Femizid: Welche Warnzeichen Sie kennen sollten

Femizid ist die Bezeichnung für die absichtliche Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Es stellt die extremste Ausprägung geschlechtsspezifischer Gewalt dar und ist häufig das Endresultat einer langen Historie von psychischer Manipulation, emotionalem Missbrauch und Kontrolle. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Femizid ein Verbrechen aus Leidenschaft oder spontaner Wut ist. Die Realität ist weitaus komplexer.

Femizid ist kein impulsiver Akt, sondern eine gezielte Machtausübung und Kontrollhandlung. Oftmals zeichnet sich ein Femizid lange im Voraus ab, gekennzeichnet durch psychische Gewalt, Drohungen und intensive Kontrollmechanismen. Täter mit einem starken Kontrollbedürfnis können es nicht ertragen, verlassen zu werden oder die Kontrolle über ihr „Besitzobjekt“ zu verlieren. Dieses Verhalten ist ein Vorzeichen für potenzielle Femizide.

Das Tragische an dieser Situation ist, dass viele betroffene Frauen die tödliche Gefahr, in der sie sich befinden, nicht erkennen. Die Gewalt beginnt meist schleichend und eskaliert über Jahre hinweg. Viele glauben fälschlicherweise: „Er würde mir nie wirklich wehtun“, bis es schließlich zu spät ist.

Aktuelle Zahlen zu Gewalt gegen Frauen

308 Frauen und Mädchen wurden in Deutschland 2024 getötet – 191 von ihnen durch Täter aus ihrem näheren Umfeld.

Im Vergleich zum Vorjahr sind die Zahlen der versuchten und vollendeten Tötungsdelikte leicht gesunken, wie die aktuelle polizeiliche Kriminalstatistik zeigt. Die Zahl der weiblichen Opfer sexueller Gewalt ist im gleichen Zeitraum um zwei Prozent auf 53.451 Betroffene gestiegen.

Einen deutlichen Anstieg von sechs Prozent gab es bei digitaler Gewalt gegen Frauen, zum Beispiel in Form von Cyberstalking oder Drohungen im Internet: 18.224 Frauen und Mädchen wurden im letzten Jahr Opfer digitaler Gewalt.

Die Opferzahlen von häuslicher Gewalt erreichten 2024 einen neuen Höchststand mit fast 266.000 Betroffenen – der Großteil Frauen und Mädchen (70,4 Prozent). 

Die narzisstische Vorgeschichte von Femiziden: Wie Kontrolle tödlich endet

Femizide haben selten spontane Auslöser. Sie sind das Ende einer langen Spirale aus narzisstischer Kontrolle und emotionalem Missbrauch.

Narzisstische Täter:

  1. Erkennen früh die Schwächen ihrer Partnerin und nutzen sie aus, um sie emotional abhängig zu machen.
  2. Entwerten, kontrollieren und manipulieren, um ihre Macht zu festigen.
  3. Reagieren mit Wut und Rache, wenn die Partnerin gehen will – denn der Verlust der Kontrolle bedroht ihr Selbstbild.

Die Warnzeichen:

  1. Emotionale Manipulation: „Ohne mich bist du nichts!“
  2. Kontrolle und Isolation: Freunde und Familie werden schlechtgeredet oder verboten.
  3. Unberechenbare Wut und plötzliche Zärtlichkeit: Die Frau lebt in einem emotionalen Wechselbad und glaubt, sie müsse nur „besser sein“, um seine Liebe zu verdienen.

Die unsichtbare Gefahr: Warum viele Frauen die Bedrohung nicht erkennen

„Er würde mir nie etwas antun. Er liebt mich doch.“ Ein Satz, der bei vielen Betroffenen tief verwurzelt ist und zeigt, wie emotionale Manipulation die Wahrnehmung der Realität beeinträchtigen kann. Diese Manipulation kann verschiedene Formen annehmen.

Eine davon ist das sogenannte Gaslighting, eine Technik, die darauf abzielt, die Wahrnehmung der Partnerin zu verzerren. Die betroffene Person wird dazu gebracht zu glauben, dass sie übertreibt, zu empfindlich ist oder sogar die Schuld an den Ausrastern des Partners trägt.

Eine weitere Methode besteht darin, vorzugeben, sich ändern zu wollen. Dies dient jedoch nur dem Zweck, Kontrolle über die Partnerin zu behalten. Viele Frauen haben gelernt, sich anzupassen und sich klein zu machen in der Hoffnung, dass alles besser wird. Sie glauben fälschlicherweise, dass sie nur „mehr Liebe geben“ müssen, um den Partner zu beruhigen. Doch die Realität sieht anders aus: Nichts, was sie tun können, wird ihn ändern.

Die Herausforderung besteht darin, diese unsichtbare Gefahr zu erkennen und sich ihr bewusst zu stellen. Nur so können Betroffene beginnen, sich aus dem Netz der emotionalen Manipulation zu befreien und einen Weg hin zu einem gesunden und respektvollen Umgang mit sich selbst und anderen finden.

Gefährliche Ratschläge: Warum „mehr Mühe geben“ tödlich enden kann

„Bemüh dich mehr. Sei geduldig. Du musst nur besser kommunizieren.“ Diese Ratschläge, obwohl gut gemeint, können gefährliche Konsequenzen haben. Viele Frauen, die sich in schwierigen Situationen befinden, suchen Hilfe bei Freundinnen, Familienmitgliedern oder Therapeuten und erhalten solche Ratschläge. Sie werden ermutigt, mehr Verständnis zu zeigen, geduldiger zu sein aufgrund der schwierigen Kindheit des Partners oder klarer zu kommunizieren. Das Problem dabei ist, dass narzisstische Täter genau diese Bemühungen ausnutzen, um ihre Kontrolle zu verstärken. Jede zusätzliche Anstrengung der Frau wird als Schwäche interpretiert und noch mehr ausgenutzt. Infolgedessen läuft sie Gefahr, in eine tödliche Spirale aus Anpassung und Unterdrückung zu geraten.

