Einigung oder „Klappe halten“: Trump fordert schnelleren Deal von Russland und Ukraine

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Extrem verstimmt: US-Präsident Donald Trump fordert aktuell dazu auf, in den Friedensverhandlungen über die Ukraine nachzugeben oder die Klappe zu halten – wen er damit meint, hat er verschwiegen. © IMAGO / Aaron Schwartz

Donald Trump platzt der Kragen. Der US-Präsident muss um seinen Ruf als „Dealmaker“ fürchten. Russlands Präsident Putin lässt ihn eiskalt abblitzen.

Washington D. C. – „Um es noch einmal zu verdeutlichen: Was passiert ist, ist nichts“, hat Serge Schmemann geschrieben. Sein Kommentar in der New York Times ist inzwischen zehn Tage alt und die Situation unverändert. Trotz der Inauguration von Donald Trump zum 47. Präsidenten der USA im Februar und dessen Ankündigung, er werde den Ukraine-Krieg im Handumdrehen beenden, wütet Wladimir Putins Invasionsarmee ungerührt weiter. Jetzt reitet Trump die nächste rhetorische Attacke.

„Irgendwann muss man entweder nachgeben oder den Mund halten. Mal sehen, was passiert, aber ich denke, es läuft gut“, hat Donald Trump jetzt an Bord des Präsidentenflugzeugs Air Force One Reportern diktiert, wie beispielsweise das Online-Medium The Hill berichtet. Demnach will Trump offenbar neuen Druck ausüben auf Russlands Verhandlungsbereitschaft über einen Waffenstillstand in der Ukraine. „Jetzt muss er seinen Ruf als Dealmaker verteidigen“, hatte bereits vor rund einem Monat die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) unterstellt. Für NZZ-Autor Ulrich Speck ist Trump auf Putin hereingefallen.

Trumps Desaster: „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Putin bereit ist, die Kämpfe einzustellen“

Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, habe Trump auf dem Social Media-Portal Truth Social gefordert, dass sich Russland „bewegen müsse“ und hingewiesen auf die Tausende von Opfern in diesem Krieg – „,einem Krieg, der nie hätte stattfinden dürfen und der auch nicht stattgefunden hätte, wenn ich Präsident wäre!!!‘“, wie Reuters Trump zitiert. Den Post hat der US-Präsident veröffentlicht, während Steve Witkoff als sein Sondergesandter in St. Petersburg die Gespräche mit Russlands Präsident Wladimir Putin über die Fixierung eines Friedensabkommens mit der Ukraine forcierte. Ein Ergebnis lässt noch auf sich warten.

„Trumps erster Versuch, ein Friedensabkommen mit der Ukraine zu vermitteln, indem er Putin einen attraktiven Ausweg bot, ist gescheitert. Er muss nun entscheiden, ob er bereit ist, neben Zuckerbrot auch Peitsche einzusetzen.“

Ein erstes Zwischenziel hätte gewesen sein können, dass die beiden Kriegsparteien darauf verzichten, gegenseitig ihre Energieanlagen zu beschießen; mündlich ist das vereinbart, allerdings fehlt eine formelle Bestätigung. „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Putin bereit ist, die Kämpfe einzustellen“, fasst Schmemann zusammen. Wladimir Putin hat sich insofern keinen Zentimeter auf die Ukraine zu bewegt. Daher scheint die aktuelle Äußerung von Donald Trump das Gleiche zu bedeuten, was er bereits nach dem zweiten Telefonat mit Wladimir Putin im März geurteilt hatte.

„Trump tat sein Bestes, um zu versichern, das Gespräch sei ,der Anfang von etwas Gutem‘ gewesen. Doch in Wahrheit ist der US-Präsident gescheitert. Putin ließ ihn abblitzen“, hat NZZ-Autor Ulrich Speck dazu geschrieben. Daran ansetzend urteilt Peter Dickinson: „Russlands endlose Waffenstillstandsausreden sind ein Beweis dafür, dass Putin keinen Frieden will“, wie der Analyst des Thinktanks Atlantic Council in einem Essay Anfang April dargelegt hat. Ihm zufolge unterstreiche Putins unnachgiebige Verhandlungsposition seine Absicht, die Invasion der Ukraine fortzusetzen, so Dickinson.

Putins Triumph: Trumps erster Versuch, ein Friedensabkommen mit der Ukraine zu vermitteln, ist gescheitert

Demnach verfestigt sich der Eindruck, Putin spiele mit seinem Amtskollegen auf der Gegenseite Katz und Maus: „Trumps erster Versuch, ein Friedensabkommen mit der Ukraine zu vermitteln, indem er Putin einen attraktiven Ausweg bot, ist gescheitert. Er muss nun entscheiden, ob er bereit ist, neben Zuckerbrot auch Peitsche einzusetzen“, schreibt Dickinson. Die Meinung von politischen sowie wissenschaftlichen Beobachtern scheint dabei einhellig zu sein.

So hoffnungsvoll die Gespräche zwischen Donald Trump und Wladimir Putin begonnen haben mögen, konstatiert beispielsweise Mikhail Korostikov, so wenig wahrscheinlich sei, dass dieser, vom US-amerikanischen Regierungschef gewählte außenpolitische Weg irgendwo hin führe, schreibt der Analyst in einem Beitrag für den Thinktank Carnegie Endowment. Anders herum wird klar, dass sich Wladimir Putin seine Verweigerungshaltung leisten könne – militärisch beißt sich die Ukraine an ihm die Zähne aus, politisch tropft Donald Trump an ihm ab.

