Deutschlands Solarboom stresst Stromnetze – droht der Kollaps?
Die Erneuerbaren Energie kommen voran, doch beim Netzausbau hackt es nach wie vor. Der Einsatz von Großbatterien spielt für die Energiesicherheit eine Schlüsselrolle - ohne Anschluss ans Netz sind derartige Speicher allerdings wertlos.
Berlin – Die Energiewende in Deutschland bietet beim Ausbau von Infrastrukturen Unternehmen ein lukratives Geschäftsfeld. Weil die Energie, die aus nachhaltigen Quellen gewonnen wird, wetterbedingt hohen Schwankungen unterliegt, gewinnen Energiespeicher wie Megabatterien an Bedeutung. Mit steigender Nachfrage nach Batteriegroßspeichern kommt jedoch ein weiteres Problem auf, welches die Stromsicherheit in naher Zukunft gefährden könnte: fehlende Netzanschlüsse.
Rekord an Photovoltaikausbau: Deutschlands Infrastruktur ineffizient aufgestellt
Installationen von Solarpanels haben im Jahr 2023 laut Bundesnetzagentur eine Verdopplung im Vorjahresvergleich erreicht. Die installierte Gesamtleistung betrug 81,7 Gigawatt. Ziel bis 2030 soll es sein, 215 Gigawatt aus Sonnenenergie gewinnen zu können.
Doch Solarenergie unterliegt täglichen Schwankungen, was zur Folge hat, dass die Nachfrage nicht sofort gedeckt werden kann. Um also die volatile Energiezufuhr aus Solarquellen nachhaltig regulieren zu können, müssen Speicher eingesetzt werden. Andernfalls wird der Strom direkt ins Netz eingespeist, bei schwacher Nachfrage werden Anlagen abgeschaltet.
Bisher konzentrierten sich Netzbetreiber mehr auf den Ausbau der Netze, statt an Großspeicherausbau zu arbeiten. Im Süden des Landes fehlen Netze für Erneuerbare Energie, weswegen konventionelle Erzeugeranlagen angeschaltet werden müssen. Im Norden dagegen müssen Anlagen abgeschaltet werden, um das Netz nicht zu überlasten. Die Eingriffe haben Kosten im dreistelligen Millionenbereich zur Folge, was sich am Ende auch auf den Strompreis auswirkt.
Megabatterien boomen: Rettung vor dem Stromkollaps?
Es finden sich mittlerweile etliche Investoren, die ins Großspeichergeschäft bei Netzbetreibern einsteigen wollen. Megabatterien eignen sich zur Entlastung bzw. Regulierung der zeitlichen und regionalen Erzeugung sowie Nachfrage und spielen eine große Rolle für die Stromsicherheit. Für das vergangene Jahr beziffert der Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES) der Branche einen Umsatz von 12,1 Milliarden Euro - ein Wachstum von 30 Prozent im Vorjahresvergleich.

Zwar ist der Zuwachs durch Solarenergie zur Erfüllung der Klimaziele erfreulich, doch das Stromnetz in Deutschland könnte laut Experten wegen fehlender Infrastruktur zu stark belastet werden - und im schlimmsten Fall kollabieren. Die Megabatterien könnten zum Retter der Stromversorgung und Energiewende werden, wenn diese auch an entsprechende Netze angeschlossen würden. Damit würde ein wesentlich effizienterer Umgang mit überschüssigem Strom erzielt, da sonst der Strom ans Ausland verkauft wird - und vielleicht muss dafür auch noch draufgezahlt werden.
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Netzanschlussbetriebe überfordert: Megabatterien ziehen Stromspekulanten an
„Wegen der fehlenden Netzanschlüsse kommt der notwendige Speicherausbau viel zu langsam voran“, teilte Florian Antwerpen, Ko-Geschäftsführer des Münchner Stromspeicher-Unternehmens Kyon Energy, der F.A.Z. mit. Kyon Energy betreut den Ausbau eines Großbatterieprojektes in Alfeld, zwischen Hildesheim und Göttingen. „Die Tendenz bei den Wartezeiten auf Netzanschlüsse ist extrem stark steigend“, so Antwerpen. Neben fehlender Netzanschlusskapazitäten seien bürokratische Genehmigungsverfahren einfach zu lang: „24 bis 30 Monate sind inzwischen die Regel. Immer öfter werden Anfragen ganz abgewiesen“, beschwert sich der Unternehmer über die Situation.
Weil ein großes Interesse in Investitionen in das Geschäft mit Energiespeichern besteht, müssten Netzbetreiber Anträge aber ablehnen – denn der Markt ziehe mehr und mehr Stromspekulanten an. „Wir sehen ja sehr viele Stunden inzwischen, an denen die Preise an der Strombörse auch ins Negative fallen. Und da wird es sehr attraktiv, Strom abzunehmen, denn ich kriege ja noch Geld dafür, und in den Batteriespeicher einzuspeichern“, erklärte Stefan Kapferer, Vorstandschef der Netzbetreiber-Firma 50Hertz, dem MDR. Abends könne man den Strom dann wieder verkaufen, weil er dann erneut in den positiven Bereich fällt. Mit den hunderten Anfragen sehen sich die Betreiber mittlerweile überfordert.
Sorge um Stromsicherheit: Belastung kann zu Kollaps führen
Der steigende Bedarf an Strom in den kommenden Jahren wird die Lage weiter verschärfen. Wärmepumpen, E-Autos und die Nutzung neuartige Technologien wie Künstliche Intelligenz gelten mittlerweile als regelrechte Stromfresser - und sie werden immer hungriger. Laut Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums sind bis 2030 750 Terawattstunden nötig, um den Bedarf zu decken. Im Jahr 2021 waren es 560 Terawattstunden.
Es seien hierzulande bereits Batteriegroßspeicher mit 1,9 Gigawattstunden vorhanden, wie Berechnungen der Battery Charts der Universität Aachen zeigen. Laut Angaben des Fraunhofer-Instituts werde der Bedarf bis 2030 in Deutschland 200-mal höher sein. Demnach würden Speicherkapazitäten von 83 Gigawattstunden benötigt.
Kurz und auch langfristig sollte eine angemessene Lösung zwischen Speicher- und Netzausbauinfrastruktur gefunden werden. Für Netzbetreiber sei Ökonomen zufolge ein breiter Netzausbau gewinnbringender. Für Investoren von Photovoltaik-Freiflächenanlage lohne sich wegen der einheitlichen Einspeisepreise ein Speicher meist nicht. Doch die Lithium-Energiespeicher können für eine effizientere Energiewirtschaft sorgen - und im schlimmsten Fall einen Ausfall wegen Überlastungen verhindern.