Nach 120 Jahren: Traditionswirt nahe Starnberger See schließt
Das Gasthaus Gerer in Ammerland wird im Sommer 2026 schließen. Die Wirte haben sich den Schritt gut überlegt. Trotzdem wird damit eine weitere Traditionswirtschaft aus dem Dorfleben verschwinden.
Münsing – Es ist ein Abschied mit längerer Ankündigung, aber deshalb nicht weniger schmerzhaft: Das Gasthaus Gerer in Ammerland wird voraussichtlich im Sommer nächsten Jahres schließen. Nach dem Neuwirt in Münsing ist der Gerer eine weitere Traditionswirtschaft, die aus dem Dorfleben verschwindet. Gabriele Gerer (64) und ihr Mann Günter Stroka-Gerer (67) haben sich den Schritt gut überlegt. „Natürlich schwingt Wehmut mit, dass wir zumachen. Aber es gibt auch ein Leben nach der Arbeit“, sagt Günter Stroka-Gerer.

1893 pachteten die Urgroßeltern von Gabi Gerer den Gasthof an der Hauptstraße. 1906 kauften sie ihn. Seitdem befindet sich das Lokal samt Ferienwohnungen darüber in Familienbesitz. Am 1. August 1976 fing Gabi Gerer nach ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau im elterlichen Betrieb an. „Ich wollte nirgendwo anders hin, ich wollt‘ daheim bleiben“, sagt sie. 1989 übernahmen sie und ihr Mann den Hof. „Die 50 Jahre möchte ich gern noch voll machen“, sagt die Wirtin.
Es werde also auf eine Schließung nach der Sommersaison 2026 hinauslaufen. Ihren Stammgästen haben die Gerers bereits von ihrem Entschluss erzählt. Die hätten natürlich traurig reagiert, aber auch Verständnis gezeigt, meint Günter Stroka-Gerer. Die Gastronomie sei einfach ein unglaublich hartes Brot.
Man stehe mehr als 40 Stunden die Woche in der Küche oder im Service, habe nie ein Wochenende frei, geschweige denn mal Urlaub. Im Winter sei es ruhiger, ergänzt Gabi Gerer, aber da sein müsse man immer. Zur Blütezeit in den 1980er und 1990er Jahren habe man eine feste Bedienung beschäftigt, im Sommer zusätzlich Aushilfen.
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Gäste schätzen die gute Küche
Seit etwa 15 Jahren schaffen es die Gerers mit gelegentlicher Unterstützung von Tochter Senta Seeberger und ihrem Mann Moritz zu zweit. Der 67-Jährige bereitet in der Küche das selbst erlegte Wild, Fisch aus dem Starnberger See, die Klassiker Schweinebraten und Wurstsalat sowie den bei den Gästen beliebten Kaiserschmarrn zu - „gut bürgerliche, bayerische Küche ohne Chichi“, wie seine Ehefrau sagt. Sie ist die Seele des Gasthofs im Service. Stets freundlich bringt sie die Gerichte an die Tische in der Gaststube, in den herrlich ruhigen Biergarten oder bei Veranstaltungen in den Saal. Dort hängen Dutzende ausgestopfter Tiere, die ihr Großvater geschossen hat, an den Wänden.
Leberkäse für den Papst in Ammerland gebacken
Die treue Kundschaft schätzt das Urige, das Einfache und Ehrliche des Gerers. Ein Blick ins Gästebuch zeigt, wer hier alles schon eingekehrt ist: Gustl Bayrhammer, Loriot und Evelyn Hamann, Otto Waalkes, Petra Schürmann, Iris Berben und Rolf Schimpf. Im Flur hängt sogar eine Urkunde von Papst Johannes Paul II, in der er der Familie den Apostolischen Segen erteilt und „die Fülle der göttlichen Gnaden erbittet“. Günter Stroka-Gerer habe einst einen Leberkäse für den Heiligen Vater gebacken, den ein Monsignore aus Münsing ihm in den Vatikan gebracht habe, erzählt Gabi Gerer.
Die bayerische Küche sei aber heute längst nicht mehr so fleischlastig wie früher, betont sie. Vegetarisches finde man regelmäßig auf der Speisekarte. Auf Wunsch und im Idealfall nach Voranmeldung seien die Wirte auch gerne bereit, sich auf Unverträglichkeiten und Allergien einzustellen.
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Das Gasthaus zu verpachten, kam für die Gerers nicht in Frage. „Wir wohnen ja im Haus. Das wäre nichts für uns“, sagen sie. Tochter Senta hat beruflich eine andere Richtung eingeschlagen. „Es müsste auch viel investiert werden bei einer Übergabe, weil die Auflagen heute deutlich strenger sind“, sagt Gabi Gerer. Hinzu komme, dass es extrem schwierig sei, in der Gastronomie Personal zu finden. Die Gästezimmer würden weiter vermietet.
Zur Zeit wohnen in ihnen Studenten der Rechtspflege. Darüber sind die Vermieter froh. Denn die Sommersaison von Mitte Juni bis Mitte September sei kurz und in der restlichen Zeit komme kaum jemand. „Der Starnberger See allein zieht nicht. Du brauchst die Berge zum Wandern oder Skifahren in der Nähe und am besten noch einen Wellness-Bereich“, sagt Gabi Gerer. Sie freue sich auf diesen und den nächsten Sommer mit netten Gästen und dem langjährigen Stammtisch. Aber danach werde ihnen sicher nicht langweilig, betont das Ehepaar. Von Tanja Lühr