Deutsche Wirtschaft erlebt Debakel-Jahr – auch 2025 „Schlusslicht“ unter Industriestaaten

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Die Weltwirtschaft wächst, doch Deutschlands BIP stagniert 2024. Auch für kommendes Jahr fällt die Prognose der OECD düster aus – was auch mit der Schuldenbremse zu tun hat.

Paris – Die Weltwirtschaft wächst, nur Deutschland taumelt weiter. So lässt sich der aktuelle Wirtschaftsausblick der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf den Punkt bringen: So rechnet sie für 2025 mit einem Anstieg des weltweiten Bruttoinlandprodukts von rund 3,3 Prozent – während sich das deutsche nur um minimale 0,7 Prozent vergrößern werde. Zum Vergleich: Der Euroraum liegt bei 1,3 Prozent, die USA bei 2,4 und China sogar bei 4,7 Prozent. Gegenüber Reuters erklärte die Expertin Isabell Koske von der Organisation, dass Deutschland 2025 „das Schlusslicht unter den OECD-Ländern“ bilden werde  – zumal im Mai noch ein Wachstum von 1,1 Prozent prognostiziert worden war. Die Bilanz für das laufende Jahr fällt hingegen noch düsterer aus: Für 2024 geht die OECD davon aus, dass Deutschlands BIP gleich bleiben wird – einzig Argentinien (-3,8 Prozent) und Japan (-0,3) wiesen unter den G20 Ländern einen geringeren Wert auf.

OECD-Bericht fällt vernichtendes Urteil über deutsche Wirtschaft – erst 2026 geht es wieder bergauf

Speziell das schwache China-Geschäft, auf das die Exportnation in Branchen wie Auto, Stahl oder Pharma angewiesen ist, sei ein Hauptgrund für das stagnierende Wachstum in Deutschland gewesen. Weiterhin habe sich China selbst zu einem Konkurrenten auf dem Exportmarkt entwickelt, wie auch OECD-Experte Robert Grundke erklärte. Und obwohl die Energiepreise in Deutschland seit Beginn des Ukraine-Kriegs gesunken sind, kämpften die energieintensiven Industrien nach wie vor mit hohen Standortkosten.

Immerhin: 2026 erwartet die OECD auch für Deutschland wieder ein Wachstum von rund 1,2 Prozent. Doch auch hier bleibt das Wachstum im Vergleich zu anderen G20-Nationen nur ein zartes Pflänzchen. Erneut ist der Abstand zu den USA (2,1 Prozent) und China (4,4) sowie auch zu Ländern wie Spanien (2) oder Brasilien (1,9) noch deutlich. Den drastischsten Einbruch erlebe laut der OECD allerdings Russland: Das Wachstum des BIP fällt von 4,9 Prozent in 2024 auf 1,1 Prozent in 2025 und 0,9 in 2026.

Die Folgen des Angriffs auf die Ukraine dürften ausschlaggebend für diese Negativkurve sein: Russland hatte dank hoher Investitionen in die Rüstungsindustrie kurzfristig für Wirtschaftswachstum gesorgt – langfristig erweist sich diese Strategie als allerdings wenig nachhaltig.

Hamburger Hafen
Die OECD erwartet 2024 in Deutschland nur ein geringes Wirtschaftswachstum. © Marcus Brandt/dpa

Sparpolitik hält Inflation klein, doch bremst Wachstum: OECD rät zur Reform der Schuldenbremse

In Deutschland seien laut dem OECD-Bericht allerdings öffentliche Ausgaben dank der restriktiven Fiskalpolitik weitgehend ausgeblieben. Das läge zum Teil am Festhalten an der Schuldenbremse der ehemaligen Ampel-Koalition und auch verfassungsrechtlichen Einschränkungen zur Nutzung von Sondervermögen. Diese Sparpolitik hat die Inflation mit 2,4 Prozent zwar niedrig gehalten, aber auch das Wachstum gebremst. Laut OECD werde sich der Rückgang der Inflation auch für 2025 (2,0) und 2026 (1,9) fortsetzen. Damit läge Deutschland sogar minimal unter der Euro-Zone sowie den USA.

Gemeinsam mit steigenden Löhnen sorge die geringe Inflation perspektivisch dafür, dass die Realeinkommen und der private Verbrauch stabil blieben, prognostiziert die OECD. Von der Erholung dürften auch die Unternehmen profitieren, die über hohe Ersparnisse verfügen sowie auf sinkende Zinssätze hoffen könnten. Um das Wachstum künftig stärker anzukurbeln, empfiehlt der Bericht eine Reform der Schuldenbremse, „um den Spielraum für Nettoinvestitionen zu erhöhen“.

Damit könnten etwa wichtige klima- und umweltpolitische Projekte wie etwa dem Klima- und Transformationsfonds wieder refinanziert werden. Weiterhin bräuchten Investoren Planungssicherheit für den künftigen Kurs innerhalb der deutschen Wirtschaft, weshalb die OECD mehr Einigkeit in strategischen Fragen fordert.

Wirtschaftspolitischer Stillstand durch Ampel-Chaos – Kampf gegen Fachkräftemangel stagniert

Bereits gefällte Entscheidungen, etwa zur Elektromobilität, wieder infrage zu stellen, erzeugt große Unsicherheit und behindert Investitionen, erklärt Grundke. Besonders der wirtschaftspolitische Stillstand der vergangenen Monate, der letztlich zum Bruch der Koalition aus SPD, Grünen und FDP führte, habe für viel Unsicherheit geführt. Zudem blieben wichtige Projekte bis mindestens nach den Neuwahlen unberührt.

Folgende Maßnahmen seien von dieser Stagnation betroffen:  

  • Großzügigere Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen
  • Steuerliche Anreize für den Kauf von Elektrofahrzeugen
  • Verringerung des Verwaltungsaufwands
  • Steuerliche Anreize zur Erhöhung des Arbeitskräfteangebots für ältere Arbeitnehmer und Migranten

In diesem Zusammenhang sei ein politisches Handeln in Bezug auf den hohen Fachkräftemangel in Deutschland unverzichtbar. Hier müsste die kommende Regierung stärkere Arbeitsanreize für Frauen, ältere Arbeitnehmer und Geringverdiener setzen.

Das größte BIP-Wachstum für das aktuelle Jahr sagt die OECD übrigens Indien und Indonesien voraus: In Indien betrage das Plus 2024 6,8 Prozent (2025: 6,9; 2026: 6,8). Für Indonesien liege der Wert 2024 bei 4,1 Prozent (2025: 5,2; 2026: 5,1). Im Jahr 2025 mache Argentinien unter dem umstrittenen Präsidenten Javier Milei einen gewaltigen Sprung: Das BIP von -3,8 Prozent im Jahr 2024 steige 2025 auf 3,6 Prozent

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