„Total hartes Ringen“: Moosburgs FDP-Stadtrat Philipp Fincke erklärt plötzlichen Parteiaustritt

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Enttäuscht vom Wertekompass der Freien Demokraten: Der Moosburger Stadtrat Philipp Fincke ist aus der FDP ausgetreten. Eine erneute Kandidatur für das Kommunalparlament will der Parteilose, der vor wenigen Wochen Vater wurde, erst noch ausloten. © privat

Der Moosburger Stadtrat Philipp Fincke hat überraschend seine Partei, die FDP, verlassen. Im Interview erklärt er die Hintergründe – und was ihn umstimmen könnte.

Moosburg – Er hatte für die FDP 2020 als Moosburger Bürgermeister kandidiert und eroberte für sie dann immerhin als erstes und einziges Parteimitglied einen Stadtratssitz. Jetzt wurde bekannt: Philipp Fincke ist nach fast einem Jahrzehnt bei den Freien Demokraten ausgetreten. Das FT hat sich bei dem 31-Jährigen nach den Gründen erkundigt.

Herr Fincke, seit kurzem firmieren Sie im Moosburger Stadtrat als „parteilos“, eine öffentliche Erklärung zu Ihrem Austritt aus der FDP ist uns aber nicht bekannt. Wie kommt das?

Ich wollte im Wahlkampf keinen großen Trubel veranstalten oder damit anderen Parteimitgliedern im Weg stehen.

Was ist denn vorgefallen, dass Sie Ihrer langjährigen Partei den Rücken gekehrt haben?

Im Wesentlichen der Umgang mit dem „D-Day-Papier“. Mit dieser Kriegsrhetorik und Art der Kommunikation kann ich mich nicht anfreunden, auch wenn ich inhaltliche Überzeugungen der Partei teile.

Gibt sich gern kämpferisch: Philipp Fincke.
Gab sich für die FDP gern kämpferisch: Philipp Fincke kandidierte 2020 für das Moosburger Bürgermeisteramt, allerdings ohne Erfolg. Dafür zog er als allererstes FDP-Mitglied in den Stadtrat ein. © Archiv: Lehmann

Ist Ihr Austritt als Signal in Richtung Christian Lindner zu verstehen?

Am Ende weiß ich nicht, ob er über das Papier Bescheid wusste, das ist mir auch nicht so wichtig. Was mich eher erschreckt hat, war, dass es auf diesen Eklat keine Reaktion von der FDP-Basis gegeben hat. Abseits von der Erklärung der Parteispitze hatte ich den Eindruck, dass es allen in gewisser Weise wurscht ist. Die einzigen, die sich dem offen entgegengestellt haben, waren die JuLis, die Jungen Liberalen. Die haben ihren Wertekompass beibehalten, deshalb bin ich dort auch weiter Mitglied.

Welche politischen Inhalte der Partei entsprechen denn Ihren Vorstellungen?

Grundsätzlich, dass die Freiheit des Einzelnen im Vordergrund steht und dass wir nach einer Rezession von zwei Jahren eine Wirtschaftswende brauchen. Da bin ich total auf Linie der Partei. Aber die Art, wie man die Ampel verlassen wollte, passt nicht zu meinen Ansichten.

„Offene Feldschlacht“ ist ein Wording, das ich nicht im politischen Diskurs sehe.

Wieso?

Man darf sich in der Sache streiten, aber gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung politischer Ränder muss man einfach schauen, wie man gewisse Dinge kommuniziert. „Offene Feldschlacht“ ist ein Wording, das ich nicht im politischen Diskurs sehe. Oder auch schon allein der Begriff „D-Day“.

Ist Ihnen die Entscheidung schwergefallen?

Es war ein total hartes Ringen in mir. Die FDP war immer meine politische Heimat, in der ich mich am wohlsten gefühlt habe. Für sie habe ich jahrelang Plakate aufgehängt und an etlichen Samstagen versucht, die Leute zu überzeugen, FDP zu wählen und dass sie die besten politischen Ideen hat. Mit der FDP vor Ort gibt’s überhaupt keinen Disput, wir verstehen uns nach wie vor sehr gut. Ich kann mich auch mit keiner anderen Partei identifizieren, das würde nicht passen.

Was muss sich dann Ihrer Meinung nach in der FDP ändern?

Ich wünsche ihr wieder politischen Erfolg mit einem klaren Fokus auf Menschenrechte und eine zielorientierte Politik. Wenn das der Fall ist, kann ich mir durchaus vorstellen, dass ich wieder eintrete. Ich verfolge jedenfalls ganz gespannt, wie sich die FDP für die Zukunft rüstet und aufstellt.

Die Bundestagswahl wurde zum Fiasko für die Partei. Was fühlen Sie beim Blick auf die Ergebnisse?

Für mich ist am Erschreckendsten, wie sich die politischen Ränder entwickelt haben und dass sich dort eine Sperrminorität ergeben hat – gerade vor dem Hintergrund, was die USA und Russland gerade so treiben und welche großen Entscheidungen nötig sind. Dass jetzt keine liberale Partei mehr im Bundestag vertreten ist, ist nicht gut, auch wenn sich die FDP vielleicht ein bisschen auf Abwegen befindet. Ich glaube, sie wurde zurecht abgestraft. Eine Gelbe Karte mit 5,01 Prozent hätte in meinen Augen besser getan und auch die nötigen Personaldebatten angestoßen. Deutschland braucht eine liberale Partei.

Wie haben Ihre Parteifreunde und Ihr Umfeld auf den Austritt reagiert?

Ich hab‘ das ja nicht an die große Glocke gehängt. Innerhalb der Kreis-FDP habe ich mich in der WhatsApp-Gruppe verabschiedet und meinen Schritt erklärt. Da kam ausschließlich Bedauern zurück. Kreisvorsitzender Timo Ecker wollte mit mir nochmal telefonieren, Tobias Weiskopf hat mir eine lange Nachricht geschickt und wollte wissen, wie es dazu kam. In meinem persönlichen Umfeld bin ich auf viel Verständnis gestoßen.

Ändert sich im Moosburger Stadtrat etwas für Sie?

Nachdem ich bisher schon ein Einzelkämpfer war, ändert sich gar nichts.

Und haben Sie schon überlegt, wie es mit der Kandidatur zur nächsten Kommunalwahl aussieht?

Aktuell konzentriere ich mich auf meine Tochter, die ist drei Wochen alt. Gerade werden bei mir sämtliche Ehrenämter ein bisschen auf den Prüfstand gestellt und ich schaue, wie viel Zeit noch übrig bleibt. Die Entscheidung über eine erneute Stadtratskandidatur wird zu gegebener Zeit getroffen.

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