100 Tage im Amt: Wie Trump den Faschismus nach Amerika brachte

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Im Wahlkampf scherzte Donald Trump, dass er „nur am ersten Tag“ ein Diktator sein wolle. Nach 100 Tagen im Amt zeigt sich: Er ist auf dem besten Weg, die Demokratie in den USA dauerhaft abzuschaffen.

Washington D.C. – In aktuellen Diskussionen über die USA unter Donald Trump fällt häufig der Begriff „Faschismus“. Doch sind diese Anschuldigungen wirklich gerechtfertigt? Ist die selbsterklärte Vorzeigedemokratie tatsächlich auf dem Weg in eine düstere, möglicherweise totalitäre Zukunft? Um dies zu klären, sollte man sich zunächst mit der Definition von „Faschismus“ auseinandersetzen.

Der Begriff stammt vom italienischen Wort „fascio“ (deutsch: Bündel; Amtszeichen der Leibwachen im alten Rom) und wurde von Benito Mussolini als Bezeichnung für sein politisches Regime verwendet. Die Konrad-Adenauer-Stiftung, die sich „national und international durch politische Bildung für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit“ engagiert, beschreibt den italienischen Faschismus folgendermaßen: „Der italienische Faschismus zeichnete sich aus durch ein autoritäres, Demokratie ablehnendes und auf einen Führer („Duce“) zentriertes Regierungssystem, durch eine aggressive und auf Eroberungen zielende Außenpolitik [...] Einen wirklichen Pluralismus ließ das Regime nicht zu; unter dem italienischen Faschismus gab es keine Meinungs- und Pressefreiheit; politische Gegner wurden unnachgiebig verfolgt.“

„Lang lebe der König“: Das Weiße Haus inszeniert Donald Trump auf Social Media als König von Amerika. © dpa/Evan Vucci, Weißes Haus (Fotomontage)

Führerkult in den USA: Donald Trump, größter Präsident aller Zeiten

Bereits während Trumps erster Amtszeit wurde von den Demokraten gespottet, dass seine Anhänger sich wie Mitglieder eines Kultes verhalten. Seit seiner Wiederwahl hat sich dieses Verhalten, das Tim Walz als „seltsam“ bezeichnete, noch verstärkt. Der neu ernannte Chef der Rundfunkbehörde FCC trägt einen goldenen Trump-Anstecker, um seine „Unterstützung für den großartigsten Präsidenten aller Zeiten“ zu zeigen. Ein Abgeordneter aus South Carolina schlägt vor, eine neue 250-Dollar-Banknote mit Trumps Bild zu drucken. Eine Abgeordnete aus Florida fordert, Trumps Kopf in Mount Rushmore zu integrieren, während aus North Carolina die Initiative kommt, den Flughafen von Washington D.C. in Trump International Airport umzubenennen.

Auch abseits dieser kuriosen Vorschläge sind Anzeichen eines Führerkults erkennbar. In Kabinettssitzungen loben Ministerinnen und Minister den Präsidenten in einer Weise, die an nordkoreanische Propaganda erinnert. Jeder am Tisch äußert sich mit ein paar Sätzen, warum Trump der beste Präsident der Geschichte sei. Der Höhepunkt dieser Huldigungen war vermutlich ein KI-generiertes Bild auf dem offiziellen Twitter-Account des Weißen Hauses, das Trump mit einer Krone und dem Slogan „Lang lebe der König“ zeigte.

Trumps Angriff auf Meinungsfreiheit und faire Prozesse

Es ist ironisch, dass die Partei, die sich als Verfechterin der Meinungsfreiheit sieht, diese nun massiv einschränkt. Bei den Republikanern bedeutet Meinungsfreiheit oft nur das Recht, die eigene Meinung ohne Widerspruch zu äußern. Elon Musk beispielsweise, der sich als „free speech absolutist“ bezeichnet, sperrt auf X/Twitter regelmäßig Nutzer, deren Meinungen ihm nicht passen.

