Die Wohnbaugenossenschaft Maro ist insolvent – für die 50 Bewohner des Maro-Mehrgenerationenhauses in Karlsfeld eine Katastrophe. Vielen droht der finanzielle Ruin. Die Hausgemeinschaft hat sich nun mit einem dringenden Appell an Politiker und Banken gewandt. Denn die Zeit drängt.
Karlsfeld – An der Bayernwerkstraße in Karlsfeld ist vor knapp einem Jahr etwas im Landkreis Dachau Einzigartiges entstanden: der soziale Wohnkomplex der Maro-Genossenschaft, in dem mehrere Generationen zusammenleben. Für die 50 Bewohner, aus dem Raum München und Kreis Dachau, erfüllte sich damit der Traum vom gemeinschaftlichen, sorgenfreien Wohnen. Doch dieser Traum droht nun zu platzen. Denn die Maro-Wohnbaugenossenschaft, die in Ohlstadt (Kreis Garmisch-Partenkirchen) ihren Sitz hat und in ganz Oberbayern Häuser betreibt, hat im März Insolvenzantrag gestellt.
Die Wohnbaugenossenschaft Maro ist insolvent
Der Grund für die finanzielle Schieflage: Eine regionale Bank hat laut den Bewohnern für ein Bauprojekt in Landsham im Landkreis Ebersberg die Anschlussfinanzierung zurückgezogen. Dort sollten ein Mehrgenerationenhaus und Demenz-Pflege-Wohngemeinschaften entstehen.
Rettet die Maro!
Die Gemeinschaft und der Zusammenhalt ist das, was Maro-Projekte auszeichnet. Es ist das, was die Bewohner in Karlsfeld an dem Konzept so sehr schätzen. „Nirgendwo können wir so wohnen wie hier“, sagt Angelina Cataneo, eine der Haussprecherinnen. Neben separaten Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen gibt es im Mehrgenerationenhaus in Karlsfeld auch einen großen, hellen Gemeinschaftsraum mit moderner Küche. In letzter Zeit kommen die Mieter hier oft zusammen. Aber nicht, um wie früher zu ratschen und zu lachen, sondern um sich gegenseitig zu trösten und Mut zu machen.
Die Gemeinschaft und der Zusammenhalt ist das, was Maro-Projekte auszeichnet
„Wir sind am Ende mit unseren Nerven, das ist ein Albtraum“, sagt der 77-jährige Mieter Ben Khemais. Seit dem Insolvenzantrag bangen er und die anderen Mieter um ihre Zukunft. „Wenn die Maro untergeht, dann gehen wir mit ihr unter“, sagt Haussprecherin Rafia Cisse. Denn das, was sich im 30 Kilometer entfernten Landsham abspielt, betrifft alle der insgesamt 2100 Maro-Genossen – auch die in Karlsfeld.
Ihnen droht der Totalverlust ihrer Genossenschafts- und Wohnpflichtanteile. Diese liegen zwischen 38 000 und 82 000 Euro – je nach dem wie groß die Wohnung ist und ob sie gefördert oder frei finanziert wird. „Es geht hier um viel Geld und um Existenzen“, sagt die Mieterin Julianna Sonsala-Braun.
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Bewohner fürchten nun um ihre Existenz, haben Angst, auf der Straße zu landen
Unter den Mietern befinden sich einige, die auf dem freien Wohnungsmarkt kaum eine Chance haben. Menschen mit ausländisch klingenden Namen, alleinerziehende Mütter, die teilweise chronisch krank sind oder sich und ihre Kinder mit drei Jobs über Wasser halten.
„Es ist nicht so, dass uns viele Möglichkeiten zur Verfügung stehen“, sagt eine Mieterin, die anonym bleiben will. Sie habe elf Jahre in München nach einer Wohnung gesucht, erzählt die alleinerziehende Mutter. Als die 42-Jährige von dem Maro-Projekt in Karlsfeld erfuhr, nahm sie einen Kredit auf, um ihre Genossenschaftsanteile und Wohnpflichtanteile zu finanzieren. 20 Jahre lang muss sie den Kredit abbezahlen. „Ich habe Multiple Sklerose und keine Lebensversicherung. Die Maro ist meine Altersvorsorge. Wenn das hier vorbei ist, dann kann ich betteln gehen.“
Viele verschuldeten sich, um den Traum vom gemeinschaftlichen Wohnen im Maro-Haus zu leben
Sie ist nicht die Einzige, die sich verschuldete, um den Traum vom gemeinschaftlichen Wohnen im Maro-Haus zu leben. Viele haben Kredite bei der Bank aufgenommen, auch für Möbel oder eine neue Küche.
Wieder andere könnten nicht nur ihre Pflichtanteile verlieren. Ein Paar, Mitte 70, investierte zudem einen Freibetrag in Höhe von 200 000 Euro. Sie habe das Konzept der Mehrgenerationenhäuser und Pflege-Demenz-WGs der Maro angesprochen. „Wir unterstützen das, weil wir denken: Das ist die Zukunft!“
Die Zukunft der Maro ist ungewiss
Doch zurzeit ist die Zukunft der Maro und der Genossen alles andere als gewiss. Wenn die Maro aufgelöst wird, gibt es zwei Optionen: Eine andere Genossenschaft kauft das Maro-Haus auf. Dann müssten die Bewohner jedoch erneut mehrere 10 000 Euro an neuen Genossenschaftsanteilen zahlen – Geld, das die meisten nicht haben. Für den Fall, dass ein privater Investor das Mehrgenerationenhaus in Karlsfeld weiterbetreiben würde, müssten die Bewohner mit deutlich höheren Mieten rechnen. „Wir haben Angst, auf der Straße zu landen“, fürchtet Ben Khemais.
Die Hausgemeinschaft hat sich mit einem dringenden Appell an Politiker und Banken gewandt
Auch wenn Frust, Angst und Unverständnis den Alltag der 50 Karlsfelder momentan bestimmen, so geben sie die Hoffnung nicht auf. In mehreren Brandbriefen und mit einer Petition wendeten sie sich an Banken, Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker. Ihre Botschaft: „Wir stehen hinter der Maro!“. Ihr Appell: „Rettet die Maro!“
Der Wohnbaugenossenschaft fehlen 5 Millionen Euro, um zahlungsfähig zu bleiben. Bislang gab es zwar 1,25 Millionen Euro an privaten Unterstützungszusagen, doch das reicht nicht, und die Maro-Genossenschaft Zeit drängt. Zwei Wochen hat Maro noch Zeit, einen Insolvenzplan zu verabschieden, dann wird ein klassisches Insolvenzverfahren eröffnet.