1000 Euro Prämie? Ökonomen loben Ampel-Beschluss zum Bürgergeld: „Geht genau in die richtige Richtung“

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Mit einer 1.000 Euro-Prämie will die Ampel Langzeitarbeitslosen die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt versüßen. Die Opposition ist fassungslos – doch zwei Top-Ökonomen befürworten den Beschluss.

Frankfurt – Die Opposition um CDU und CSU schäumt – doch auch die eigenen Reihen innerhalb der Ampel sind skeptisch. Einmal mehr entwickelt sich das Bürgergeld zum Reizthema. Diesmal steht der Kabinettsbeschluss der Regierung im Fokus, der ab 2025 Bürgergeldempfängern, die wieder in den Job zurückzukehren, 1.000 Euro zahlen will. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann betitelte den Vorschlag, den ursprünglich Wirtschaftsminister Robert Habeck in die Kabinettsitzung eingebracht hatte, in der Bild als eine „absurde Idee“. Jüngst sprach sich sogar die SPD-Bundestagsfraktion gegen die Umsetzung aus.

Und auch FDP-Politiker wie Frank Schäffler wollen den Beschluss im Bundestag noch verhindern. Laut Habeck würden dagegen die Sozialsysteme und die Volkswirtschaft profitieren. Dieses Argument stamme immerhin, wie auch die Idee zur Anschubfinanzierung, aus der Arbeitswissenschaft.

Bundeskabinett
Wirtschaftsminister Robert Habeck (M.) hat die Pläne für die 1.000 Euro-Prämie ins Kabinett getragen – und erfolgreich durchgesetzt. © Kay Nietfeld/dpa

Ampel im Kreuzfeuer – doch zwei Top-Ökonomen loben den Beschluss der Regierung

Und aus diesem Bereich erhält Habeck nun auch Unterstützung. Gegenüber Zeit Online erklärte der renommierte Arbeitsmarktforscher Simon Jäger, dass die Anschubfinanzierung „genau in die richtige Richtung“ gehe. Bei dem Vorhaben handle es sich „de facto um eine Steuer- und Abgabensenkung am unteren Ende der Lohnverteilung, das die Leistungsbereitschaft fördert“. Jäger arbeitet am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ist zudem Research-Fellow am National Bureau of Economic Research (NBER) – einer unabhängigen Forschungsorganisation in Boston. Eines der größten Fehler im deutschen Sozialsystem seien die Fehlanreize: Die Sozialleistungen würden mit der Zunahme des Verdiensts schrumpfen – wodurch sich nicht immer ein deutlicher Vorteil für die Menschen ergebe.

Aus den USA gäbe es zudem seit 40 Jahren regelmäßig wissenschaftliche Daten aus Feldversuchen, dass derartige Anschubprämien den Arbeitsmarkt angekurbelt hätten. Die Polemik in der Öffentlichkeit gegen den Vorschlag hält der Arbeitsmarktexperte zum Teil für bewusste Irreführung, die am Ende zu Lasten der Arbeitslosen gehe: „Niemand wird freiwillig langzeitarbeitslos werden, um hinten raus die Prämie zu kassieren.“

ifo-Präsident Fuest: Ampel-Beschluss könnte tausende neue Jobs schaffen – und Staatseinnahmen erhöhen

Jäger könnte damit zum Beispiel CSU-Generalsekretär Martin Huber meinen. Dieser hatte den Beschluss in der Bild als blanken „Hohn für diejenigen, die seit Jahren ihren Job machen“, kritisiert. Und auch die drohenden Kosten für die derzeit chronisch klamme Bundesregierung sorgten für Misstöne. Habeck hielt allerdings dagegen, dass die Prämie den Staat aufgrund der dann eintretenden Ausgleichseffekte am Markt auf lange Sicht nichts kosten würde. Dieser Darstellung sprang auch der Präsidenten des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (ifo), Clemens Fuest, im Gespräch mit der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) bei: „Langfristig könnte dies sogar fiskalisch günstig sein, da die Menschen wieder in die Kassen einzahlen und weniger Bürgergeld benötigen.“ Laut Fuest deuteten Studien sogar darauf hin, dass „etwa 100.000 neue Arbeitsplätze“ durch diesen Anreiz entstehen könnten. Diese Entwicklung würde wiederum mehr Steuern und Sozialabgaben bedeuten – und auf der Gegenseite weniger Sozialleistungen vom Staat.

Ifo-Präsident: Lohnt sich kaum noch zu arbeiten – Experte plädiert für Reform der Sozialsysteme

Auch Jäger zeigte sich in dieser Hinsicht optimistisch, zudem die Prämie nur dann ausgezahlt werde, wenn Langzeitarbeitslose „auch tatsächlich längerfristig in Arbeit wechseln“. Auf der Gegenseite, so Fuest, müsste allerdings ausgeschlossen werden, dass Menschen zwischen Bürgergeld und Arbeit hin- und herwechseln – etwa durch längere Wartezeiten für erneute Ansprüche.

Den Kabinettbeschluss bewertet Fuest zwar als gute Lösung, doch sieht er in der Debatte um die Anschubfinanzierung ein grundsätzliches Problem: „Fakt ist aber, dass es sich angesichts des Niveaus der Sozialleistungen für viele Menschen kaum noch lohnt zu arbeiten.“ Was Fuest erstmal nur andeutet, hat Jäger schon in eine konkrete Forderung formuliert: Das Sozialsystem müsse einer tiefgreifenden Reform unterzogen werden – was allerdings eher eine langfristige Aufgabe sei.

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