Die Trump-Administration geht jedoch weit über Social Media hinaus. Aus öffentlichen Publikationen werden Verweise auf Nicht-Weiße und Nicht-Heterosexuelle entfernt. Bildungseinrichtungen wie Harvard droht der Entzug von Fördermitteln, wenn sie „zu woke“ sind. Die Inklusion wurde per präsidialem Dekret abgeschafft.

Noch bedrohlicher sind die Pläne der Regierung für die Zukunft. Menschen werden ohne Prozess in Hochsicherheitsgefängnisse in El Salvador deportiert. „Wir können nicht allen einen Prozess ermöglichen, denn das würde, ohne Übertreibung, 200 Jahre in Anspruch nehmen“, schrieb Trump auf Truth Social. Fälschliche Deportationen werden als „administrativer Fehler“ abgetan. Es ist das Abschiebe-Pendant zu „erst schießen und hinterher die Fragen stellen“. Und Trump plant, bald auch unliebsame amerikanische Staatsbürger zu deportieren: „Die Einheimischen sind die nächsten.“

Judikative unter Druck: Die Bedrohung der Gewaltenteilung

Ein solches Vorgehen der Regierung ruft natürlich juristischen Widerstand hervor. Doch Trump und seine Justizministerin Pam Bondi zeigen sich davon gänzlich unbeeindruckt. Pressesprecherin Karoline Leavitt bezeichnet Richter, die sich gegen die Deportationspolitik stellen, als „juristische Aktivisten“, die sich illegal gegen die „exekutiven Rechte“ des Präsidenten auflehnen. Vizepräsident JD Vance schrieb: „Wenn ein Richter der Justizministerin sagt, wie sie arbeiten soll, dann ist das illegal. Richter dürfen der Exekutive keine Vorschriften machen.“

Diese Aussagen offenbaren ein bedenkliches Rechtsverständnis: Die Judikative soll der Exekutive unterstehen, die Gewaltenteilung ist damit hinfällig. Die Trump-Regierung ignoriert Gerichtsurteile, selbst einen einstimmigen Beschluss des Obersten Gerichtshofs zur Rückholung von Kilmar Ábrego García aus El Salvador. Die Dreistigkeit, Gerichtsbeschlüsse einfach zu ignorieren, scheint in Trumps USA auszureichen, um die Gewaltenteilung zu untergraben.

Trump 2028: Der geplante Verfassungsbruch

Auch an anderer Stelle zeigt die Regierung Trump Missachtung für die Verfassung. Der 22. Verfassungszusatz begrenzt die Präsidentschaft auf zwei Amtszeiten. Doch Trump und seine Anhänger wollen dies nicht akzeptieren. Der Kult braucht einen Anführer, auch über 2028 hinaus.

Ein entsprechender Verfassungsbruch wird daher vorbereitet. Zunächst brachten Anhänger aus der zweiten Reihe eine dritte Amtszeit ins Gespräch. Trump erwähnte später, dass „viele Leute“ ihn um weitere vier Jahre gebeten hätten. Schließlich erklärte er, dass er tatsächlich eine dritte Amtszeit anstrebe: „Ich scherze nicht“, betonte er.

„Trump 2028“-Mütze: Mit „Schreib die Regeln neu“ wird der Verfassungsbruch beworben.
„Trump 2028“-Mütze: Mit „Schreib die Regeln neu“ wird der Verfassungsbruch beworben. © Trump Store

„Es gibt Wege, das zu ermöglichen“, sagte Trump. Einer davon sei, dass sein derzeitiger Vize JD Vance kandidiere, dann wiederum mit Trump als Vize-Kandidat. Nach der Wahl würde Vance zurücktreten, und Trump würde Regierungschef. „Das ist eine der Möglichkeiten“, bestätigte Trump.

Seitdem ist das Tabu gebrochen, und sogar „Trump 2028“ Merchandise wird inzwischen verkauft. Entsprechende Mützen „fliegen geradezu von den Verkaufstischen“, so Pressesprecherin Leavitt.