Solange das so bliebe, würden sich die Russen gleichermaßen weiterhin um Putin scharen, betont Waleri Fjodorow, der Politologe und Chef des Meinungsforschungsinstituts VCIOM im Interview mit dem staatlichen Sender RBK: „So unterschiedlich diese Gruppen auch waren, alle, mit Ausnahme derjenigen, die weggezogen waren, schlossen sich um Wladimir Putin zusammen. Sie halten ihn nicht nur als Symbol, sondern auch als rettenden Anker fest. In der Extremsituation, in der sich Russland heute befindet, bleibt Putin ein Beschützer und Retter“, sagt er.

Ukraine-Krieg: „Putin ist ein Tyrann und wird von Zeit zu Zeit weiter mit dem Säbel rasseln“

Nach Ansicht von Bill Burns würde sich Putin gegenüber dem Westen auch entsprechend dieses Rückhalts gebärden: „Putin ist ein Tyrann und wird von Zeit zu Zeit weiter mit dem Säbel rasseln“, sagte der Chef des Geheimdienstes CIA (Central Intelligence Agency) gegenüber der Financial Times. Putins Macht bestünde insofern, solange er den von ihm gewählten Weg der Demonstration von Stärke nach außen auch durch Ergebnisse untermauern könnte. Möglicherweise gründet sich Trumps Unmut darauf, dass er gerade an zwei Fronten kämpfen muss: eine nach außen, die andere nach innen.

Wie Peter Dickinson für den Atlantic Council argumentiert, soll Kreml-Sprecher Dmitri Peskow Anfang April deutlich gemacht haben, dass sein Präsident wohl grundsätzlich die Verhandlungen mit vorantreiben wolle, sich dazu aber außerstande sehe, aufgrund des Vorwurfs der „angeblichen Unfähigkeit der ukrainischen Regierung“, „eine Reihe extremistischer und nationalistischer Einheiten zu kontrollieren, die Kiew schlichtweg nicht gehorchen“, wie er Peskow zitiert – und als Ausrede geißelt; als eine „Variante des abgedroschenen Klischees von den ,ukrainischen Nazis‘, das der Kreml seit 2014 pausenlos nutzt, um Russlands eskalierende Aggression gegen die Ukraine zu legitimieren ... , um „die Ukrainer zu entmenschlichen und den Boden für die völlige Auslöschung der ukrainischen Nationalidentität zu bereiten“, wie er schreibt.

Dickinson betitelt das als „Phantombedrohung“, mit der Putin seinen unbeugsamen Widerstand gegen eine friedliche Lösung offenbar kaschiert. Möglicherweise will Trump nichts mehr von diesem Nazi-Thema hören. Oder er möchte die kritischen Stimmen im Inneren gegen seine Außenpolitik mundtot machen. Laut aktuellen Berichten der Nachrichtenagentur Reuters würde Kritik laut werden gegen die Haltung von Trumps neuen „Dealmaker“ Steve Witkoff. Dem Immobilieninvestor wird einerseits mangelnde diplomatische Erfahrung vorgeworfen, so Euronews, andererseits der allzu dienstbare Ausverkauf der Ukraine. Witkoff war erst Sondergesandter im Nahen Osten und agiert jetzt in Russland neben Keith Kellogg.

USA in Aufruhr: Trumps eigenen Leuten geht der Kuschelkurs von Witkoff und Trump mit Putin zu weit

Vielleicht auch deshalb seien gegen Witkoff neben Demokraten und europäischen Offiziellen auch schon prominente Republikaner auf die Barrikaden gestiegen. Einigen von Trumps eigenen Leuten gehe demnach der Kuschelkurs von Witkoff und Trump mit Putin zu weit: Witkoff plädiere offenbar dafür, Russland die widerrechtlich annektierten Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson zuzusprechen und die Weigerung der Ukraine zu ignorieren – was Keith Kellogg als den bisherigen US-amerikanischen Sondergesandten für die Ukraine ebenfalls gegen Witkoff aufbringt.

„Sie sprechen Russisch“, sagte Wittkopf in einem Interview mit Tucker Carlson über die Ostgebiete, wie Reuters wiedergibt: „Es gab Referenden, bei denen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung zum Ausdruck brachte, dass sie unter russischer Herrschaft bleiben will“, so die Nachrichtenagentur. Deren Autoren Erin Banco, Gram Slattery und Humeyra Pamuk haben besorgte Stimmen europäischer Regierungsvertreter gesammelt, laut denen sich trotz häufiger Gespräche zwischen Witkoff und Kellogg offenbar innerhalb der US-Regierung kein koordinierter Prozess zur Ukraine-Politik etabliert haben soll, wie sie schreiben.

Trotz Trumps Aussage, dass etwas „gut laufe“, hätten die westlichen Diplomaten gegenüber Reuters angegeben, dass kaum erkennbar werde was das im Detail sei – und was zu tun wäre, wenn Russland weiter bremse, wie sie die Nachrichtenagentur zitiert: „Wir hören manchmal widersprüchliche Aussagen aus verschiedenen Teilen der Regierung. Das verstärkt den Eindruck, dass es hier keinen wirklichen Plan gibt.“

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