Weihnachtsgeschäft im Zeichen hoher Preise: Einzelhändler ziehen durchwachsene Bilanz

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Einkaufen vor Ort: Kunden schätzen den stationären Handel wieder mehr als früher, so die Beobachtung von Sportfachhändler Rudi Utzinger. © Fotos: Felix Hörhager/DPA

Die Weihnachtszeit bringt Händlern normalerweise gute Geschäfte. In diesem Jahr allerdings fällt bei den Einzelhändlern in der Region die Bilanz durchwachsen aus.

Wolfratshausen/Geretsried – Traditionell ruhen die Hoffnungen vieler Händler auf dem Weihnachtsgeschäft. In diesem Jahr fiel die Vorweihnachtszeit kurz aus – zudem sorgte das Schneechaos am ersten Adventswochenende bayernweit für weniger Frequenz in den Läden. Herrscht zum Jahresende bei den Einzelhändlern in der Region trotzdem Festtagsstimmung? Die Antwort lautet jein. Die hohe Inflation, die aktuellen Kriege in der Welt und die Rezession haben maßgeblich zu einem zurückhaltenden Konsumverhalten im Jahr 2023 bei den Kunden im Oberland geführt, entsprechend der bundesdeutschen Bilanz des Handelsverband Deutschland.

Verkaufszahlen gingen im Vergleich zum Vorjahr runter

„Wer früher drei Teile kaufte, geht jetzt mit einem Teil aus dem Laden“, berichtet Johannes Woll, Betreiber des „redstone“-Ladens in Wolfratshausen, im Gespräch mit unserer Zeitung. „Die Menschen haben Angst angesichts der unsicheren Lage weltweit, die dicke Party ist vorbei“, meint der Einzelhändler. Im Vergleich zum Vorjahr seien die Verkaufszahlen runter gegangen – obwohl das Jahr zunächst vielversprechend angefangen habe. Mit einen Grund sieht der Unternehmer auch im ungewöhnlich warmen und langen Sommer, der zu einem „Komplettausfall“ des Herbstverkaufs bei den Bekleidungsgeschäften geführt habe. Dazu kommen laut Woll Preissteigerungen zum Beispiel durch erhöhte Lieferkosten, die von den Händlern aufgefangen werden mussten.

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Strom- und Gaspreise belasten Einzelhändler

Diese Meinung teilt Hans-Joachim Kunstmann. „Die Kostenseite für Unternehmer war 2023 eine Katastrophe“, zieht der Vorsitzende des Werbekreises Einkaufsstadt Wolfratshausen ernüchtert Bilanz. „Obwohl die weltweiten Energiepreise im Frühjahr deutlich gesunken sind, hat der kleine Einzelhändler noch das ganze Jahr über extrem belastende Strom- und Gaspreise zu tragen gehabt.“ Angesichts des ohnehin verhaltenen Konsumverhaltens hätten viele Händler diese erhöhten Kosten allerdings nicht an den Kunden weitergegeben und somit auf eigene Gewinne verzichtet. Wirklich gute Umsatztage waren nach Rückmeldung an den Werbekreis die vier verkaufsoffenen Marktsonntage in Wolfratshausen in diesem Jahr, der Mittefastenmarkt, der Nepomukmarkt, der Kirchweihmarkt und der Martinimarkt. „Ein deutlich überdurchschnittlicher Umsatz bei den Einzelhändlern durch längere Verweildauer der Kunden und viele auswärtige Besucher“, fasst Kunstmann zusammen.

Kunden überlegen genau

Auch in der Nachbarstadt Geretsried haben die Einzelhändler ein verändertes Konsumverhalten der Kunden beobachtet. Als „gezielter und vorsichtiger“ bezeichnet es etwa Frederik Holthaus, Inhaber des Isarkaufhauses, im Vergleich zu früheren Jahren. „Bevor Geld ausgegeben wird, überlegen die Leute genau.“ Sein Nachbar pflichtet ihm in diesem Punkt bei. „Die Wegwerfgesellschaft ist vorbei, es wird auch mal was weitergegeben“, meint Rudi Utzinger vom gleichnamigen Sportgeschäft auf der anderen Straßenseite. „Das kann ja gerade bei Sportartikeln durchaus sinnvoll sein. Außerdem sind die Kunden bestens vorinformiert und kaufen zielgerichteter als früher.“

In Geretsried lockt das neue Zentrum Kunden von weiter her

Gleichwohl herrscht in Geretsried tatsächlich Festtagsstimmung, weil wie berichtet im Sommer dieses Jahres die Baustelle an der Egerlandstraße nach dreieinhalb Jahren fertiggestellt wurde und die neue Tiefgarage mit insgesamt 217 Plätzen eröffnet wurde. „Andere Kommunen reden jahrelang über so etwas, und wir haben es geschafft“ freut sich Utzinger. Da das Geschäft wie andere auch andere Läden die Parkgebühr für Kunden übernehme, kämen ins Sportfachgeschäft mittlerweile zusätzlich zum treuen Stammpublikum viele Autofahrer aus dem Münchner Süden. „Die Kunden schätzen nach der Anonymität des Onlinehandels zu Pandemiezeiten den stationären Handel wieder sehr“, meint er. „Ein persönliches Gespräch, echte Beratung und neben dem Geschäft auch mal einen Spaß machen, ist wichtig“, so der erfahrene Geschäftsmann, für den die Zahlen dieses Jahr weniger aussagekräftig sind, da die Vergleichszahlen durch die lange Vollsperrung der Geretsried Innenstadt beeinflusst sind.

Umsatzzahlen mit dem Vorjahr vergleichen will auch das Isarkaufhaus nicht. „Die Freigabe der Egerlandstraße –wenngleich noch in bedauerlichem Zustand – war ein großes freudiges Ereignis“, urteilt Holthaus. „Wir haben wieder viele Kunden im Haus, schön wären auch noch mehr Besucher aus den Nachbargemeinden, die vom Ende der Baustelle noch nichts mitbekommen haben.“

Wintereinbruch „ein Glücksfall“

Ein Fazit für 2023? „Der Wintereinbruch hat gezeigt, dass es ihn noch gibt und war ein Glücksfall für unser Weihnachtsgeschäft“ freut sich Sporthändler Utzinger. „Überhaupt sollten wir zufrieden sein und und gelassen dem entgegensehen, was auf uns zukommt.“ Auch Hans-Joachim Kunstmann sieht jeden Einzelnen am Zug. „Nur klagen hilft nichts, vieles hängt auch von uns selbst ab.“ Jeder könne selbst entscheiden, wo er sein Geld ausgibt. „Die Leute mögen verstehen, dass regionale Händler vom Umsatz leben und nicht von der Anzahl digitaler Likes auf Social Media.“ Von Natalia Doronkin

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