Imperialistische Ambitionen: Grönland und Kanada

Führerkult, Einschränkung von Grundrechten, Abschaffung der Gewaltenteilung und Herrschaft auf Lebenszeit – was dem Einsteiger-Set Faschismus noch fehlt, ist ein wenig Imperialismus. Und den liefert Trump in Form seiner Einverleibungsfantasien bezüglich Kanada und Grönland.

Besonders in Bezug auf Grönland zeigt Trump drastische Rhetorik. „Wir werden Grönland bekommen. Ja, zu 100 Prozent“, sagte er. Eine friedliche Übernahme sei möglich, aber auch eine militärische Annexion: „Ich schließe nichts aus.“ „Wir brauchen Grönland. Wir haben keine andere Wahl.“

Donald Trump spricht in ein Mikrofon, während er anklagend den Finger hebt und von sich weg richtet.
Donald Trump macht seine Meinung deutlich: Grönland sollte zu den USA gehören. © IMAGO/Pool/ABACA

Trumps Gründe sind klassisch imperialistisch: militärische Macht und Rohstoffe. Grönland hat strategische Bedeutung mit einem Luftwaffenstützpunkt und Frühwarnsystem für Raketen. Die Insel beherbergt wertvolle Bodenschätze wie Öl, Gas, Gold, Diamanten, Uran, Zink und Blei. Die dänische Regierung hat den Abbau von Öl und Erdgas zwar mit Verweis auf potenzielle Umweltschäden untersagt, aber Trump wäre in Umweltschutzfragen sicher weniger zimperlich. Die Erderwärmung macht Rohstoffe unter dem Eis außerdem immer leichter zugänglich. Grönland lockt Trump mit Reichtümern, die quasi nur noch eingesammelt werden müssen.

Warum Trump Kanada im Visier hat, ist weniger klar. Es scheint, als sei die Idee eines 51. Bundesstaates ein Scherz, um von innenpolitischen Themen abzulenken. Kanada lehnt Einmischung der USA ab und hat dies mit der Wahl zugunsten der Liberalen gerade wieder bestätigt. Dieses Votum könnte Trump einen Dämpfer versetzen - und seinen Fokus noch stärker auf Grönland lenken.

Faschismus-Experte über die USA: „Es ist zu spät für Illusionen“

Die Anzeichen sind da. Steuern die USA unter Trump also auf den Faschismus zu? Für Faschismus-Forscher Jason Stanley ist klar: „Es ist nicht mehr der Anfang. Es ist der Anfang von der Mitte. Und es ist schon sehr weit fortgeschritten. Die Kultur der Lüge, die Dämonisierung von Gegnern, das Verbot von Komplexität, die Rückkehr der völkischen Rhetorik, der Angriff auf autonome Institutionen – all das ist da. Und ja, auch die Lust am Spektakel, am Erniedrigen. Faschismus war nie nur Schrecken. Er war immer auch Unterhaltung. Deshalb funktioniert Trump.“

Stanley hat seinen Lehrauftrag in Yale aufgegeben und ist nach Kanada gegangen. Im Interview mit der Frankfurter Rundschau erklärt er: „Ich erlebe, dass Universitäten, die einmal für intellektuelle Autonomie standen, heute vor der Regierung kuschen. Ich erlebe, dass Kolleginnen und Kollegen verängstigt sind – nicht wegen ihrer Forschung, sondern wegen ihrer Nationalität, ihrer Herkunft, ihrer Meinung. Ich erlebe, dass nicht mehr argumentiert wird, sondern gedroht. Und dass diese Drohungen Wirkung zeigen.“

Stanley appelliert: „Die Geschichte zeigt: Es braucht nur wenige. Aber diese wenigen müssen jetzt den Mund aufmachen. Schweigen ist keine Option mehr. Es ist zu spät für Illusionen – aber vielleicht noch früh genug für Widerstand.“

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