Israel erkennt Strafgerichtshof nicht an: Netanjahu droht trotzdem ein Haftbefehl
Ein internationaler Haftbefehl durch den IStGH wegen Kriegsverbrechen in Gaza hätte für Israels Regierungschef nicht nur eine enorme Symbolwirkung.
Den Haag – Wann kommt im Gaza-Krieg die seit Längerem erwartete Militäroffensive des israelischen Militärs in Rafah? Die Führung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zögert, wohl auch wegen des international steigenden Drucks, das Vorgehen gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen zu überdenken. Doch der Regierungschef und andere Mitglieder seines Kriegskabinetts haben noch andere Sorgen: Ihnen droht ein Haftbefehl durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH).
Netanjahu droht Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag
Israelische Medien hatten berichtet, dass Netanjahu befürchtet, IStGH-Chefankläger Karim Khan könnte noch in dieser Woche internationale Haftbefehle für ihn, Verteidigungsminister Joav Galant sowie den Generalstabschef Herzi Halevi ausstellen. Doch wie wahrscheinlich ist ein Haftbefehl gegen Netanjahu und was wären die Folgen?

Der Strafgerichtshof ermittelt bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in den palästinensischen Gebieten. Kurz zuvor hatte das Gericht seine Zuständigkeit für Ostjerusalem, den Gazastreifen und das Westjordanland angenommen. Ende 2023 hatte Khan die Palästinensergebiete und Israel besucht und die Parteien im Gaza-Krieg zur Achtung des Völkerrechts ausgerufen. „Wenn sie es nicht tun, dürfen sie sich nicht wundern, dass wir gezwungen sind zu handeln“, hatte er anschließend gesagt. Kurz darauf verklagte Südafrika Israel wegen Völkermords.
Israel erkennt IStGH nicht an – Ermittlungen gegen Netanjahu dennoch möglich
Während die Palästinensische Autonomiebehörde dem IStGH in Den Haag im Jahr 2015 beitrat, erkennt Israel ihn nicht an. Allerdings ermittelt der Gerichtshof nicht gegen Staaten, sondern gegen Individuen. So ist etwa seit März 2023 auch auf Kremlchef Wladimir Putin ein internationaler Haftbefehl ausgestellt. Das droht nun auch israelischen Offiziellen, weil es um mögliche Verbrechen auf dem Boden einer Vertragspartei geht. Dabei ist es unerheblich, ob sie selbst tätig wurden oder die Befehle dazu gaben.
Sollte gegen Netanjahu und andere tatsächlich Haftbefehl ergehen, hätte es eine enorme symbolische Wirkung. Deren Bewegungsfreiheit wäre massiv eingeschränkt und Israels Ansehen erheblich geschädigt. 124 Staaten erkennen den IStGH an – Israel zählt nicht dazu. Diese Nationen könnte Netanjahu nicht mehr bereisen, ohne eine Festnahme und Auslieferung nach Den Haag zu befürchten.
Würde Deutschland Netanjahu wirklich festnehmen?
In Artikel 59 des IStGH-Statuts heißt es: „Ein Vertragsstaat, dem ein Ersuchen um vorläufige Festnahme oder um Festnahme und Überstellung zugegangen ist, ergreift sofort Maßnahmen zur Festnahme der fraglichen Person in Übereinstimmung mit seinen Rechtsvorschriften.“ Demnach müsste auch Deutschland Netanjahu festnehmen, sollte er deutschen Boden betreten. Doch ist es vorstellbar, dass Bundespolizisten ihn bei der Ankunft zu einem Staatsbesuch festsetzen?
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Anders sieht es bei den USA aus, die wie etwa Russland oder China den IStGH nicht anerkennen. Sie müssten Benjamin Netanjahu nicht ausliefern. Dass sie das wohl ohnehin nicht tun würden, untermauern Aussagen der Sprecherin des Weißen Hauses. Man unterstütze die Ermittlungen nicht und sei außerdem überzeugt, dass der Strafgerichtshof in Den Haag keine rechtliche Zuständigkeit habe, sagte Karine Jean-Pierre am Montag (29. April). (mt)