Was Frauen in solchen Situationen wirklich benötigen, ist emotionale Unterstützung, klare Abgrenzung und den Mut, sich selbst zu schützen. Dies kann notfalls durch eine sichere Trennung und entsprechende Schutzmaßnahmen erreicht werden. Es ist wichtig zu erkennen, dass das „Mehr Mühe geben“ in solchen Fällen nicht nur nutzlos sein kann, sondern auch potenziell gefährlich.

Sich schützen und Hilfe suchen: Wie Sie aus der Spirale ausbrechen können

Femizide sind tragische Ereignisse, die sich durch eine Reihe von Warnsignalen ankündigen. Es ist wichtig zu wissen, dass es Möglichkeiten gibt, sich zu schützen und diesen gefährlichen Zyklus zu durchbrechen. Ein erster Schritt besteht darin, die Warnzeichen zu erkennen.

Kontrolle, Manipulation und emotionaler Missbrauch sind keine Ausdrücke von Liebe, sondern vielmehr Werkzeuge der Machtausübung. Wenn Sie solche Verhaltensweisen bemerken, ist es wichtig, diese als das zu erkennen, was sie sind. Es ist entscheidend, Unterstützung zu suchen. Frauenhäuser, Beratungsstellen und vertraute Personen können wertvolle Ressourcen sein.

Sie bieten nicht nur Hilfe und Unterstützung an, sondern glauben Ihnen auch und stehen Ihnen zur Seite. Vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl. Wenn Sie das Gefühl haben, in Gefahr zu sein, dann ist dieses Gefühl wahrscheinlich berechtigt. Ihr Instinkt kann ein mächtiges Werkzeug sein, um Ihre Sicherheit zu gewährleisten. Schließlich ist es wichtig, das Schweigen zu brechen. Scham und Schuldgefühle können mächtige Waffen in den Händen des Täters sein. Sprechen Sie über Ihre Erfahrungen, suchen Sie Hilfe und lassen Sie sich nicht zum Schweigen bringen.

Und vor allem: Geben Sie nicht sich selbst die Schuld. Die Verantwortung für diese Handlungen liegt allein beim Täter, der manipuliert, kontrolliert und Gewalt ausübt.

Hilfe bei Häuslicher Gewalt und Femizidgefahr

Sollten Sie selbst oder jemand den Sie kennen von Häuslicher Gewalt betroffen sein, finden Sie hier Hilfe und Beratungsangebote:

  • Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: anonym und kostenlos rund um die Uhr erreichbar, berät telefonisch unter 116 016 oder online per Mail oder Chat, mehr Infos unter www.hilfetelefon.de
  • Hilfetelefon bei sexualisierter Gewalt: anonym und kostenlos, Telefon-Sprechzeiten Montag, Mittwoch, Freitag 9-14 Uhr und Dienstag, Donnerstag 15-20 Uhr unter 0800 22 55 530, Beratung und Information online unter https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/online-beratung
  • Frauenhäuser und lokale Beratungsstellen bieten Betroffenen Schutz und Unterstützung, regionale Anlaufstellen finden Sie beim Verein Frauenhauskoordinierung und auf https://www.frauenhaus-suche.de/
  • Weißer Ring: Eine Opferschutzorganisation, die Beratung für Betroffene anbietet, berät mit Hilfe von Dolmetscherinnen auch in vielen verschiedenen Sprachen, telefonisch (0116 006, täglich 7 bis 22 Uhr), vor Ort und online erreichbar, siehe https://www.weisser-ring.de/
  • Telefonseelsorge: anonym, kostenfrei und 24/7 erreichbar unter 0800/1110111, 0800/1110222 und 116123
  • Notruf: In akuten Gefahrenlagen und Notsituationen ist die Polizei unter 110 erreichbar.

Buchtipp

  • Amsel Verlag

    Bildquelle: Amsel Verlag

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    „Tödlich verliebt“ von Chris Oeuvray

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Lebensrettend!

In diesem Artikel wird das Bewusstsein für ein ernstes und oft übersehenes Problem geschärft: Femizid. Teilen Sie diese Informationen, um Aufmerksamkeit zu erregen und möglicherweise Leben zu retten. Wenn Sie selbst betroffen sind oder jemanden kennen, der es ist, zögern Sie nicht, Hilfe zu suchen. Denken Sie daran, dass Sie nicht allein sind und dass Unterstützung verfügbar ist.

Femizid ist kein Ausdruck von Liebe, sondern die schlimmste Zuspitzung von Frauenhass und Gewalt in der Partnerschaft. Schweigen und Ignoranz verstärken dieses Verbrechen. Es ist an der Zeit, das Schweigen zu brechen und die Stimme gegen Femizid zu erheben. Indem wir dieses Thema in den Vordergrund rücken und aktiv dagegen vorgehen, können wir dazu beitragen, Leben zu retten. Jeder von uns hat die Macht, einen Unterschied zu machen. Lassen Sie uns diese Macht nutzen und gemeinsam handeln.

Chris Oeuvray ist psychologische Beraterin und Narzissmus-Expertin. In ihren Büchern wie „Du genügst“ zeigt sie Betroffenen toxischer Beziehungen Wege zu Selbstwert, Stärke und einem befreiten Leben. Sie ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen ihre persönliche Auffassung auf Basis ihrer individuellen Expertise dar.