„Lebenswichtig“ im Kampf gegen Putins Truppen: Wie ukrainische Soldaten in Deutschland lernen

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Seit dem russischen Angriff steht Deutschland der Ukraine zur Seite – mit Waffenhilfe, aber auch bei der Ausbildung der Soldaten.

Berlin – Boris Pistorius ist glaubhaft begeistert. Unteroffiziere und Feldwebel „gelten zu Recht als Rückgrat der Armee“, sagt der Verteidigungsminister während eines Truppenbesuchs im sächsischen Delitzsch. Die Stützen der Streitkräfte „verstehen ihren Job gut“ – so gut, dass sie in einer international konzertierten Aktion auch ukrainische Kräfte trainieren, die ihr Land unter größten Gefahren gegen Putins Russland verteidigen. „Machen sie so weiter so“, ermutigt Pistorius die Soldatinnen und Soldaten, „für die Ukraine ist das lebenswichtig.“

Ukrainische Soldaten imponieren durch hohe Motivation – „es ist bemerkenswert“

Seit der russischen Invasion im Februar 2022 steht Deutschland der Ukraine in ihrem Kampf gegen den Aggressor zur Seite. „Zu dem Unterstützungspaket gehört die Ausbildung ukrainischer Soldaten an Waffensystemen, in militärischer Führung und in sanitätsdienstlicher Versorgung“, erklärt Oberstleutnant Roland Bösker vom Multinational Special Training Command im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Es ist bemerkenswert, welche Motivation die Ukrainer an den Tag legen.“

Ausbildung an der feuerbereiten Panzerhaubitze 2000.
Ausbildung an der feuerbereiten Panzerhaubitze 2000. © ST-C EUMAM UA ComDiv

Die europäische Ausbildungsmission European Union Military Assistance Mission Ukraine, kurz EUMAM UA, ist in ihrer Form einzigartig. Bis Ende des Jahres sollen 60.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten geschult werden. An Militärstandorten in Deutschland wurden im vergangenen Jahr 10.000 Soldaten speziell ausgebildet, bis Dezember wird sich die Zahl auf 20.000 Soldaten verdoppeln. Zum Kommando in Deutschland tragen 24 europäische Nationen bei. Zudem wird bis Ende 2024 Polen 40.000 Soldaten aus der Ukraine trainiert haben.

Minister Pistorius lobt „Hingabe und Konzentration“ der ukrainischen Soldaten

In Delitzsch werden Soldaten aus der Ukraine zu Unteroffizieren und Feldwebeln weitergebildet. „Während der Trainingseinheiten setzen wir Sprachmittler ein, die mit Russisch oder Ukrainisch vertraut sind“, sagt Bösker. Auf dem Übungsgelände bleiben die Ukrainer trotzdem lieber unter sich. „Kontakt haben die Soldaten aus der Ukraine erst mal grundsätzlich nur zu ihren Ausbildern, sie legen meistens großen Wert auf Rückzugsmöglichkeiten.“

Ein Schützenpanzer des Typs Marder fährt auf einem Truppenübungsplatz eine sandige Erhebung hinauf.
Ein Schützenpanzer des Typs Marder fährt auf einem Truppenübungsplatz eine sandige Erhebung hinauf. © ST-C EUMAM UA ComDiv

Verständlich, angesichts des Pensums, das sie bei ihren Lehrgängen abreißen. Als Pistorius und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Juni eine Flugabwehrraketengruppe der Bundeswehr besucht haben, in der ukrainische Soldaten am Patriot-System ausgebildet werden, zeigte sich der Minister beeindruckt. Die Ausbildung an dem Flugabwehrsystem nehme für gewöhnlich Monate, mitunter sogar Jahre in Anspruch, sagte Pistorius. Die ukrainischen Soldaten lernten die grundlegenden Fähigkeiten „mit Hingabe und Konzentration in nicht einmal zwei Monaten“.

Im Ukraine-Krieg nehmen russische Angreifer die Sanitäter „anscheinend gezielt unter Feuer“

Auch bei der taktischen Erste-Hilfe-Ausbildung an einem anderen Bundeswehrstandort trainieren sie aus eigenem Antrieb bis zur Erschöpfung. „Nicht selten zwölf Stunden am Tag“, erzählt Bösker. „Ausgestattet mit Schutzwesten und Sturmgewehren üben sie, wie man im Gefecht schwer Verwundete versorgt und notdürftig am Leben hält.“ Sanitäter können Kriegsverwundete häufig erst nach Stunden im Schutze der Nacht bergen. „Hohe Verlustraten unter ukrainischem Sanitätspersonal lassen vermuten, dass den russischen Angreifern ein rotes Kreuz nicht nur egal ist“, sagt Bösker: „Sie nehmen Sanitäter anscheinend gezielt unter Feuer.“

Im sächsischen Delitzsch entwickeln sich zwischen deutschen Unteroffizieren und ukrainischen Soldaten am Rande des Trainings auch kameradschaftliche Bindungen. „Wenn eine Ausbildung zu Ende geht, umarmen sich die Soldaten zum Abschied schon mal“, erzählt Oberstleutnant Bösker. „Beide Seiten wissen, dass man sich möglicherweise nicht mehr wiedersieht.“

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