleibt aber auch klar unter den Preisen von Arztpraxen.

Hand setzt eine transparente Zahnschiene in den Mund.
Ein privater Anbieter für Zahnschienen ist schwer in der Kritik. © IMAGO / Margit Wild

Doch ihre Methoden sind umstritten. Mediziner warnen bei falscher Behandlung vor Zahnausfall. Sie kritisieren, dass private Anbieter die Menschen sich selbst überlassen. Lediglich für den Gebiss-Scan geht es am Anfang in eine Partnerpraxis. Nach Lieferung der Zahnschiene dokumentieren Patienten die Behandlungsfortschritte selbst per Handy-Selfie.

„Es waren Fehler von verlorenen Zähnen, locker gewordenen Zähnen, Sprachstörungen, auch Bissstörungen“, zählte Ralf Hausweiler, Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein, Behandlungsfehler in der WDR-Sendung Markt auf. Das Format führt regelmäßig Produkttests durch und informiert Verbraucher über dubiose Praktiken. So deckte es etwa auch mehrere Schwindel bei Waschmittel auf.

Verbraucherzentrale wirft Aligner-Firma „Dr Smile“ Irreführung vor

Auch bei Verbraucherzentralen häuften sich Beschwerden. „Oft ist es so, dass sich die Ratsuchenden von einem Vertragsabschluss überrumpelt fühlen“, sagt Susanne Punsmann von der Verbraucherzentrale NRW. Sie kritisiert, dass Menschen durch das Klicken auf der Webseite einen Vertrag abschließen, ohne es zu wissen oder zu wollen. Ein „undurchdringliches Firmengeflecht“ erschwere zudem juristische Schritte.

Konkret nennt Punsmann „Dr Smile“. Gegen den Anbieter laufen gerade mehrere Verfahren, auch wegen irreführender Werbung. „Wir haben die Staatsanwaltschaften involviert. Wir haben sowohl gegen die Firma an sich entsprechende Klage eingereicht, wie auch gegen vier Zahnärzte“, erklärt Hausweiler. Problematisch allerdings sei, dass sich viele Patienten nicht mehr erinnern könnten, „wer das jetzt genau war“.

Düsseldorfer Klinik im Visier der Ermittler

Im Fokus steht laut Hausweiler eine Klinik in Düsseldorf, die immer wieder im Zusammenhang mit „Dr Smile“ auftaucht. „Da gibt es wohl einen Anästhesisten, der die Klinik leitet, aber es gibt keinen Zahnarzt, der dort tätig ist. Und da sind unseres Wissens nach noch nie zahnmedizinische Behandlungen durchgeführt worden“, berichtet Hausweiler. Der Klinik hätte gar keine Konzession erteilt werden dürfen, sagt er.

Auf unsere Bitte um Stellungnahme antwortete „Dr Smile“ bis zum Donnerstagabend (6. Juni) nicht. Offenbar reagierte „Dr Smile“ allerdings mittlerweile auf die Vorwürfe anderweitig und passte das Geschäftsmodell für Zahnschienen etwas an. Inzwischen ist es möglich, gegen Aufpreis eine Premiumbehandlung mit mehr Partner-Praxisbesuchen zu erhalten. „Dass Kunden über 1000 Euro dazuzahlen müssen, um überhaupt an eine standardgerechte Behandlung heranzukommen“, sei absurd, sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kieferorthopäden, Hans-Jürgen Köning, in der WDR-Sendung Markt. Das ZDF deckte in der Sendung Wiso Betrug von Reinigungsfirmen auf. (mt)

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